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Glygg - 05.03.2008 um 19:20 Uhr




Kurzer Spaziergang


Nach der Zusammenfassung im täglichen Polizeibericht wurden die beiden jetzt aufgespürt und in Sicherheitsverwahrung genommen. Zumindest der eine. Lebend. Es handelt sich um zwei weniger gut betuchten Geschäftsleute, die aus ihren vergitterten Büros im bänkischen Finanzgefängnis desertiert sind. Zwei jener Insassen, deren Fehlen normalerweise nicht einmal bei der täglichen Zusammenzählung der Gesamtumsätze des Hauses auffällt.
Sie waren in einem normalen Augenblick entschlüpft und hatten auf der Wiese des Stadtparks von Osnabrück an der Hase den deutschen Riesenterrier Ludwig angefallen, getötet und zerfleischt.

Überrascht und entsprechend entsetzt reagierten umtriebige Müßiggänger, als sie bei ihrem täglichen Spaziergang den Kadaver des Hundes verblutet und mit zerfetzter Kehle am Ufer fanden. Dem Vernehmen nach fielen die Geschäftsleute dabei einen der Spaziergänger an, dieser kam jedoch glimpflich mit tiefen Bisswunden im Portemonnaie davon.

Aufmerksam geworden war man auf die Abwesenheit der Geschäftsleute erst, nachdem die Servicekräfte in der Kantine sich über den niedrigen Kartoffelkonsum und lediglich halbvolle Aschenbecher wunderten. Kurze Zeit später fiel auch den IT-Betreuern des Hauses auf, dass der Zentralcomputer nicht mit überflüssigen Spielen wie Solitaire oder Mine-Sweeper belastet wurde. Ein sofort entsandtes Sonder- und Suchkommando brachte endgültige Gewissheit über die Abwesenheit der beiden.
Nach vorerst temporären Berichten schaffte letztendliche und damit absolute Gewissheit das Auffinden jenes Riesenterriers Ludwig, in dessen Kehle immer noch der seitliche Stiftzahn des älteren der Geschäftsleute steckte. Mittlerweile harren sie, zumindest der lebende, weiterer Verwendung entgegen.

© Thomas Mentzel




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