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LX.C - 14.04.2008 um 17:26 Uhr

Man soll sich ja auch mal der Gegenwartsliteratur widmen.

Habe gestern einen Artikel in der FAZ am Sonntag über Roches Roman "Feuchtgebiete" gelesen. Es soll neben den Hämorrhoiden der Protagonistin um das "groteske Eigenleben des Körpers" und "die Differenz zwischen intimer Wirklichkeit und öffentlicher Inszenierung" gehen.
Um die schöne Nacktheit als "Lebenslüge eines Kapitalismus, der die klassische Gestalt des Menschen längst in ihre zahllosen, vermarktbaren Teile zerlegt hat und aus der Genomanalyse eine Aktiengesellschaft macht: nur weil der Konsument seine beschämende Unvollkommenheit durch stets neue Warenfetische zu kaschieren sucht"
(Zitate aus: FASZ, 13. April 2008, Nr. 15, Feuilleton S. 30.)

Na? Hat vielleicht jemand Interesse, dass wir das Buch zerlegen? Zerfleddern oder in den Himmel loben? Oder sogar schon gelesen?




Matze - 15.04.2008 um 06:51 Uhr

Diese Nachricht wurde von Matze um 06:51:57 am 15.04.2008 editiert

Hab´ reingelesen und schnell gemerkt, woran es fehlt, an literarischer Qualität.

Daher die Empfehlung, sich stattdessen "Das Delta der Venus" von Anaïs Nin vorzunehmen.

Grüßken, Matze




Matze - 15.04.2008 um 09:15 Uhr

P.S. Noch ne Pressereaktion aus dem Tagesspiegel vom 15.04.2008. Kirsten Rießelmann nimmt den Erfolg von Büchern wie Charlotte Roches "Feuchtgebiete" aufs Korn:

http://www.tagesspiegel.de/kultur/literatur/Emanzipation-Feminismus;art138,2513184




LX.C - 15.04.2008 um 13:28 Uhr

Zitat:

Hab´ reingelesen und schnell gemerkt, woran es fehlt, an literarischer Qualität.

Daher die Empfehlung, sich stattdessen "Das Delta der Venus" von Anaïs Nin vorzunehmen.

Grüßken, Matze

"Das Delta der Venus" hat mich vor langer Zeit nicht begeistern können. Langweilige Auftragsarbeit. Dann schon eher Stille Tage in Clichy von Miller.
Was Feuchtgebiete angeht, hast du wahrscheinlich sogar Recht. Aber das würden wir ja dann hier rausfinden wollen. Wie immer empfindet es der eine so, der andere so und vielleicht geht es ja gar nicht so sehr um literarische Qualität, vielleicht viel mehr um die Botschaft. Man weiß es nicht. Also ich nicht. Glaube, bisher wurden 400 000 Exemplare verkauft. Das ist ne Menge, sagt wie immer aber auch nichts aus.




LX.C - 15.04.2008 um 13:32 Uhr

"Krawall-Uschis" ist im Zusammenhang mit dem Buch auch irgendwo gefallen. Ich hätt mich wegschmeißen können.



Matze - 15.04.2008 um 13:44 Uhr

Zitat:

Zitat:

Wie immer empfindet es der eine so, der andere so

Gute auf den G-Punkt gebracht, LX.C, sind wir wieder bei der "Stunde der wahren Empfindung" angekommen?

Grüßken, Matze

P.S. Oder muß es im neoliberalen Zeitalter "Stunde der Ware = Empfindung" heißen?




LX.C - 15.04.2008 um 13:48 Uhr

Na ja, nu mach dir nich gleich wieder ins Hemd. Nicht jeder beurteilt Literatur so objektiv wie du.



Matze - 15.04.2008 um 14:11 Uhr

Was für eine Beleidigung:

Zitat:

Nicht jeder beurteilt Literatur so objektiv wie du.

Meine Objektivität ist lediglich eine Form von Altersmilde :)




Der_Geist - 15.04.2008 um 19:34 Uhr

Kann Matze nur zustimmen (auch @Nin-Empfehlung, gerne gelesen z. B. Henry, June und ich). Hab auch in der Buchhandlung ins zur Diskussion stehende Buch geschaut und (an)gelesen. Ich werde es nicht lesen (und nicht kaufen).

