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--- Personenkonstellationen in Gesellschaftsromanen

Hermes - 16.02.2008 um 10:19 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hermes um 10:20:17 am 16.02.2008 editiert

Die bei manchen Literaturkonsumenten nicht besonders geschätzten, sogenannten Gesellschaftsromane (Jane Austen, Emily Bronte, Theodor Fontane, Thomas Mann etc.) enthalten zumeist eine Vielzahl von Haupt- und Nebenpersonen, die im Laufe der Handlung in das Geschehen eingreifen und mehr oder minder wichtige Rollen übernehmen.

Beim Lesen solcher Werke fällt es mir insbesondere am Anfang schwer, hier einen Überblick zu bekommen und alle und jeden auseinander zu halten...die Fülle von Charakteristika einzuordnen und ihre "Situierung" im Strang der Handlung festzustellen. Geht´s euch auch so?

Ich behelfe mir manchmal damit, daß ich Personenkonstellationen und die Stellung der einzelnen Protagonisten auf einem Blatt Papier notiere und eine Art "Ahnentafel" erstelle, wenn ihr versteht, was ich meine. Der Vorteil ist, daß man sich, nachdem man das Buch beispielsweise ein paar Tage aus der Hand gelegt hatte, schneller wieder zurecht findet und nicht langatmig und störend nachblättern muß, wer nun nochmal Jean Buddenbrook, wer Sesemi Weichbrodt, wer Lt. Dobbins und wer Mr. Darcy ist.

Sind euch ähnliche Schwierigkeiten bekannt?




Gast873 - 16.02.2008 um 12:10 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hyperion um 12:36:49 am 16.02.2008 editiert

Aus Schierigkeiten wird manchmal Passion gemacht. :-) So hat sich ein slawistischer Literaturwissenschaftler die außerordentliche Mühe gemacht und sämtliche Personen, die in Tolstois Opus Magnum "Krieg und Frieden" (russ.: Wojna i mir) vorkommen, aufgezählt. Es sollen über 250 Personen (als Haupt- und Nebenfiguren) dort mitspielen. Oh, du lieber Überblick ;-) Wer vermag da noch im Detail durchzublicken? Und dann haben viele dieser Personen auch noch Kosenamen, Spitznamen oder werden abwechselnd mal nach dem ersten oder mal nach dem Vor-und zweiten Familiennamen genannt. Manche Frauen heiraten in diesem Roman einen Gatten und kriegen dann seinen Namen. Kurzum die tolstoische Gesellschaft ist so bunt und vielfältig, wie das Leben selbst :-)

Gruß,
Hyperion




LX.C - 16.02.2008 um 13:20 Uhr

[Quote]Ich behelfe mir manchmal damit, daß ich Personenkonstellationen und die Stellung der einzelnen Protagonisten auf einem Blatt Papier notiere[/Quote]

Ja, habe genau das erst kürzlich und erstmalig mein Malyschkins "Der dreizehnte Winter" gemacht, weil ich überhaupt nicht reingefunden hatte, das Buch aber unbedingt lesen wollte. Und es hat mir tatsächlich geholfen, in Lesefluss zu kommen.

Was die großen russischen Wälzer der Weltliteratur betrifft, so muss ich dann allerdings passen, zu viel ist zu viel, auch bei Solschenizyn "August Vierzehn". Alles sollte meiner Meinung nach in einem einigermaßen überschaubaren Rahmen bleiben.




Hermes - 17.02.2008 um 00:23 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hermes um 00:24:49 am 17.02.2008 editiert

Zitat:

Alles sollte meiner Meinung nach in einem einigermaßen überschaubaren Rahmen bleiben.

So sieht´s aus. Bei Tolstoi´s "Anna Karenina" habe ich´s natürlich auch so gemacht, aber immer beschränkt auf die Haupt- und wichtigsten Nebenfiguren.
Alle aufzulisten ist ne Fleißarbeit, hilft beim Lesen aber null, und darauf kommt es mir ja schließlich an, lieber Kollege aus dem Göttergeschlecht der Titanen.




Ragna - 11.06.2008 um 19:13 Uhr

Mir erging es mit den Buddenbrooks ähnlich und auch ich habe mir mit einem Stammbaum helfen können.
Buddenbrooks ist allerdings der erste Familienroman, den ich bis jetzt gelesen habe.
Könnt ihr mir vielleicht Ratschläge geben, welchen Familienroman man unbedingt gelesen haben muss?




Hermes - 11.06.2008 um 20:43 Uhr

Zitat:

Könnt ihr mir vielleicht Ratschläge geben, welchen Familienroman man unbedingt gelesen haben muss?

