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-- Politik & Gesellschaft
--- Köhler, die Wahrheit und die anderen
ArnoAbendschoen - 03.06.2010 um 17:44 Uhr
Unser Bundespräsident ist also zurückgetreten. Wie er es tat, das kam einer Sturzgeburt gleich. Wie lange war er schon damit schwanger gegangen? Wir wissen es nicht. Immerhin hatte es Wehen gegeben – die dissonanten Resonanzen auf jene „Äußerungen“ von ihm. Sie stehen nach seinem Rückzug wieder im Mittelpunkt der Debatte. Durfte er, konnte er, hätte er -?
Köhler hat noch vor seinem Rücktritt richtig gestellt, erläutern lassen, was er gemeint hatte und was nicht. Damit hätte es sein Bewenden haben können. Doch dann trat die paradoxe Situation ein, dass Köhler in dem Sinne verteidigt wurde, als ob er nichts klar gestellt hätte. Wer solche Verteidiger hat, muss sich selbst in sein Schwert stürzen. Armer Köhler, einmal sich unbedacht geäußert, es ist nicht wieder gutzumachen.
Sehen wir uns einmal diese merkwürdige Argumentation pro Köhler und pro Militäreinsatz im Wirtschaftsinteresse - in einem Atemzug - genauer an. Sie weist zwei Stereotypen auf: Köhler hat die Wahrheit gesagt. Und: Die im Ausland sehen das überall so wie Köhler.
Sarrazin hat bekanntlich auch die Wahrheit gesagt. Die arme unterdrückte Wahrheit … In Wahrheit ist Wahrheit ein philosophischer Begriff, der in der Politik wenig zu suchen hat, zumal nicht, wenn es um Bündnisse, Militärstrategie, um Krieg und Frieden geht. In diesen Fragen sind die Kategorien: Gesetzlichkeit und Zweckmäßigkeit. Moral? Meinetwegen auch. Also, Wahrheit, geschenkt, setzen!
Die zweite Keule – für die anderen draußen sind diese Einsätze selbstverständlich, nur für uns nicht – folgt dem altbekannten Muster: Der Prophet gilt nichts im eigenen Land. Wobei wir es hier mit einem doppelten Propheten zu tun haben: mit Köhler und dem selbst ernannten Interpreten dessen, was Köhler gesagt, aber womöglich so nicht gemeint hat. Ja, dieses dumme Volk, die Deutschen, da lob ich mir die Amerikaner, Briten und Franzosen. Ach ja?
Wir müssten wirklich sehr dumm sein, wenn wir uns diesen Humbug weismachen lassen würden. Die interventionistische Politik – um das hässliche Wort neoimperialistisch mal zu vermeiden – ist in allen westlichen Ländern stark umstritten. In Großbritannien war die Mehrheit der Bevölkerung stets gegen das Kriegsabenteuer im Irak, es konnte nur dank eines im Kern undemokratischen Mehrheitswahlrechts begonnen und fortgesetzt werden. (Nebenbei: Dieses Mehrheitswahlrecht installiert gerade die Herrschaft von Minderheit über die Mehrheit.) Weiter: Der Zusammenhang von Globalisierung und Krieg ist eines der großen Themen von Attac, einer in vielen Ländern verwurzelten Nichtregierungsorganisation. Oder: Einer der meist gelesen amerikanischen Schriftsteller, Gore Vidal, geißelt seit Jahrzehnten die interventionistische Politik der USA – und wird hierzulande kaum wahrgenommen. Ja, orientieren wir uns an den anderen Ländern des Westens. Streiten wir uns wie sie im Innern.
Ihr Kriegslüsternen, wer so dümmliche Propaganda macht wie ihr, um dessen Kriege ist mir jetzt schon bange. Das kann nicht gut gehen.
Matze - 06.06.2010 um 09:00 Uhr
Als nächster Bundesbräsigdent kommt nur wahrscheinlich ein Mann ohne Eigenschaften.
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