Und überhaupt: Der Trend geht doch wieder hin zur Verhüllung - ist doch auch viel reizvoller, oder?

Wahrscheinlich wird es irgendwann auch die große Löschungswelle unser aller Exhibitionismus im Web geben, weil wir es irgendwann über haben (orakelorakel).

Gruß:
nicht-ins-Hemd-machend




Matze - 16.04.2008 um 09:09 Uhr

Was ist Literatur:

A: für Autoren: das leider enttäuschende Ergebnis langer Arbeit.

B: für Kritiker: das hoffentlich enttäuschende Ergebnis langer Arbeit.

C: für Leser: Grundnahrungsmittel.




Matze - 16.04.2008 um 15:00 Uhr

Heute gibt eine kluge Herleitung in der SZ:
http://www.sueddeutsche.de/kultur/artikel/873/169381/




LX.C - 16.04.2008 um 20:11 Uhr

Muss ja auch nicht. Dachte, man kann damit mal ein paar Leute an den Tisch holen. Anders als ihr, habe ich nocht nicht reingelesen. Immerhin hat Matze ein paar Stimmen zusammengetragen, so war der Beitrag nicht ganz umsonst.



Matze - 16.04.2008 um 20:17 Uhr

Aber bitte, das haste Du die FAZ net:

http://www.faz.net/s/Rub79A33397BE834406A5D2BFA87FD13913

meinungen zum Beitrag
16. April 2008 15:35
Hinweis auf das soeben erschienene Buch von Eva Kurowski
Matthias Hagedorn (MatthiasHagedorn)

Es ist erfreulich, daß jemand in diesem Zusammenhang auf Eva Kurowski kommt. Was bei ihrer CD »Reich ohne Geld« an lächelnder Schwermut antönt, findet sich auf knapp 200 Seiten in ihrem soeben erschienenen Buch »Avanti Popoloch«, ihre eigentliche Kunst bleibt ganz an der Oberfläche, fast hält sie die Firnis, die unmittelbarste, epidermische Wirklichkeit fest. Eva Kurowskis Menschenporträts, von Erörterungen der eigenen Zerrissenheit durchwirkt, verdichten sich zum Sittengemälde des Ruhr-ge-Beats. Ihre kompositorische Wurstigkeit macht sie mit Ansätzen zur Konzeptkünstlerin avant la lettre wett. Das entfesselte Wort wird in »Avanti Popoloch« zu einem erstaunlichem Buch: Es kommt unangestrengt daher, entfaltet seine Lebensklugheit ohne Belehrsamkeit und erweist sich im Gegensatz zu Roches Buch überdies als großes Lesevergnügen.

Matthias Hagedorn




Matze - 17.04.2008 um 08:03 Uhr

Noch eine Parallele. Jonathan Littells hat einen Versuch über den faschistischen Charakter nachgelegt: Dem Faschisten sei die Trennung von der Mutter niemals ganz gelungen, er sei der nicht vollständig Geborene. Er bilde seine Persönlichkeit nicht im freudschen Widerstreit von Es und Über-Ich aus; er erfinde sich als „soldatischer“ Mann und lege sich eine undurchdringliche Aussenhaut zu, einen Panzer. Sein Element sei das Harte, das Trockene. Er bevorzuge die Vertikale, das Stehende, kurz: das Phallische. Und sein Feind sei alles Weiche, Feuchte, Schlammige, Klebrige, Liegende und also, so wird uns nahegelegt, die "Feuchtgebiete".



Matze - 17.04.2008 um 09:56 Uhr

Die kann ja nicht nur nicht schreiben, die kann ihren eigenen Text ja nichtmals vortragen:

http://www.audible.de/adde/store/product.jsp?productID=BK_RHDE_000752DE&BV_UseBVCookie=Yes




Der_Geist - 17.04.2008 um 10:18 Uhr

Hab´s angehört, aber nicht lange. Mir is das zu drastisch.

