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-- Prosa
--- isabel auf reisen (4. Bild)

DataBoo - 11.02.2008 um 19:54 Uhr

beider arme stemmend drückt sich isabel aus einer grauen, unverputzten, leicht maroden betonmauer. zementstaub wirbelt auf, putz bröckelt. festigkeit schreit ihren niedergang, zerbricht dabei mit einem dumpfen grollen. isabels gang ist vielgestaltig. für einen augenblick scheint isabel vertikal zu schweben, dann berühren ihre nackten füße den feuchtwarmen lehmboden. ein leichtes beben erschüttert den ort ihrer ankunft. im rücken das morgenland. isabel klopft ihr kleid frei von mörtelstaub, spuckt verächtlich ein paar haufen steine um sich. sanft legt sie anschließend ihren kopf in den nacken, atmet tiefe lungenzüge ins leere.

konzentration.

isabel beginnt ein summen, sie stimmt sich ein. ihre augen sind geöffnet. sie blinzelt nicht. niemals. isabel wechselt ihre augenfarbe in einer geschwindigkeit die der flügelschlagfrequenz einer bienenelfe gleichkommt. isabel tastet sich innen ab. es ist ein wechselspiel von azurblau zu maigrün, von blutrot zu zitongelb, von sandbraun zu ultraschwarz, bis zu schneeweiß. sie stimmt sich ein, bei schneeweiß lässt sie sich auspendeln. sie korrigiert die tiefenschärfe. isabel macht dem morgenland schöne augen. ihr anlitz schimmert mit durchdringender kälte eisblau. isabel. ein laziver lippenleck und ein verstohlenes kirschrotgrinsen. das divamanifest kann beginnen. isabel prüft den sitz ihres kleides. es ist ein schwarzes kleid. ein tiefschwarzes. die letzte gaskammer war gestern. heute ist ein anderer tag. es ist sommer.

schwarze vögel fliegen im schein der untergehenden sonne nach osten.

isabel steht in einer als gefängnis umfunktionierten viehhütte. das raummaß ähnelt dem einer doppelgarage. die luft ist stickig, wiegt schwer wie kadavernebel. ein schier unerträglicher gestank schwängert diese stätte. eine komposition aus exkrementen, fauligem stroh, dem harn rossiger eselstuten und den pestspuren von sinnbetäubender aasfauna. ein willkommen ist kein willkommen.
dazwischen isabel. nuancen von süßem kümmel, basilikum, honig oder vanillie und eine fragile orchideenvermutung umhüllen ihre gestalt. sonnenstrahlen fallen durch das vergitterte fenster. quetschen sich durch einen türspalt, lassen staub in ihren bahnen tanzen. seit isabels ankunft flieht eine armada von aaskäfern und asseln unter dem totholz der verschlossenen brettertür. krabbeltiergescharre begleitet isabels summenden singsang. sie schaut sich um. in einer ecke liegt ein angerosteter fressnapf mit undefinierbarem inhalt. ertrunkene stallfliegen schwimmen in diesem vergorenen gebräu. faulige fragmente einer vielleicht letzten mahlzeit für den gefangenen, der nur wenig meter von isabel entfernt mit dem gesicht zu boden liegt? wer weiß das schon? der gefangene ist tot. der hinterkopf ist zersplittert. durch den fortgeschrittenen zersetzungsprozess ist die leiche in einem erbärmlichen zustand. aber sie trägt bluejeans; sonst nichts. männlich. isabel kniet neben der leiche. sie untersucht eine ausgebeulte gesäßtasche, und findet einen dänischen reisepass von herrn soundso, sowie zwölf handgemalte karikaturen. mit einem leichten grinsen schmeißt sie ihren fund achtlos in den raum. isabels interesse gilt nun der kopfverletzung des toten. sie beugt sich über die klaffende wunde und schaut hinein. ein kleiner engel hockt im kopf. zitternd. sein körper ist mit verwesungssekreten beschmiert. ihre blicke treffen sich. der engel versucht sich noch kleiner zu machen, rollt sich zusammen. isabel legt ihren kopf leicht schräg. der engel verliert eine träne, dann noch eine. mit einer hand greift die frau in schwarz behutsam in den offenen hinterkopf. weinend klettert der engel auf isabels handfläche. sie hebt ihn aus seinem versteck. mit der anderen hand streichelt sie vorsichtig sein schmutziges haar. stubst ihn mit dem zeigefinger in die seite. der engel geht, noch immer weinend, zu den fingerspitzen. das bild eines klippenspringers vor dem sprung. dann geht alles ganz schnell: mazzolata. mit der freien hand schnippst isabel gegen den hinterkopf des engels, während er kopfüber fällt zieht sie die hand unter ihm weg und durchtrennt mit ihrem daumennagel in einem streich, seinen hals. der tote engel fällt zurück in sein versteck. kleine federn fliegen. wildes stimmengeschrei vor der hütte. arabisch. isabel richtet sich auf. an der brettertür ein rütteln. ein schlüssel fährt ins schloss. isabel zieht den haarschmuck aus ihrem haar. das offene schwarze haar verdunkelt den raum bis zur gänze. alles licht ist aufgesogen. in dieser absoluten finsternis wartet isabel nun auf die gäste. mazzolata. ihr kirschroter mund lächelt nahezu.




