- versalia.de
-- Prosa
--- Karussell des Leben
klaasen - 20.08.2012 um 14:23 Uhr
-Bis der Vorhang fällt
Kayoma trat ans Fenster und blickte hinaus. Draußen war: Nichts. Ja, richtig Nichts! War das denn möglich? Sie kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder, schüttelte sich, ging ein paar Schritte auf und ab. Versuchte es erneut, mit demselben Ergebnis. War das etwa ein Traum? Sie schlug sich fest gegen den Oberarm, mit der Faust. Es tat weh, und wie! Kein Traum...
Die Welt war verschwunden, einfach weg.
Ihr wurde schwarz vor Augen, immerhin, denn schwarz war nicht Nichts. Fast erleichterte sie das und dennoch fühlte sie die Gänsehaut über Arme und Nacken heranschleichen, heiß wie siedendes Wasser.
Ein Gedanke brach aus dem Himmel hervor, stürzte herab, detonierte am Boden ihres Geistes: War das alles etwa die Antwort auf ihr mehr als ungebührliches Verhalten? Auf ihren Hass?
Ja, sie hatte die Welt immer schon gehasst, konnte es sein, dass diese ihr nun den Rücken kehrte? Sie ist davongelaufen wie ein Spielkamerad, der des Wartens überdrüssig geworden ist," dachte sie weiter, fühlte sich plötzlich wehmütig dabei.
"Du wolltest sie doch nie," meldete sich jetzt eine andere Stimme in ihr, leise zwar, aber deutlich wie klirrendes Glas.
"Hast du dich etwa nicht über alles und jeden beschwert? Dich über Menschen, die du nicht mal kennst, lustig gemacht? Sozial Benachteiligte als Schmarotzer beschimpft?"
Ungläubig lauschte sie, wich tiefer in das Zimmer zurück und presste probehalber ihre Hände auf die Ohren.
"Das nützt dir gar nichts," fuhr die Stimme vorwurfsvoll fort. "Und überhaupt, wann hast du je anderen deine Liebe gezeigt? Ich sag es dir: Nie! Im Gegenteil, mit Füssen hast du sie getreten, du warst kalt wie ein Fisch!"
Sie ließ sich seitwärts aufs Bett fallen, zog sich zusammen wie ein Embryo und verharrte, beide Arme krampfhaft um die Knie gepresst.
"Lass mich in Ruhe," flüsterte sie in den Raum.
Erst jetzt bemerkte sie, dass alles, was gerade zuvor noch darin gestanden hatte, ebenfalls verschwunden war. Nur eben ihr Bett war noch da, weiß leuchteten die Laken wie das Innere eines weit geöffneten Sarges.
"Ich habe doch gerade erst begonnen," hob die Stimme mitleidslos wieder an ,“die Liste ist noch viel länger ..."
Kayomas Gedankenwelt geriet aus den Fugen. Sie sah ihr geliebtes Selbstbild, wie es zum Himmel flog, der Sonne zu nahe kam und zerschmolz wie Wachs. Den Abgrund, der die herabfallenden Tropfen schluckte, wie ein hungriges Fass ohne Boden.
Was hatte sie nicht alles angestellt, um sich hinter einer Mauer aus Eis zu schützen: Geschwindelt, betrogen, gestohlen, ihre Eltern verleugnet und vor allem sich selbst betrogen. Ihre Seele eingetauscht, verhökert für eine Welt aus Glitzer und Glimmer. Für schönen, hohlen Schein.
Das Zimmer drehte sich wie ein Karussell und wurde schneller und schneller. Schwindlig geworden klammerte sie sich an einer Art Haltegriff fest und versuchte verzweifelt, einen Punkt zu fokussieren, um die unerträgliche Übelkeit in den Griff zu bekommen. Da sah sie den Schatten: Sie war nicht alleine. Jemand fuhr mit auf diesem Karussell. Zuerst dachte sie, die unsägliche Stimme von vorhin verfolge sie auch hier, doch schließlich verschmolzen die Schemen zu ihres Vaters Gesicht. Traurig blickte er sie an.
„Kayoma …Kind …Was habe ich falsch gemacht? Habe ich dir nicht alles gegeben was ich konnte? Habe ich dich als Vater nicht genug geliebt? Warum verleugnest du deine Mutter und mich?