Gruß:
die zarte Saite.




Matze - 17.04.2008 um 10:50 Uhr

Zitat:

Mir is das zu drastisch.

Was ist daran drastisch, wenn Mädchen "ficken" sagen?




Der_Geist - 17.04.2008 um 11:05 Uhr

Ich meine damit die Kratz- und Blutbeschreibungen etc.

Naja. Das mit den Geschmäckern hatten wir ja schon weiter oben.




almebo - 17.04.2008 um 11:49 Uhr

Ja, das ist die Charlotte "Roche"
was ihr dort unten mehr jetzt poche
das ist was ihr auch oben fehlt
denn wer sich mit dem abgequält
wird animiert nun von den Zicken
auch Ingo Appel kennt das "Wort"
ich schmeiss das Buch jetzt über Bord!

al




annahome - 19.04.2008 um 23:15 Uhr

ein teil dazu



annahome - 19.04.2008 um 23:40 Uhr

so, wie ein weiteres

gruß
geteilte meinung ist doch besser als keine - nicht?




Matze - 20.04.2008 um 09:17 Uhr

Süß ist bei Frau Roche oder bei Frau Bitch Ray, daß sie in IVs betonen, dieses Material wäre den Eltern nicht zumutbar.

Herzallerliebst




almebo - 20.04.2008 um 10:21 Uhr


Aber nur ein Teil, liebe Kollegin
Ich könnte ihr auch nicht in die Augen schauen.. Schaue lieber an ihr vorbei.
Und damit glaube ich, habe ich alles gesagt!

Und darum ist diese "Frau" für mich vollkommen unwichtig!

Gruss

al




Der_Geist - 20.04.2008 um 22:00 Uhr

Zitat:

Ich könnte ihr auch nicht in die Augen schauen.

Oh doch, das würde ich gerne! Mal abgesehen davon, dass ich das Buch nicht lesen werde (s. o.): Sieht sie nicht einfach hinreißend aus, die Autorin? Also ich finde schon.

Gruß zum Abend:
der Hormonvulkan (*Kreisch!*)




almebo - 21.04.2008 um 13:18 Uhr

Zitat:

Zitat:

Ich könnte ihr auch nicht in die Augen schauen.

Oh doch, das würde ich gerne! Mal abgesehen davon, dass ich das Buch nicht lesen werde (s. o.): Sieht sie nicht einfach hinreißend aus, die Autorin? Also ich finde schon.
Gruß zum Abend:
der Hormonvulkan (*Kreisch!*)

@Hormonvulkan


Jetzt verstehe ich auch meinen "unruhigen Nachtschlaf"

Die Augen von Charlotte ober und unter mir!
Als wenn es nicht gegenüber gereicht hätte.

Gruss
al




Matze - 06.05.2008 um 12:48 Uhr

Ausgerechnet der Spiegel: http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,551692,00.html



Matze - 21.05.2008 um 09:09 Uhr

Abschliessend noch Thea Dorn in einem Kommentar für Die Zeit, 21.05.2008 über die Provokation, das verdrängte Denken und die "Seichtgebiete": "Was ist der Unterschied zwischen Josef Fritzl und Charlotte Roche?



































Im Fall Fritzl schlummert hinter der Fassade der Biederkeit der Tabubruch. Im Fall Roche schlummert hinter der Fassade des Tabubruchs die Biederkeit."




LX.C - 22.05.2008 um 23:33 Uhr

Abschließend? Na hier noch was Lustiges.

[Quote]Minute 279: […] Roche wollte doch mehr Bewusstsein bei den LeserInnen für die Bewusstseinsbildung der Beautyindustrie. Ach so, jetzt weiß ich: Keine Spur von Kritik, ja, noch nicht einmal Reflexion bei Helen gegenüber dieser. Die Wörter Medien, Werbung, Rolle, Frauenbild, Schönheit, Bewusstsein, Willen, Lebensentwurf etc. entfallen. Stattdessen eine verbale Klatsche nach der anderen gegen Einstellung und Erziehung der Mutter.
[…]
Minute 397: Alles vorbei, kleines Happy End: Eltern sind nicht wieder zusammen, aber Helen hat sich von ihnen emanzipiert, indem sie sich Robin aufgedrängt hat und nun bei ihm einzieht. Wie bitte? Sehen so Emanzipation und Selbstbestimmung aus?[/Quote]

Quelle: Fritzsche, Kerstin: Schlüpfrige Expedition in einen gesellschaftlichen Sumpf, in: Die Berliner Literaturkritik, Mai/Juni 2008, S. 4.

