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-- Prosa
--- Herbst

janus - 15.09.2011 um 22:45 Uhr

Wenn die Tage intensiver werden, die Sonne im sanften Gegenlicht jede Kontur überdeutlich entblösst, des Sommers fröhliches Flimmern in leiderwartende Erstarrung übergegangen ist, wenn die letzte Hitze schwer und still sich auf die Landschaft legt, die Luft kristallklar geworden ist, und wenn die ersten gefallenen Blätter müde über die Landschaft rascheln; dann ist es Herbst geworden.

Eine Jahreszeit nur, ein Staubkorn nur im Flusse der Zeit.

Währenddessen leben die Menschen dahin, vermeintlich selbstbestimmt und autonom, modern, im unablässigen Auf und Ab der Geschichte, verhängt in uralten Gesetzmässigkeiten, in Friedenszeiten euphorisch den grossen Idealen nacheilend, deren Unerreichbarkeit sich im nächsten Kriege zu entladen pflegt; Lemmingen gleich, die hinter ihrem Handeln verborgenen Mechanismen höchstens vage fühlend, als latenter Abgrund; die Geschichte als abgehobene Entität, als theoretisches Konstrukt wahrnehmend, ging ihnen die Erkenntnis abhanden, dass die Historie ein Fluss ist, der fortdauernd, in stoischer Beharrlichkeit, seinen Weg sich durch die Zeiten bahnt.

So kommt es, dass die Dinge entstehen und vergehen, und jeder Fortschritt ein vermeintlicher ist, ein blosses Fortschreiten in der immerselben, vor sich hin mäandrierenden Kurve, in Ewigkeit oszillierend, wie die Jahreszeiten.




raimund-fellner - 31.01.2012 um 20:31 Uhr

Eine philosophische Erzählung, die ihre Wahrheit in ihrer Allgemeingültigkeit hat. Ein pessimistischer Aspekt der Wirklichkeit. Es gibt allerdings auch die optimistischen Aspekte.



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