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-- Prosa
--- Dein Leben endet - HIER! (Romananfang)
michy - 11.11.2010 um 07:02 Uhr
Dein Leben endet - HIER!
(Romananfang - Nov. 2010)
Man kennt ihn. Den berühmten Schriftsteller. Der von der Presse oft als Skandalschreiber gescholten wird. Und der beginnt heute, in Berlin, seine Lesereise mit einer Präsentation in der Fernsehtalkshow 3 vor 12; und ich erwarte ihn. Aber nicht erst um 22:00 Uhr bei 3 vor 12, sondern jetzt, am frühen Morgen - am Airport. Und da trinke ich auch schon Kaffee, während sich die Maschine im Landeanflug auf Berlin-Tegel befindet.
Vorsichtshalber habe ich Erkundigungen eingezogen, ob er überhaupt mitfliegt. Der Mann hat nämlich die Marotte Termine zu bestätigen, um dann doch nicht zu erscheinen. Doch die Auskunft von heute war positiv. Er kommt also.
Persönlich kenne ich den Typen nicht. Habe aber viel von ihm gelesen. Und über ihn. Jede Menge Fotos gesehen. Und eines der Fotos, ein ’Brust’bild - muss ich lachen - habe ich mir eingeprägt. Und was ich mir einpräge, vergesse ich nie wieder. Vor allem nicht die Hauptfigur in seinem Roman, diesen Patrick ’Psycho’, einen irrsinnigen Psychopathen. Und genau an dieser Figur wird ER als Schriftsteller gemessen, - an dessen literarischer Markierung, den monströsen Grausamkeiten. Und daran messe ich ihn wie mich.
Aber was und wie ich an ihm messe, wird ihm nicht gefallen. Denn der Preis dafür ist hoch: es geht um ein Leben! UM DEIN LEBEN, BOY!
Er würde gut aussehen, wäre wohl erzogen, und säße tagsüber schreibend in seinem Haus -, erzählt er auf harmlos tuend über sich. Ich finde diese Beschreibung über sich und sein Tun als wesentlich zu nachlässig. Im Übrigen treffen diese fast kümmerlichen Attribute auch auf mich zu, und sicher auch auf andere. Auf Sie vielleicht auch? Spaß beiseite -, es gibt andere Gemeinsamkeiten. Denn genau wie er, verbringe ich auf eigene Art und Weise meine Nächte -, um meine Träume zu leben. Dazu im Unterschied empfinde ich meine Wut mehr, als er seine.
Doch -, das konnte ich schon feststellen. Denn die Wut bei ihm hielt nur einen Roman lang. Doch meine, MEINE WUT, dieser verflixte Zorn auf ihn, auf mich, je nach Wollen auf alles in dieser SCHEIßWELT, die bleibt, und wird immer heftiger. Und in all den von euch, dir und mir ausgelösten Katastrophenfolgen steigert die sich von Mal zu Mal. Damit kann ich, wenn ich will, ganze Bibliotheken füllen. Und somit gibt es davon auch hier, jetzt am Flughafen, eine Kostprobe. Ist zwar nur eine Winzigkeit, von dem was ich wirklich zu leisten in der Lage bin, aber immerhin. Und die Show heute beginnt in zehn Minuten. Denn die Maschine befindet sich jetzt im direkten Landeanflug. Ich kann schon deren Lichter verheißungsvoll flackern sehen.
Glauben Sie mir, wenn er von mir wüsste, würde er seinen ’Jesus’ um Beistand ansuchen, oder zu Gott beten, denn er ist ein gläubiger Mensch - dieser idiotische Arsch in seinem verfickten Kammgarnanzug. Aber so gibt es ab nun auch kein rausreden mehr. Nie mehr! Denn du wirst nicht davonkommen, Patrick, weil ich nämlich von deiner Sucht weiß. Der nach Schnee.
Was ich damit sagen will ist dass er, um eine Linie zu ziehen, nach der Landung sofort ein Klo aufsuchen wird. Und genau DA - werde auch ich sein. Ja - was glauben Sie denn, es ist doch alles längst arrangiert ... Und mal im Vertrauen: eigentlich werde ich ab heute überall sein, wo Patrick ist. Ich will und werde - bis zum Ende hin - mit ihm die Nacht durchschreiten. Wirklich! Und ich freue mich jetzt schon ganz toll, in meinem zweireihigen Seide-Leinen-Anzug neben ihm zu stehen und einen frisch gepressten Orangensaft zu trinken ... Und ich bin dabei alles Mögliche, nur nicht blond. Oder ein Shar ... pei.
„Sie wissen schon“, würde er lispeln, „Shar ... peis sind meine Lieblingshunde. Ich selber habe dutzende davon!“
Dieser Wichser. Der lügt, wenn er auch nur einen Millimeter sein blödes Maul auftut. Wahr ist, bei solchen Kötern interessieren ihn nur die Unmengen von Falten, aus denen er sich Lampenschirme bastelt. Auf einem Foto in ’Weib und Haus’ konnte ich es mit eigenen Augen sehen. Und wenn ich nicht irre, war seine handgemachte Marc-Kostabi-Weste aus ähnlichen Häuten gefertigt.
© 10. nov. 2010 michael koehn
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