Und zur Abrundung noch was Visuelles:
http://www.3sat.de/mediathek/mediathek.php?obj=7811

Was für eine Schnipselsammlung das hier geworden ist :)




Matze - 23.05.2008 um 06:24 Uhr

Lieber LX.C,

Zitat:

Was für eine Schnipselsammlung das hier geworden ist :)

Sagt dich einiges über den Zustand der Literaturkritik aus, gell!

Grüßken, Matthias




Der_Geist - 23.05.2008 um 07:50 Uhr

Vor allem, wenn man bedenkt, in welcher Rubrik wir das Thema "behandeln": "Lesesaal". Dabei hat keiner der Beitragplatzierenden (unterstelle ich jetzt mal so) das Buch gelesen, sondern nur über das Buch. lol.



Matze - 23.05.2008 um 08:16 Uhr

Zitat:

Dabei hat keiner der Beitragplatzierenden (unterstelle ich jetzt mal so) das Buch gelesen, sondern nur über das Buch. lol.

Diese Unterstellung trifft nicht zu.




LX.C - 23.05.2008 um 11:36 Uhr

Zitat:

Vor allem, wenn man bedenkt, in welcher Rubrik wir das Thema "behandeln": "Lesesaal". Dabei hat keiner der Beitragplatzierenden (unterstelle ich jetzt mal so) das Buch gelesen, sondern nur über das Buch. lol.

Auf mich trifft das zu, zugegeben, aber noch nie habe ich so bewusst wahrgenommen, wie von Rezension zu Rezension mein Interesse am Buch selbst schwand. Danke Literaturkritik!




Gast873 - 23.05.2008 um 12:19 Uhr

So gut wie Henry Miller ist die Roche auf keinen Fall!

Gruß
Hyperion




Matze - 23.05.2008 um 13:02 Uhr

Zitat:

So gut wie Henry Miller ist die Roche auf keinen Fall!

Sie kann ja noch kommen.




Der_Geist - 23.05.2008 um 20:23 Uhr

Zitat:

Zitat:

So gut wie Henry Miller ist die Roche auf keinen Fall!

Sie kann ja noch kommen.

a) Ja, im Gegensatz zu Miller kann sie noch mehrdeutig "kommen". Bleibt zu sehen, ob und wie sie den Weg der Autorin weiter zu beschreiten gedenkt.

b) Beim Blick auf ihren Kontoauszug werden ihr vermutlich die Kritiken untenrum hintenrum sonstwie vorbeigehen.

c) fun fun fun.

d) Wenn die Autorin selbst schon sagt, das Buch sollte man erst ab 21 (Lebensjahren) zum Lesen freigeben - wieso gibt es eine Computerspiele-Altersbeschränkung, aber keine für Bücher?

Also folgt:

e) Bedrucktes Papier ist also harmlos.

f) Somit wohl auch die Wörter.

g) Und die Gedanken. Denn Gedanken sind Wörter.

h) Miller? Find ich gut. Wegen der Sprengkraft seiner Worte.

i) Die Welt ist nicht logisch.




Matze - 24.05.2008 um 11:19 Uhr

Zitat:

[Bleibt zu sehen, ob und wie sie den Weg der Autorin weiter zu beschreiten gedenkt.

Ihr Verhältnis zur Wirklichkeit gleicht dem des Säuglings zur Brust der Mutter: "Solange Milch kommt, lacht und lallt er, versiegt sie, richtet er seine destruktive Kritik gegen Mama."