Es gibt überhaupt keinen Roman, den man gelesen haben "muss". Alles ist subjektiv und relativ.
Es kommt auf Dein Gefühl und Deine Wünsche an, nach denen Du bei der Selektion Deiner Bücher gehen solltest.

Ich kann Dir schreiben, welche ich gelesen habe; ich kann sie auch werten - aber es ist und bleibt mein Eindruck.




Gast873 - 11.06.2008 um 22:14 Uhr

Zitat:

Alles ist subjektiv.

Oh, Gott, das wäre die Hölle oder das absolute Chaos!

Gruß
Aristoteles




Ragna - 11.06.2008 um 23:02 Uhr

Ich gehe das Risiko ein, dass mir Romane empfohlen werden, die nicht meinen Wünschen entsprechen. Da ich noch ein Küken auf dem Gebiet der Literatur bin, wäre mir eine fremde Meinung eine gute Hilfe, einfach um mich etwas besser orientieren zu können.



Gast873 - 13.06.2008 um 15:28 Uhr

Sicherlich ist "Der Zauberberg" von Thomas Mann der erste Tipp von mir, auch wenn gleich von Musil "Der Mann ohne Eigenschaften" ein großes Werk folgt, und ich en passant so erwähne, dass es noch andere gute Gesellschaftsromane gibt, so lobe ich zuvörderst nur diese zwei Großmeister unter den Dichtern als ausgezeichnet, beide keineswegs leicht zu lesen, sondern nur als sehr lesenswert und bereichernd sie zu kennen.

Gruß,
Hyperion




Der_Geist - 13.06.2008 um 21:19 Uhr

Zitat:

Zitat:

Alles ist subjektiv.

Oh, Gott, das wäre die Hölle oder das absolute Chaos!

So ein Quark. Was ist denn die Hölle an subjektivem Gusto und per conclusio Individualität? Hinterfrage mal Deinen fremdbestimmten Akademismus!

Davon abgesehen: warum überhaupt der Fokus auf "Familienromane"? Dieses erfundene Zeux. Da liest man besser Zeitschriften: Eltern, Psychologie heute, Gehirn & Geist.




Gast873 - 13.06.2008 um 21:32 Uhr

LOL

der grelle egoismus hat nichts mit der bildung an der hochschule zu tun, obschon er da immer öfter auch sehr fortgeschritten zu tage tritt, sondern mit der egozentrischen anmaßung, dass die welt sich immmer nur um einen selbst dreht. oder unter dem terminus technicus auch bekannt als: der solipsismus. diese haltung ist nicht gesellschaftsfähig, und in diesem thread geht es um gesllschaftsromane, oder nicht?

gruß,
die wirklichkeit ist vernünftig und der hegel aber verrückt und ganz bescheiden!




Der_Geist - 13.06.2008 um 21:34 Uhr

Zitat:

der grelle egoismus...

Thema verfehlt, es ging nicht um Egoismus, sondern um Individualität.




Gast873 - 13.06.2008 um 21:42 Uhr

der a-tomismus kann nicht stellvertretend für das ganze stehen.

gruß,
demokrit




Gast873 - 13.06.2008 um 21:44 Uhr

individuum = lat. unteilbar
atom = gr. unteilbar




Der_Geist - 13.06.2008 um 21:49 Uhr

Du kannst Dich jetzt winden, wie Du willst: Hermes hat Recht, Du nicht. Sieh es ein!

Mein ewiger Familienroman bleibt Anna Karenina (um zum Thema was beizutragen), Ausgabe 1950er Jahre, gelesen vorwiegend nachts bei Kerzenlicht. Ob es der Inhalt war, oder die Leseatmosphäre, was sich mir eingeprägt hat, das möchte ich nicht bewerten. Jeder soll selbst entscheiden, was er lesen möchte.




Der_Geist - 13.06.2008 um 21:53 Uhr

Zitat:

der a-tomismus kann nicht stellvertretend für das ganze stehen.

Danach hat ja hier gerade niemand gefragt, nach dem Ganzen.




Gast873 - 13.06.2008 um 22:02 Uhr

Zitat:

(um zum Thema was beizutragen)

die spaßgesellschaft dankt, ob des schönen buchtitels, der auch von mir hätte sein können ;-)

und um zum obigen zitat in diesem beitrag ebenfalls was sinnvolles beizusteuern:

natürlich: "100 jahre einsamkeit" von marquez! großartige familiengeschichte!

gruß,
kollege borges




Der_Geist - 13.06.2008 um 22:04 Uhr

Nebenfrage: seit wann schreibst Du eigentlich nur noch klein?