Als du noch klein warst, gingen wir auf einen Ostermarkt, Kayoma, lach nicht. Es war ein harmloses Vergnügen, sonst nichts. Dennoch gaben wir für den Spaß ein kleines Vermögen aus. Du hast dich gefreut, warst glücklich und so unschuldig dabei.
Und schau dich jetzt an … Ein Ostermarkt ist dir längst nicht mehr genug. Du glaubst du wirst geliebt, glaubst die Schickeria, in der du dich tummelst ist ´´das Leben´´. Was ist das für ein Leben? Ich sehe nur Ausbeuter. Kannibalen, die Mädchen wie dich durch den Fleischwolf drehen und anschließend auffressen. Wach auf Kayomo... Wach auf!”
Das Karussell drehte sich noch immer, langsam verschwand das Gesicht ihres Vaters. Ein neuer Schatten kroch aus dem Nichts:
Ihre Großmutter …
Güte lag in den Augen der alten Frau, aber auch großes Bedauern. Flüsternd bewegte sie die Lippen. Kayoma lauschte angestrengt.
”Pass gut auf dich auf. Ich bitte dich…” Dann verschwand auch sie, wie Rauch, der durch einen Abzug wirbelte.
Das Karussell drehte, drehte und drehte sich: Das Gesicht ihres letzten Lovers erschien: Eddy! ,Nun bin ich also in meiner Ära des "Fickens“ angelangt,´ dachte sie bei sich. Nun gut, dort fühlte sie sich wenigstens zu Hause, es gab ihr Sicherheit. Lange Zeit hatte sie nichts anderes gewollt, nichts anderes gekannt. Sie sehnte sich danach zurück, nicht ohne Bedauern zwar, aber doch.
„ Ich bin dein Macho, dein Stier, vergiss das nicht!”
Kayoma spürte ihren Mund, wie er sich weitete und Gassenjargon freiließ: „Wie bitte? Du glaubst, ich bin auf dich angewiesen, du Macho? Du glaubst, ich brauche dich? Ich brauche Milch, steige ich deshalb mit einer Kuh ins Bett?“
Eddy ließ ein höhnisches Lachen hören: „Als Kuh werde ich dich in mein Zimmer sperren, dich befruchten und dich schön im Stall halten … Dann züchten wir Kälber, kleine dicke Nutten für den Jahrmarkt der Eitelkeiten!“
” Eddy, du warst schon immer ein Versager. Hast ne große Fresse und nichts dahinter. Fick dich doch selbst, du Null!”
Plötzlich begriff Kayoma, zu was sie geworden war. Sie war selbst ein Eddy, ein Luder. Das hatte sie doch gar nicht gewollt! Sie sah sich selbst zum ersten Mal wie in einem glasklaren Spiegel und fragte sich: „Ist es zu spät? Sie sah wie sie Menschen verletzt hatte, hörte ihre schmutzige Sprache. Sah, wie sie sich zu einem monströsen Weib verwandelt hatte und dass sie nur eine Marionette war, die willenlos an Fäden zappelte, die andere zogen. Wenn sie jemals gute Qualitäten besessen hatte, so hatte sie diese zu lange schamlos vernachlässigt … Wahre Freunde begleiteten sie schon lange nicht mehr, zuviel hatte sie ihnen angetan …
So in Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht, wie Eddy verschwunden war.
Das Karussell stoppte und sie fand sich auf einem Bahnsteig wieder. ”.
”Einsteigen, bitte einsteigen.“ Ein Herr mit einer blauen Mütze und einer Pfeife in der Hand trillerte seine Pfeife. Sie stieg etwas zögerlich ein und nahm Platz. Gesichter drehten sich nach ihr um und schauten sie an.
