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--- Walter Kappacher - Der Fliegenpalast
LX.C - 30.04.2009 um 12:04 Uhr
In Bad Fusch treffen wir auf den gealterten Hugo von Hofmannsthal.
Es ist das Jahr in dem Kafka starb; und auch Hofmannsthals Herz ist schwach. Mit vielen seiner Kollegen ist er zerstritten, er sehnt sich nach Versöhnung und hat doch Angst davor, auf die einstigen Weggefährten zu treffen. Er sucht nach Einsamkeit und doch nach einer Seele, in der er sich spiegeln kann. Die könnte er in Doktor Krakauer finden, der ihn bewundert und mit ärztlichem Rat zur Seite steht; ungünstig nur, auch der hat wenig Zeit. Bleibt Bad Fusch, ein Ort in den Höhen Österreichs, der Hofmannsthal seit frühster Kindheit Zuflucht und Muse bietet. Viele Gedichte gelangen ihm hier, viele Ideen zu Dramen, Brief- und anderer Prosa entstanden. Erinnerungen an die Eltern, auch das ist Bad Fusch. Wäre da nicht der Erste Weltkriegkrieg gewesen, den Hofmannsthal wie viele seiner Dichterkollegen zunächst billigte. Etwas in ihm ist seither zerbrochen. In seinen Schubladen türmen sich die Fragmente, er arbeitet an dem einen, ein bisschen an dem anderen und weiß doch, dass ihm nichts mehr gelingen wird. Wenigstens den Timon beenden, wenigstens den Timon, auf der einsamen Bank am Waldesrand, die ihm stets ein kreativer Ort gewesen, das ist sein erklärtes Ziel. Doch statt sich fernab der Familie zu finden, nimmt die Zerstreuung merklich zu.
"Der Fliegenpalast" strotzt vor Bezügen zu literarischen Werken und Zeitgenossen. Büchernarren, das ist ein Vergnügen! Der Sprachstil ist erfrischend unaufgeregt. Literarische Sätze so zu formen, dass sie ein harmonisches Textgewebe ergeben, ist gewiss eine Kunst, Kappacher beherrscht sie. Seine Sprache ist dem Sujet angepasst, einem Kurort gleich kann man sich von den Schnellergüssen unserer Zeit erholen. Der Erzähler tritt überwiegend hinter der transportierten- und Gedankenrede zurück, wir erfahren nicht mehr, als die Figur Hofmannsthal sich selber und seiner Umwelt preisgeben will. In Analepsen, die bis in die Kindheit zurückreichen, werden Fetzen eines Künstlerlebens, einer sensiblen und oft an sich zweifelnden Künstlerseele vorgeführt. Briefe und Lyrik sind in den Prosatext integriert, sorgen für ein hohes Maß an Authentizität; Schlegel hätte seine wahre Freude an dieser Universalpoesie. Ja, schwer macht es uns der Kappacher, vergessen sollte man dennoch nie, ein Roman bleibt ein fiktives Gebilde. Aber nun: Bitte, lassen Sie sich nicht aufhalten.
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