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-- Rezensionen II
--- A.J. Weigoni, Abgeschlossenes Sammelgebiet
1943Karl - 12.02.2015 um 15:08 Uhr
Liebe sinnlich ideologisch
An Liebesgeschichten versuchen und versuchten sich Romanciers immer und immer wieder, denn bekanntermaßen bleibt die Liebe am Ende immer unergründlich und unbeschreiblich.
Auch A.J. Weigoni, vor allem Lyriker und als solcher unweigerlich der Liebe und ihren Begleiterscheinungen zugetan, probiert es mit seinem Roman „Abgeschlossenes Sammelgebiet“ auf eine eher ungewöhnliche Art.
Nicht lange nach der so genannten Wende und dem Fall der Mauer zwischen der Deutschen Demokratischen und der Bundes-Republik suchen und finden im Zeitraum zwischen dem 9. November 1989 und dem 18. März 1990 damalige Zeitgenossinnen und –genossen ihre ganz eigenen Erklärungen für jenes zwischenmenschlich ungeheuer anziehende Phänomen.
Einerseits erleben sie sinnhaft ideologisierend und andererseits zugleich sinnlich lüstern Teile ihrer Lebens- und Liebesgeschichten. Und da Liebe in der Regel zunächst einmal zusammenführt, eignet sich die (Wieder-)Vereinigung der beiden deutschen Staaten nicht zuletzt auch für eine Art Liebesbeweis, dem sich jenes abgeschlossene Sammelgebiet DDR teils freiwillig, teils unter Druck und mit den Mitteln einer friedlichen Revolution öffnete.
Ob jenes erste Verliebtsein unmittelbar nach der Maueröffnung jedoch zur dauerhaften deutsch-deutschen Liebe führen wird, blieb bis zum heutigen Tag offen, zumal viele Liebenden es nach jener Isolierung in ihrem einstigen Staat vorziehen und vorzogen, „in unerforschte Welten aufzubrechen“.
Ein Zitat von Karl Kraus geht dem Romans voraus: „Die unwahrscheinlichsten Gespräche, die hier geführt werden, sind wörtlich gesprochen worden; die grellsten Erfindungen sind Zitate.“ Diesem Motto entsprechend lassen sich Charlotte, Jane und Moritz, die Hauptfiguren des atmosphärisch äußerst dichten Romans über ihr Leben, ihren beruflichen Alltag, ihre Liebesversuche und -Gewohnheiten und das aus, was sie dafür halten.
Der Roman gibt in kurzen Sätzen einen Art Rock’n’Roll-Rhythmus vor und damit den hastigen Takt ständiger Veränderungen, dem heutige wie damalige Zeitgenossen sich offenbar ausgesetzt fühlen.
In Düsseldorf sowie in der „Hauptstadt der DDR“, aber auch bei Fluchten nach Paris und Rügen werden gelebte Tagebücher aufgeblättert. Sie beschreiben und reflektieren anhand vieler ungewöhnlicher Metaphern das dortige Leben der Romanfiguren sowie ihr Denken und Fühlen und bieten es somit den Lesern zum tieferen Mit- und Nachempfinden an.
Weigoni nimmt kenntnisreich sowohl die jeweiligen Ideologien und Glaubensrichtungen seiner Figuren als auch ihre künstlerische und berufliche Ausrichtung zum Anlass, wortspielerisch deren Auffassungen und Empfindungen von ihrer Liebe und ihrem Lebens durchzubuchstabieren.
Der Roman wird dadurch zu einem Abbild der 1989-er Generation, die sich abmüht, zwischen Lebenslust und –unlust ihre Rollen in einer „Coolness der Verzweiflung“ zu spielen. Sicherlich ist dem Autor damit auch gelungen, bei der Bewältigung der Vergangenheit der Zweistaatlichkeit und des kalten Krieges behilflich zu sein.
Manchmal verliert sich Weigoni dabei allerdings im jeweiligen Fachjargon und verlangt den Lesern eine hohe Kenntnis an Fremd- und Fachwörtern ab. Somit ist die Lektüre ohne Wörterbuch und/oder Smartphone sowie „wikipedia“ kaum zufriedenstellend zu bewältigen.
Wer sich jedoch auf diese langsame und intensive Lesart einlassen kann, der wird darüber sicherlich zu einem intellektuellen Hochgenuss ge- und verführt.
Das Buch ist vor allem politisch und gesellschaftlich interessierten Lesern zu empfehlen sowie auch jenen, die sich in der Kunstszene jener Jahre umtun wollen. Da finden – bei aller Liebe - Opern- und Musikliebhaber, Film-Fans, Interessenten der bildenden Kunst und der allgemeinen Kunstkritik sowie anderer Gattungen eine Fülle von Erlebnissen und Denkanregungen.
A.J. Weigoni, Abgeschlossenes Sammelgebiet, Roman, Edition Das Labor – Verlag der Artisten, Bad Mülheim, 2014, 511 Seiten, € 19,80 TB), € 29,80 (Gebundene Ausgabe)
Matze - 13.02.2015 um 10:05 Uhr
Zur historischen Abfolge, eine Einführung: http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=25344
Matze - 14.02.2015 um 11:13 Uhr
Eine Rezension von Jo Weiß findet sich auf kulturaextra: http://www.livekritik.de/kultura-extra/literatur/spezial/buchkritik_ajweigoni_abge schlossenessammelgebiet.php
Matze - 15.02.2015 um 07:25 Uhr
Beim vordenker entdeckt Constanze Schmidt in diesem Roman einen Dreiklang: http://www.vordenker.de/weigoni/abg_sammelgebiet.html
Matze - 16.02.2015 um 23:35 Uhr
Auf Fixpoetry arbeitet Margretha Schnarhelt einen Vergleich zwischen A.J. Weigoni und Haruki Murakami heraus: http://www.fixpoetry.com/feuilleton/kritiken/a-j-weigoni/abgeschlossenes-sammelge biet
Matze - 18.02.2015 um 08:53 Uhr
Eine weitere Parallele zu Jahrestage von Uwe Johnson und diesem Roman wird hier gezogen: http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=24922
Matze - 20.02.2015 um 13:52 Uhr
Die Dualität des Erscheinens mit Lutz Seilers “Kruso” wird hier thematisiert: http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=26315
Matze - 22.02.2015 um 11:03 Uhr
Einen Essay zum Roman lesen Sie hier: http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=24403
Matze - 01.03.2015 um 10:00 Uhr
Ein Hintergrundgespräch findet sich auf der Lyrikwelt: http://www.lyrikwelt.de/hintergrund/weigoni-gespraech3-h.htm
Matze - 08.03.2015 um 13:17 Uhr
Einen Essay von Regine Müller lesen Sie hier: http://www.editiondaslabor.de/blog/?p=24412
URL: https://www.versalia.de/forum/beitrag.php?board=v_forum&thread=5174
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