Der Zug rollte los und sie fühlte für einen Moment als führe etwas aus ihrem Herzen. Der Zug fuhr los, vorbei an Bildern, die ihr nicht fremd waren. Ihre Augen glichen Kinderaugen und sahen eine Welt aus Marzipan und Schokolade. Kinder aus Schnee, Menschen aus Zucker und Häuser aus Watte.
klaas klaasen 2009
klaasen - 20.08.2012 um 14:23 Uhr
-Bis der Vorhang fällt
Kayoma trat ans Fenster und blickte hinaus. Draußen war: Nichts. Ja, richtig Nichts! War das denn möglich? Sie kniff die Augen zusammen, öffnete sie wieder, schüttelte sich, ging ein paar Schritte auf und ab. Versuchte es erneut, mit demselben Ergebnis. War das etwa ein Traum? Sie schlug sich fest gegen den Oberarm, mit der Faust. Es tat weh, und wie! Kein Traum...
Die Welt war verschwunden, einfach weg.
Ihr wurde schwarz vor Augen, immerhin, denn schwarz war nicht Nichts. Fast erleichterte sie das und dennoch fühlte sie die Gänsehaut über Arme und Nacken heranschleichen, heiß wie siedendes Wasser.
Ein Gedanke brach aus dem Himmel hervor, stürzte herab, detonierte am Boden ihres Geistes: War das alles etwa die Antwort auf ihr mehr als ungebührliches Verhalten? Auf ihren Hass?
Ja, sie hatte die Welt immer schon gehasst, konnte es sein, dass diese ihr nun den Rücken kehrte? Sie ist davongelaufen wie ein Spielkamerad, der des Wartens überdrüssig geworden ist," dachte sie weiter, fühlte sich plötzlich wehmütig dabei.
"Du wolltest sie doch nie," meldete sich jetzt eine andere Stimme in ihr, leise zwar, aber deutlich wie klirrendes Glas.
"Hast du dich etwa nicht über alles und jeden beschwert? Dich über Menschen, die du nicht mal kennst, lustig gemacht? Sozial Benachteiligte als Schmarotzer beschimpft?"
Ungläubig lauschte sie, wich tiefer in das Zimmer zurück und presste probehalber ihre Hände auf die Ohren.
"Das nützt dir gar nichts," fuhr die Stimme vorwurfsvoll fort. "Und überhaupt, wann hast du je anderen deine Liebe gezeigt? Ich sag es dir: Nie! Im Gegenteil, mit Füssen hast du sie getreten, du warst kalt wie ein Fisch!"
Sie ließ sich seitwärts aufs Bett fallen, zog sich zusammen wie ein Embryo und verharrte, beide Arme krampfhaft um die Knie gepresst.
"Lass mich in Ruhe," flüsterte sie in den Raum.
Erst jetzt bemerkte sie, dass alles, was gerade zuvor noch darin gestanden hatte, ebenfalls verschwunden war. Nur eben ihr Bett war noch da, weiß leuchteten die Laken wie das Innere eines weit geöffneten Sarges.
"Ich habe doch gerade erst begonnen," hob die Stimme mitleidslos wieder an ,“die Liste ist noch viel länger ..."
Kayomas Gedankenwelt geriet aus den Fugen. Sie sah ihr geliebtes Selbstbild, wie es zum Himmel flog, der Sonne zu nahe kam und zerschmolz wie Wachs. Den Abgrund, der die herabfallenden Tropfen schluckte, wie ein hungriges Fass ohne Boden.
Was hatte sie nicht alles angestellt, um sich hinter einer Mauer aus Eis zu schützen: Geschwindelt, betrogen, gestohlen, ihre Eltern verleugnet und vor allem sich selbst betrogen. Ihre Seele eingetauscht, verhökert für eine Welt aus Glitzer und Glimmer. Für schönen, hohlen Schein.
Das Zimmer drehte sich wie ein Karussell und wurde schneller und schneller. Schwindlig geworden klammerte sie sich an einer Art Haltegriff fest und versuchte verzweifelt, einen Punkt zu fokussieren, um die unerträgliche Übelkeit in den Griff zu bekommen. Da sah sie den Schatten: Sie war nicht alleine. Jemand fuhr mit auf diesem Karussell. Zuerst dachte sie, die unsägliche Stimme von vorhin verfolge sie auch hier, doch schließlich verschmolzen die Schemen zu ihres Vaters Gesicht. Traurig blickte er sie an.
„Kayoma …Kind …Was habe ich falsch gemacht? Habe ich dir nicht alles gegeben was ich konnte? Habe ich dich als Vater nicht genug geliebt? Warum verleugnest du deine Mutter und mich?