Matze - 24.05.2008 um 17:51 Uhr

Sie kann zwar keine Krimis, aber dafür schön fauchen:

http://www.zeit.de/2008/22/Oped-Tabubruch




Der_Geist - 25.05.2008 um 19:23 Uhr

Gelesen.

Der einzig wirkliche "Tabubruch" in unseren Zeiten scheint mir so allmählich zu werden: wenn man das Bekenntnis ausspräche: "Ja, ich bin ein ganz normaler Bürger. Ich stehe morgens auf und gehe zur Arbeit. Wenn ich heimkomme, esse ich mit meiner Frau (oder Frau/Mann, man setze die Variablen, wie man sie passend findet), zu Abend. Dann schauen wir noch kurz fern: Nachrichten, Krimis, Talk-Shows. Anschließend gehen wir zu Bett. Wir lesen gerne, jeder hat ein, zwei Bücher auf seinem Nachttisch liegen. Manchmal schlafen wir auch gleich. Wenn uns nicht die Kinder stören."




Matze - 25.05.2008 um 19:38 Uhr

Natürlich wird und kann die Diskussion noch kein Ende finden - im Zeitalter der Quoten florieren die Zoten. Die Notwendigkeit des Tabubruches wird und kann vielleicht heute nicht mehr auf die Spitze getrieben werden, da der Umgang hiermit im seichten Sumpf der Konsumierbarkeit versickert. Die Medien sind längst zum Schaufenster banalster Unternehmungen verkommen. Selbst ein Niels Ruf bemühte sich ja schon, Geschmacklosigkeiten als Gags zu verkaufen. Damals reagierten die Fernsehmacher noch mit pingeliger Empfindlichkeit, als sie die Grenze des "guten Geschmacks" überschritten wähnten. Heute hat sich die Grenze zu einem unendlichen Flachland ausgedehnt. Natürlich tummeln sich hierauf kleinste Geister, die vor der Medienplage noch nicht einmal eine Handvoll Zuhörer und Zuschauer hatten. Die Aufregung zwischendurch gehört zum Spiel. Aber auch so mancher Künstler hat ja längst die schmale Nische seiner Aufmerksamkeitsmöglichkeit erkannt. Künstler, die sich auf einer Bühne mit Pfeilen bewefen lassen (um zu testen, wie weit der Mensch gehen kann!!! Als ob Kriegsbrichtserstattungen dies nicht ausreichend belegen), ein Künstler der eine Kuh aus einem Huschrauber werfen ließ (um anschließend bei VIVA! das Fleischkonsumverhalten der Menschen anzuprangern - wahrscheinlich gab es anschließend im Catering Curry-Wurst) - da lob ich mir doch Herrn Nitsch mit seinen durchaus begründeten Mysterienspektakel. Was heute Ereignis, Sensation, Event usw. alles aussagen möchte. Aber kann man Dummheiten dieser Art heutzutage noch nachhaltig und sinnbringend befragen, wenn uns das Fernsehen den "normalen" Menschen in seinem banalen Alltag täglich in die Stube spült. Talk-Shows, Real-Life-Soaps, Doko-Soaps zeigen uns menschen bei Vaterschafts-testen, toiletten-säubern, Bretterbohren, Unterwäsche durchstöbern bei der Suche nach partnerschaft, dicke Menschen beim Abspecken, anschließend in der Schuldnerberatung, Schwangerschaftsfaltern, brüllende, keifernde, sabbernde Krass-Gestalten, die nicht in der Lage sind, einfachste Sätze zu formulieren, Politiker in Talkshows mit breitem Grinsen Dringlichkeiten ausspuckend. Wie sang Nina Hagen vor etlichen Jahren "Ich kann mich garnicht entscheiden, ist alles so schön bunt hier". Künstler wissen, daß buntheit farblos ist. Die Welt bleibt spannend allemal - auch wenn die Menschen immer häufiger lediglich auf ihr herumtorkeln. Die Dekadenz des guten Geschmacks ziehe ich allemal der eines augeblähten Nullerlebnisses vor.



Der_Geist - 25.05.2008 um 20:07 Uhr

Genau.