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Bei der Anfertigung gehört:

Dmitri Shostakovich - Waltz 2 from Jazz Suite
&
Naval Officer von Jocelyn Pook




Hermes - 11.02.2008 um 23:48 Uhr

Zitat:


Bei der Anfertigung gehört:

Dmitri Shostakovich - Waltz 2 from Jazz Suite

Na, das ist ja schon mal nicht schlecht...hoffentlich nicht dazu auch noch "Eyes wide shut" geschaut...




baerchen - 11.02.2008 um 23:50 Uhr

Los Hermes: sag´ mal was zum Text...
b.




Hermes - 11.02.2008 um 23:54 Uhr

Zitat:

Los Hermes: sag´ mal was zum Text...
b.

Hab ihn grad erst gelesen...verdaue ihn noch...




baerchen - 12.02.2008 um 02:38 Uhr

Die Federn sind unverdaulich...



almebo - 12.02.2008 um 10:49 Uhr

Diese Nachricht wurde von almebo um 10:51:24 am 12.02.2008 editiert

Nun frag ich mich:

Was wollte uns der Schreiber sagen ?
Die Isabel kann ich nicht fragen
denn nur jene auf die Schnelle
diese kleine Madmoiselle

könnt mein Unbehagen lindern
mich am Weiterlesen hindern.-


??

Al




baerchen - 12.02.2008 um 11:09 Uhr

Zitat:

Was wollte uns der Schreiber sagen ?
Die Isabel kann ich nicht fragen
denn nur jene auf die Schnelle
diese kleine Madmoiselle...
So wie ich das sehe, ist Isabel gar nicht so klein.
Und so warte ich einfach, wie es weitergeht...
Isabel ist einfach anders. Nicht von dieser Welt. Wer kann dazu schon ´ja´ sagen?

Und Data läßt uns ja auch Raum für Interpretation.

b.




DataBoo - 12.02.2008 um 23:42 Uhr

@hermes

*"eyes wide shut"* ist mein lieblingsfilm von kubrick.

die filmmusik ist genial. zum schreiben wie geschaffen ............................................................................naja, nicht alles (der relativierer) ;)


lg, databoo




Hermes - 14.02.2008 um 22:40 Uhr

Zitat:

@hermes

*"eyes wide shut"* ist mein lieblingsfilm von kubrick.

die filmmusik ist genial. zum schreiben wie geschaffen ............................................................................naja, nicht alles (der relativierer) ;)


lg, databoo

Hast Du mal die "Traumnovelle" von Arthur Schnitzler versucht?




DataBoo - 15.02.2008 um 06:45 Uhr

@hermes

*die traumnovelle* ist doch die filmgrundlage, oder? hatte ich schon x mal in der hand und wollte es lesen. ich bin dazu bisher noch nicht gekommen. sag mal, gibt es im buch auch diese verständigungsversicherungen wie im film? t. cruise wiederholt im film häufiger die ihm gestellten fragen (irgendwie ein spannender ansatz, aber auch nervig auf dauer).

ich komme zurzeit kaum zum lesen (von tagespresse u.ä. mal abgesehen), eher zum schreiben.




Hermes - 16.02.2008 um 01:43 Uhr

Zitat:

@hermes

*die traumnovelle* ist doch die filmgrundlage, oder? hatte ich schon x mal in der hand und wollte es lesen. ich bin dazu bisher noch nicht gekommen. sag mal, gibt es im buch auch diese verständigungsversicherungen wie im film? t. cruise wiederholt im film häufiger die ihm gestellten fragen (irgendwie ein spannender ansatz, aber auch nervig auf dauer).

ich komme zurzeit kaum zum lesen (von tagespresse u.ä. mal abgesehen), eher zum schreiben.

Ich glaube, mich erinnern zu können, daß das der Fall ist...allerdings ist es auch schon ein paar Jahre her, daß ich das Buch gelesen habe.




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