Als du noch klein warst, gingen wir auf einen Ostermarkt, Kayoma, lach nicht. Es war ein harmloses Vergnügen, sonst nichts. Dennoch gaben wir für den Spaß ein kleines Vermögen aus. Du hast dich gefreut, warst glücklich und so unschuldig dabei.
Und schau dich jetzt an … Ein Ostermarkt ist dir längst nicht mehr genug. Du glaubst du wirst geliebt, glaubst die Schickeria, in der du dich tummelst ist ´´das Leben´´. Was ist das für ein Leben? Ich sehe nur Ausbeuter. Kannibalen, die Mädchen wie dich durch den Fleischwolf drehen und anschließend auffressen. Wach auf Kayomo... Wach auf!”
Das Karussell drehte sich noch immer, langsam verschwand das Gesicht ihres Vaters. Ein neuer Schatten kroch aus dem Nichts:
Ihre Großmutter …
Güte lag in den Augen der alten Frau, aber auch großes Bedauern. Flüsternd bewegte sie die Lippen. Kayoma lauschte angestrengt.
”Pass gut auf dich auf. Ich bitte dich…” Dann verschwand auch sie, wie Rauch, der durch einen Abzug wirbelte.
Das Karussell drehte, drehte und drehte sich: Das Gesicht ihres letzten Lovers erschien: Eddy! ,Nun bin ich also in meiner Ära des "Fickens“ angelangt,´ dachte sie bei sich. Nun gut, dort fühlte sie sich wenigstens zu Hause, es gab ihr Sicherheit. Lange Zeit hatte sie nichts anderes gewollt, nichts anderes gekannt. Sie sehnte sich danach zurück, nicht ohne Bedauern zwar, aber doch.
„ Ich bin dein Macho, dein Stier, vergiss das nicht!”
Kayoma spürte ihren Mund, wie er sich weitete und Gassenjargon freiließ: „Wie bitte? Du glaubst, ich bin auf dich angewiesen, du Macho? Du glaubst, ich brauche dich? Ich brauche Milch, steige ich deshalb mit einer Kuh ins Bett?“
Eddy ließ ein höhnisches Lachen hören: „Als Kuh werde ich dich in mein Zimmer sperren, dich befruchten und dich schön im Stall halten … Dann züchten wir Kälber, kleine dicke Nutten für den Jahrmarkt der Eitelkeiten!“
” Eddy, du warst schon immer ein Versager. Hast ne große Fresse und nichts dahinter. Fick dich doch selbst, du Null!”
Plötzlich begriff Kayoma, zu was sie geworden war. Sie war selbst ein Eddy, ein Luder. Das hatte sie doch gar nicht gewollt! Sie sah sich selbst zum ersten Mal wie in einem glasklaren Spiegel und fragte sich: „Ist es zu spät? Sie sah wie sie Menschen verletzt hatte, hörte ihre schmutzige Sprache. Sah, wie sie sich zu einem monströsen Weib verwandelt hatte und dass sie nur eine Marionette war, die willenlos an Fäden zappelte, die andere zogen. Wenn sie jemals gute Qualitäten besessen hatte, so hatte sie diese zu lange schamlos vernachlässigt … Wahre Freunde begleiteten sie schon lange nicht mehr, zuviel hatte sie ihnen angetan …
So in Gedanken versunken, bemerkte sie gar nicht, wie Eddy verschwunden war.
Das Karussell stoppte und sie fand sich auf einem Bahnsteig wieder. ”.
”Einsteigen, bitte einsteigen.“ Ein Herr mit einer blauen Mütze und einer Pfeife in der Hand trillerte seine Pfeife. Sie stieg etwas zögerlich ein und nahm Platz. Gesichter drehten sich nach ihr um und schauten sie an.
Der Zug rollte los und sie fühlte für einen Moment als führe etwas aus ihrem Herzen. Der Zug fuhr los, vorbei an Bildern, die ihr nicht fremd waren. Ihre Augen glichen Kinderaugen und sahen eine Welt aus Marzipan und Schokolade. Kinder aus Schnee, Menschen aus Zucker und Häuser aus Watte.
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