Das nächste Biotop folgt sobald:
http://www.spiegel.de/kultur/literatur/0,1518,555088,00.html

I´m a-livin´ in a box ... Von wem war das doch gleich?




Der_Geist - 25.05.2008 um 20:22 Uhr

ok ok: "Am I living in a box".

Vor Inbetriebnahme der Finger und der Tastatur sollte gegoogelt werden (würg).




Der_Geist - 25.05.2008 um 20:32 Uhr

Abschließend zur "Box" für Matze zur Vorbereitung auf Grassens neues Buch (ich bin sicher, er wird uns was Nettes dazu schreiben):

http://www.youtube.com/watch?v=ZHt_GzOgjvA

Mach was draus. ;)




annahome - 26.05.2008 um 01:05 Uhr

„Was ist der Unterschied zwischen Josef Fritzl und Charlotte Roche?!


WIE BITTE ???

der artikel von thea dorn/zeit online ist mehr als fragwürdig.

wie kommt frau dorn dazu, diese beiden personen (roche und fritzl) in einem satz zu erwähnen? weil es ZEITlich passt ? quotenreiterei der fiesesten art.
dass der artikel dann noch dämlicheres vortut (schwarzer versa schmidt) ist ja harmlos... egal. mir reicht´s

ich finde anfangsfrage, auch wenn sie „ironisch“ gemeint sein sollte - mehr als unverantwortlich (ggü. der tochter und deren kindern) und außerst gefährlich (das vermischen von unrasiertseinzwangtabusschreiberei mit inzesttabus/ kidnapping von mehreren personen und minderjährigen).

das ist sogar- meines achtens unter dem niveau fiesesten boulevardschreiberei,- die ich in meinen künsten träumen der ZEIT- redaktion je hätte mir niemals denken können. nun lese ich sowas.

pfui- finde ich das.
ganz böses und rotziges pfui.
ekelhaft und dämlich. quitenreiterei der fiesesten art.
würg!




Matze - 26.05.2008 um 08:28 Uhr

Dieser Text birgt die Essenz dessen, was Thea Dorn seit den Anfängen antreibt: eine hochexplosive Mischung aus unerschrockenem Hang zur Entlarvung unangenehmer Wahrheiten, glitzernder Spielfreude, einer Schwäche für Klamauk und komische Effekte, sowie einer unbändigen Erkenntniswut dessen, was den Menschen im Kern bestimmt.



Matze - 26.05.2008 um 11:19 Uhr

Zitat:

Abschließend zur "Box" für Matze zur Vorbereitung auf Grassens neues Buch (ich bin sicher, er wird uns was Nettes dazu schreiben)

Nö. Die Auseinandersetzung mit seinen letzten Gedichtband war bereits Zeitverschwendung.




Der_Geist - 26.05.2008 um 18:08 Uhr

Zitat:

Nö.

Ah, auch gut.




Matze - 26.05.2008 um 18:57 Uhr

Zitat:

Zitat:

Nö.

Ah, auch gut.

Falls Dich sein letzter Gedichtband interessiert:

http://www.kritikatur.de/Werk/Dummer_August




Der_Geist - 28.05.2008 um 21:44 Uhr

Eben erst gesehen, sorry. Ja, dazu wollte ich Dir auch schon was längeres schreiben/antworten, ich tu´s dann mal in der Kürze (muss im Moment auf andere Baustellen): den habe ich mir schon gar nicht mehr geordert, den "Dummen August". Mit Grass bin ich persönlich "fertig" (was kein Werturteil ist, sondern lediglich individuell-episodisch zu verstehen), die Hälfte seiner von mir gelesenen Werke wandert am kommenden Wochenende mit auf den Flohmarkt.

Was soll man mit einem "Weiten Feld" u. a. dieser Ausuferung in der Bibliothek?

Tonnen totes Papier.




Matze - 29.05.2008 um 11:22 Uhr

Zitat:

Tonnen totes Papier.

Besser kann man das nicht auf den Punkt bringen!




