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ArnoAbendschoen - 17.10.2013 um 22:58 Uhr

- Die Reichsmütterschule Berlin-Wedding im NS-System –

Unter diesem Titel zeigt das Berliner Mitte Museum bis zum 31.8.2014 innerhalb des Ausstellungsreigens „Zerstörte Vielfalt“ eine beachtliche Ausstellung zur Rolle der Frau im Dritten Reich. Anknüpfungspunkt hierfür ist die damalige Reichsmütterschule in der Weddinger Schulstraße, 1936 installiert im eigens dafür umgebauten ältesten Schulgebäude des Stadtteils (gegenüber der Neuen Nazarethkirche). Das Haus wurde im Krieg zerstört, das Gelände wird jetzt für Pachtgärten genutzt. Die Ausstellung merkt kritisch an, dass dort bis heute jeder Hinweis auf die Geschichte des Ortes fehlt.

Drei Funktionen erfüllte die Reichsmütterschule, deren Berliner Hauptstelle gewiss nicht zufällig im Roten Wedding angesiedelt wurde: 1. Unterweisung von Frauen in der Haushaltsführung und im Kinderaufziehen, 2. ideologische Beeinflussung der Frauen im Sinne des Regimes, 3. Kaderschulung, auf das gesamte Reich ausstrahlend. Ausgehend von ihrem lokalgeschichtlichen Bezug widmet sich die Ausstellung indessen fast der gesamten Bandbreite des Themenspektrums „Frau und Drittes Reich“. Die Grundzüge der NS-Biopolitik („Rassenhygiene“) werden erläutert, der Sozialdarwinismus wird beleuchtet, Einzelaspekte wie z.B. die Sterilisation oder die Nürnberger Rassegesetze werden thematisiert. Man erfährt manches über die weit zurückreichenden – auch bürgerlichen - Wurzeln dieses verhängnisvollen Ideenkonglomerats und wird fast zu eingehend mit der hochbürokratischen Organisation staatlich gelenkter Frauenbewegung damals vertraut gemacht. Lange könnte man vor den kunstvollen Organigrammen verweilen …

Die Ausstellung präsentiert eine beeindruckende Fülle von Dokumenten: Fotos, Plakate, Bücher, Briefe usw. Wir erfahren u.a., dass es neben dem reichsweiten Netz der Reichsmütterschulen ein weiteres von Reichsbräuteschulen gab – obligatorisch für die Partnerinnen von SS- und SA-Männern -, die für Berlin befand sich auf Schwanenwerder. Man ruft uns ins Gedächtnis – falls wir es vergessen haben -, dass der Muttertag seit 1934 staatlicher Feiertag war. Und es werden immer wieder Figuren jener Zeitgeschichte vorgestellt, allen voran Gertrud Scholtz-Klink (1902 – 1999), als Führerin der NS-Frauenschaft sozusagen die oberste Nazisse des Reichs.

Hat der Berichterstatter, Sohn einer damals heranwachsenden jungen Frau, etwas Zeiten Überdauerndes entdeckt? Ja – den Entsafter. Das Verwerten heimischen Obstes, popularisiert vor dem Krieg, weiter betrieben nach dem Krieg, heute wieder propagiert im Sinne regionaler Wirtschaftskreisläufe, das zumindest hat ungebrochene Tradition. Wenn es denn nur dabei bliebe …

(Das Mitte Museum mit im Übrigen lohnender Dauerausstellung finden Sie in der Pankstraße 47. Geöffnet Montag bis Mittwoch sowie am Sonntag jeweils von 10 – 17 Uhr, außerdem Donnerstag von 10 – 20 Uhr. Eintritt frei.)




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