- versalia.de
-- Aktuelles
--- Otto und Elise Hampel - Ausstellung in Berlin

ArnoAbendschoen - 12.11.2015 um 12:19 Uhr

Hans Fallada hat 1946 aus dem Schicksal der Hampels seinen letzten Roman gemacht: „Jeder stirbt für sich allein“. Bei ihm heißt das Ehepaar nun Quangel und wohnt im Prenzlauer Berg. Die originalen Hampels dagegen lebten im Wedding. Ganz in der Nähe ihrer Wohnung steht der Neubau der Schillerbibliothek, die bis zum 16.1.2016 im ersten Stock eine kleine Ausstellung über die 1943 Hingerichteten zeigt.

Otto und Elise Hampel kamen vom Land, genossen nur wenige Jahre Volksschulbildung. Er (geb. 1897) war ungelernter Arbeiter bei Siemens, sie (geb. 1903) Haushaltshilfe und Näherin. Sie heirateten 1937, schienen damals gut angepasst an den NS-Staat. Als aber Elises Bruder im Herbst 1939 in Frankreich fiel, wurden sie zu entschiedenen Gegnern des Regimes. Otto Hampel schrieb über 200 selbst verfasste Texte auf Postkarten, auf denen er sowohl die Kriegführung als auch die inneren Zustände in Deutschland scharf kritisierte und zum Widerstand aufforderte. Er verteilte sie ab Herbst 1940 – zum Teil mit Hilfe seiner Frau – heimlich in Treppenhäusern quer durch Berlin. Nach zwei Jahren wurden beide gefasst, in einem Gerichtsverfahren zum Tod verurteilt und am 8.4.1943 in Plötzensee hingerichtet.

Entgegen der Absicht der Hampels wurden fast alle verteilten Karten rasch bei der Polizei abgegeben und zirkulierten nicht. Sie werden heute als Dokumente im Bundesarchiv aufbewahrt. Eine Auswahl von ihnen bildet, reproduziert und stark vergrößert, den Kern der Ausstellung. Otto Hampel benutzte eine Art ungelenke Druckschrift, um seine persönliche Handschrift zu verbergen. Nicht weniger Mühe als das Malen der Buchstaben scheint ihm die Formulierung des Inhalts gemacht zu haben. Umso mehr Achtung verdienen seine mutigen Texte! Was heute gern übersehen wird: Hampel, der keiner linken Organisation angehörte, äußert sich explizit antikapitalistisch, zieht oft Verbindungen zwischen Hitler und dem großen Geld. Otto Hampel vertritt also unreflektiert eine explizit proletarische Sicht auf den NS-Staat.

Umgekehrt wollte auch Fallada, dem die Prozessakten zur Verfügung standen, nicht der ganzen historischen Wahrheit ins Auge sehen. Der Roman, auf Veranlassung von Johannes R. Becher für den Ostberliner Aufbau-Verlag geschrieben, unterschlägt u.a. dieses wesentliche Detail: Die Hampels versuchten in ihren Gnadengesuchen, sich gegenseitig die Schuld zuzuschieben, um der Hinrichtung zu entgehen.

Das Hampel-Wohnhaus Amsterdamer / Ecke Turiner Straße wurde noch 1943 von einer Fliegerbombe zerstört. Dort, auf einer unbebaut gebliebenen Grünfläche, erinnert heute eine Gedenktafel an das Ehepaar.

(Ort der Ausstellung: Schiller-Bibliothek, Müllerstraße 149, Nähe U-Bahnhof Leopoldplatz).




URL: https://www.versalia.de/forum/beitrag.php?board=v_forum&thread=5234
© 2001-2024 by Arne-Wigand Baganz // versalia.de