Matze - 09.06.2008 um 09:35 Uhr

Und noch ens: Aus der New York Times ist zu lesen, wie "Feuchtgebiete" auf englisch heißen werden: "Wetlands". Nicholas Kulish schreibt über die feministischen Auseiandersetzungen im heutigen Deutschland und porträtiert nebenbei Charlotte Roche: "Germans have been accused, on occasion, of overanalyzing. Sometimes a funny, dirty book is just a funny, dirty book, but not this one, according to its author. Ms. Roche, 30, has long identified herself as a feminist and, in a vein first explored in 1960s-era American feminism, describes the book as a cri de coeur against the oppression of a waxed, shaved, douched and otherwise sanitized women´s world."



LX.C - 10.06.2008 um 18:53 Uhr

Plötzlich lesen auch wieder Menschen, die sonst nie lesen.



Matze - 19.08.2008 um 10:05 Uhr

Nach den Feuchtgebieten nun "Fucking Berlin". Hier wird ein Doppelleben zwischen Hörsaal und Rotlichtmilieu beschrieben. Früher erschien so etwas als Groschenroman und nannte sich „Rote Laterne“.

Sonia Rossi: "Fucking Berlin", Ullstein, 8,95 Euro




Der_Stieg - 19.08.2008 um 22:07 Uhr

Diese Nachricht wurde von Der_Stieg um 22:13:31 am 19.08.2008 editiert

Nachdem wir nun alle bundesweit befeuchtet sind und lesen und schreiben können, ja, es wohl dank Netz inzwischen mehr Autoren als Leser gibt, sollten wir das nächste „Problem“ angehen: die Rechenschwäche. Warum wissen wir, wie wir uns selbst Geschwüre sonstwo abraspeln, aber nicht mehr, was wir rauskriegen, wenn wir mit nem 10-Euro-Schein ne Zeitschrift bezahlen? Wie lautet die Lösung der folgenden Gleichung?

5(6x – 3y)(6 + 18) = 5x – 0,5y

Na?

Gruß zur Nacht:
das tote Hirnareal




Der_Stieg - 19.08.2008 um 22:18 Uhr

P.S.: Bastian Sick! Sollten Sie mitlesen ... Wie wäre es mit: "Das Rechnenkönnen ist dem Großaktionär sein Tod", oder so ...

- Späßken -




Matze - 27.09.2008 um 09:18 Uhr

Ein später Nachklapp vom Literaturpapst:

http://www.zeit.de/video/player?videoID=20080822773b9e




LX.C - 27.09.2008 um 12:59 Uhr

Nichtssagend, kann man sich sparen. - Und immer wieder diese Aussagen: "verdient keinerlei Interesse". Dann soll sie das Besprechen doch endlich lassen. Immer wieder die gleichen Allgemeinplätze. Wer von solcher Art Literatur nichts hält, wird sie ohnehin nicht kaufen.



Matze - 28.09.2008 um 17:14 Uhr

Auch eine Sichtweise, werter LX.C,

mir erscheint es so, als würde die Zeit derweil solchen Themen nachlaufen, weil sie, wie viele anderen Feuilletons auch, den Überblick verloren haben.

Grüßken, Matze




almebo - 30.09.2008 um 16:01 Uhr

Zitat:

Man soll sich ja auch mal der Gegenwartsliteratur widmen.

Habe gestern einen Artikel in der FAZ am Sonntag über Roches Roman "Feuchtgebiete" gelesen. Es soll neben den Hämorrhoiden der Protagonistin um das "groteske Eigenleben des Körpers" und "die Differenz zwischen intimer Wirklichkeit und öffentlicher Inszenierung" gehen.
Um die schöne Nacktheit als "Lebenslüge eines Kapitalismus, der die klassische Gestalt des Menschen längst in ihre zahllosen, vermarktbaren Teile zerlegt hat und aus der Genomanalyse eine Aktiengesellschaft macht: nur weil der Konsument seine beschämende Unvollkommenheit durch stets neue Warenfetische zu kaschieren sucht"
(Zitate aus: FASZ, 13. April 2008, Nr. 15, Feuilleton S. 30.)

Na? Hat vielleicht jemand Interesse, dass wir das Buch zerlegen? Zerfleddern oder in den Himmel loben? Oder sogar schon gelesen?

