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-- Lyrik
--- Befreiung von der polaren Logik

HelmutMaier - 18.12.2008 um 11:12 Uhr

Oh längste Nacht:
Es ist vollbracht.
Das Blendwerk ist
jetzt klar gemacht.
Am Pendel hängt
der Sonne Pracht.

Die kleine Frist
unendlich ist.
Du kleine List,
wie süß du bist:

Ich darf jetzt ruhn.
Ich muss jetzt gar
nichts, gar nichts tun.

Und doch keimt schon
des Lohnes Lohn:
Es ist vollbracht.
Die Sonne lacht
am andern Ort.
Sie ist nicht fort.
Sie ist noch da,
so nah, so nah.

Unendlich nur
und ohne Spur
ist nur der winzige
Moment,
da man die Sonne
gar nicht kennt.

Und grade da
ist dieses nah:
Ich darf jetzt ruhn.
Ich muss jetzt gar
nichts, gar nichts tun.

Der Hauch der
Ewigkeit ist nah.
Für kurze Zeit
ist sie ja da
und währt und währt,
wie du’s begehrt:

Du darfst jetzt ruhn.
Du musst jetzt gar
nichts, gar nichts tun.

Jetzt darfst du sein.
Ganz ohne Schein.
So klar, so klar,
so rein und wahr.

Der Gipfelpunkt
der Dunkelheit
in dieser Tiefe
dich befreit.




1943Karl - 18.12.2008 um 14:22 Uhr

Diese Nachricht wurde von 1943Karl um 14:23:59 am 18.12.2008 editiert

Lieber Helmut,
ein "Seins"-Gedicht , wohl geformt und eines, dass die Zeit fast still stehen lässt. Es gefällt mir auch und diesmal besonders durch gewisse Wiederholungen, die der zeitlichen Abfolge entgegen wirken.
Die Überschrift - sie klingt sehr interessant und macht neugierig. Allerdings brauche ich noch ein wenig Nachhilfe von dir, wie dieser Titel zum Gedicht passen soll. Meinst du die zeitliche Logik...? Die lineare Logik ist mir ein Begriff, die polare (noch) nicht.
Herzliche Grüße
Karl




HelmutMaier - 18.12.2008 um 15:47 Uhr

Lieber Karl,

Vielen Dank für Deinen so freundlichen Kommentar. Was mich besonders gefreut hat, war, dass Du den beabsichtigten Effekt der (fast - ja, einigermaßen zugegeben) still stehenden Zeit so erspürt hast.

Damit wären wir schon bei meiner "polaren" Logik: Meine Frau hat einmal vor langer Zeit eine Zulassungsarbeit zum Thema "mehrwertige Logik" in Anlehnung an Sinowjew geschrieben. Der hat postuliert, dass es nicht nur die "zweiwertige Logik" gäbe (die ich etwas polemisch in "polare Logik" umbenannt habe), also nicht nur die Alternative richtig-falsch, entweder-oder, Norden-Süden usw., sondern einen Moment (wenn ich das als Nichtmathematiker ungeschützt so interpretieren darf), des Umschwenkens vom einen zum andern. Das wäre dann der Moment des Umschlagens von den kürzer werdenden zu den länger werdenden Nächten, der einem Stillstehen oder einer nicht mehr polar gedachten dritten Möglichkeit entspricht. Dunkel und hell können dann zum Beispiel nicht mehr polar als schlecht und gut gelten, wenn es ja auch eine dritte Variante des logisch Möglichen gibt.

Ich hoffe, mindestens meine Gefühlslage bei diesem Thema einigermaßen verständlich gemacht zu haben.

Liebe Grüße
Helmut




1943Karl - 18.12.2008 um 19:29 Uhr

Liebe Helmut,
deine Gefühlslage ist mir schon mit dem Gedicht deutlich geworden. Nach deier Erläuterung kann ich jetzt auch den Titel gut zuordnen.
Danke dir und herzliche Grüße
Karl




HelmutMaier - 20.12.2008 um 10:49 Uhr

Herzliche Grüße auch an Dich, verbunden mit dem Wunsch, dass Du wunderschöne Festtage erleben kannst.

Helmut




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