Der_Geist - 13.06.2008 um 22:09 Uhr

Zitat:

Beim Lesen solcher Werke fällt es mir insbesondere am Anfang schwer, hier einen Überblick zu bekommen und alle und jeden auseinander zu halten...die Fülle von Charakteristika einzuordnen und ihre "Situierung" im Strang der Handlung festzustellen. Geht´s euch auch so?

Um´s zurechtzurücken und zum Ausgangspunkt des Threads wirklich zurückzukommen: Nein, so lese ich nicht. Ich lese eher sprachorientiert. Welche Person zu einer anderen in welchem Verhältnis steht, interessiert mich nicht so sehr. Sonst müsste ich Pynchon zehn Jahre mit Notizblock lesen. Oder Dante. Oder Joyce. etc.




Hermes - 15.06.2008 um 00:16 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hermes um 00:16:53 am 15.06.2008 editiert

Zitat:

Ich gehe das Risiko ein, dass mir Romane empfohlen werden, die nicht meinen Wünschen entsprechen. Da ich noch ein Küken auf dem Gebiet der Literatur bin, wäre mir eine fremde Meinung eine gute Hilfe, einfach um mich etwas besser orientieren zu können.

Mich umweht zwar der Hauch des diffusen Halbwissens, jedoch hat mich "Sturmhöhe" von Emily Bronte unheimlich aufgewühlt. Unbedingt dazu als Einstimmung "Wuthering Heights" von Kate Bush hören. Auch ein bißchen Recherche im Internet nach diesem unwirtlichen Ort in Nordengland schadet nicht.




Gast873 - 15.06.2008 um 00:48 Uhr

die möglichkeit der erfahrung liegt a priori im denkenden subjekt, der begriff „a priori“ ist nach kant demnach nicht objektiv. freiheit ist bei kant in der vernunft angesiedelt, qua homo sapiens gegen seine neigungen (gefühle, triebe, emotional-subjektive geschmacksurteile wie die eines tagträumers oder schwärmers) und natur zu handeln. beim dichter und ästheten schiller hingegen ist freiheit in der erscheinung möglich. schiller formuliert sein poetisches vorhaben in den „kalliasbriefen“ folgendermaßen: „einen begriff der schönheit objektiv aufzustellen, um ihn aus der natur der vernunft völlig a priori zu legitimieren“ gegen kant, d. h. er möchte einen von der erfahrung unabhängigen schönheitsbegriff aufstellen und zwar vom objekt her kommend. was kant aber NICHT meinte, ist diese situation: wenn ich einem freund helfe, dann tue ich es aus neigung, weil ich ihn mag. wenn ich einem feind helfe, dann ist die handlung moralisch. sondern er würde sagen, die handlung sollte man in beiden fällen nicht unterlassen, egal ob freund oder feind und aus neigung oder nicht, es kommt aber auf den guten willen an, pflichtgemäß zu handeln, auf die pflichterfüllung orientiert, die deduktiv kontra-individuell und nicht unbedingt sinnlich ist, sondern apriorisch, wie in der mathematik ein theorem und axiom oder in der seit der cartesianischen wende ebenfalls bekannten Ethica, Ordine Geometrico Demonstrata, also das nicht akzidentelle des mittelalterlichen sub-jectums (= das darunterstehende) von religiösen gefühlen abhängigen schäfchens betreffend, das aus seiner selbstverschuldeten unmündigkeit kraft des eigenen un-ordnenden verstandes nicht hinaus zu kommen vermag, weil es sich in zuckersüßen tagträumen unproduktiv verliert (das sub-jectum als darunterstehende ist das opfer der eigenen leidenschaften), einer blauen blume ständig nachjagend und das „ich“ als postulat schreiend und hedonistisch unreflektiert ausspeit, auf eigenen vorteil aus, ohne sich im klaren über eine kosmologie oder darüber zu sein, dass man qua mensch ein zoon politikon (= politisches wesen, deswegen meine erste aristoteles-signatur ;-)) ist im gegenteil zu den tieren und pflanzen, und außerhalb dessen nur ein gefühlsknäuel, opfer des eigenen falschen scheins und farbigen rauchs bleibt, weil die eigensinnige sinnliche welt ihm ständig einen neuen schönen schein liefert, der nicht wahrheitskonform und von dauer ist und statt dessen ständig seine gestalt wie ein chamäleon sophistisch verändert.

außerhalb der sprache könnten wir uns nicht unterhalten.

gruß
hyperion




Matze - 15.06.2008 um 09:03 Uhr

Zitat:

außerhalb der sprache könnten wir uns nicht unterhalten.

Frauen sehen das aber anders.




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