Weder das eine, noch das andere!
Verschone uns o Herr.

Al




LX.C - 30.09.2008 um 17:46 Uhr

Wandel der Zeiten :) Ich bin mittlerweile sehr zufrieden, dass ich den Marktmechanismen widerstanden und mich nicht mit dem Buch beschäftigt habe.

Übrigens, "Feuchtgebiete" kommt jetzt in Halle auf die Theaterbühne. (Das noch als kleine Randnotiz).




Matze - 30.09.2008 um 21:56 Uhr

Wie mir ein alter Kollege berichte, wurde in Halle an der Saale Charlotte Roches "lebendem Muschihygiene–Selbstexperiment" auf die Bühen gehoben und trocken gelegt. Im Entgrenzungsfuror eines Marquis de Sade zeigt sich die nachhaltige Entfremdung von Geist, Körper und Seele. Darunter gehts nimmer!



Der_Stieg - 08.01.2009 um 22:18 Uhr

Ach, es reizt ja doch, das Thema: letztens in der Buchhandlung die gebundene, "weiße" Ausgabe mit Illustrationen der Autorin durchgeblättert ... musste ja doch herzlich lachen angesichts solcher Kritzeleien wie Frau guckt auf Muschi von oben oder wie das war. Kunst? Naja. Haben wir damals in die Aufgabenhefte in der Schule auch gepinselt - aber nicht mit diesem durchschlagenden Erfolg.

Von daher ...




Matze - 13.01.2009 um 05:02 Uhr

Zitat:

Haben wir damals in die Aufgabenhefte in der Schule auch gepinselt - aber nicht mit diesem durchschlagenden Erfolg.

Das Buch mit der höchsten Auflage in 2008. Dan kann man nur staunen!




Matze - 03.02.2009 um 14:33 Uhr

Reaktionen aus England:

Rowan Pelling schreibt in der Daily Mail, die Tatsache, dass das alles auf ihn wenig revolutionär wirke, habe womöglich etwas mit den kulturellen Unterschieden zwischen Deutschland und Großbritannien zu tun: "Jeder, der junge betrunkene Frauen auf der Suche nach Eroberungen in den Innenstädten herumziehen sieht, weiß, dass bei dieser Generation aller geheimnisvoller femininer Nimbus nahezu ausgerottet ist."

Danuta Kean wirft der Erzählerin Helen im Independent vor allem vor, sie könne sich zwar schweinisch ausdrücken, aber es fehle ihr an emotionalem Tiefgang. Obwohl Charlotte Roche sie mit ihrem Anspruch, ein feministisches Manifest gegen den Hygieneterror verfasst zu haben, letztlich nicht überzeuge, glaube sie aber, "Feuchtgebiete" sei "gleichauf mit den besten Tabu-brechenden Romanen", so Kean. Es sei ein "Marmite-Buch" - ebenso wie den englischen Hefe-Brotaufstrich könne man es nur hassen oder lieben.

In der Times berichtet Joan Smith sehr ausführlich über den biografischen Hintergrund der in England gebürtigen Roche und kommt zu dem Schluss, das aufschlussreichste an den "Feuchtgebieten" sei nicht die Pornografie, sondern das komplexbeladene Verhältnis der Protagonistin zu ihren Eltern. Sie vergleicht das Buch mit den Memoiren von Christina Crawford, der geschundenen Tochter der Hollywoodstars Joan Crawford, und befindet: "Die neueste erotische Sensation liest sich ein bisschen zu sehr wie ´Mommy Dearest‘."

Nachdem sie beschrieben hat, wie Helen regelmäßig ihre Genitalien über die Klositze öffentlicher Toiletten reibt, meint Sophie Harrison im Observer, als Brite solle man in Zukunft froh darüber sein, dass Deutsche im Urlaub ihre Sonnenliegen nur mit Handtüchern markieren. Stilistisch stört sie vor allem die Wortwahl der englischen Übersetzung. Harrison gibt allerdings auch zu, nicht zu wissen, ob die des deutschen Originals besser ist.




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