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-- Rezensionen II
--- Helmut Böttiger - Schlußball
Schreiber - 17.12.2007 um 20:01 Uhr
EMOTIONAL INTELLIGENT
Helmut Böttiger, Schlußball
(Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M 2006) 191 S., € 7,50
Der Autor plaudert hier niveauvoll zum Thema ´Die Deutschen und ihr Lieblingssport´ (Untertitel) und bringt es fertig, dabei Böll, Camus, Jelinek, Kafka, Koeppen, Musil, Sartre und Shakespeare zu zitieren. Und er gibt quasi die Parole aus: "Über Fußball zu schreiben, das heißt dieselben Mittel anzuwenden wie der Literatur- oder der Theaterkritiker" (...). Es geht in diesem Buch um den Versuch, Fußball und Literatur zusammenzudenken" (vgl. Vorwort).
Abgesehen von diesem hehren Anspruch erweist das vorliegende Buch auch Referenz demjenigen, die uns den Fußball mit Herzblut und Authentizität nähergebracht haben: Günter Koch, der fränkische Magier am Mikrophon, den man nie so richtig hochkommen ließ, der aber eigentlich Kult war - besonders wenn er über den Club sprechen durfte. Hier beginnt naämlich die Überlegung, ob nicht eine authentisch-emotionale Reportage auch schon Poesie ist?! Sensationell ist es geradezu, wie Böttiger es schafft, den völlig verqueren 7:3 Sieg von Bayer Ürdingen über Dynamo Dresden im Rückspiel im Europapokal 1986 in der Fassung von Ingo Schulzes Roman ´Neues Leben´ zu einem ersten Fanal für die Eingliederung der DDR in das Hoheitsgebiet der BRD zu deuten.
Mit der tristen Feststellung "Fußball und Literatur: das waren in Deutschland immer größtmögliche Gegensätze" riskiert Böttiger sogar eine Intellektuellen-Schelte. Es war eine ziemliche Ausnahme in der deutschsprachigen Literatur, daß ein Elfmeter bei Handke zur Allegorie des Lebens werden konnte. Kafka soll darunter gelitten haben, wie man in literarischen Kreisen über Fußball sprach; Camus war selbst Torwart in Algerien gewesen, ehe er sich in Paris als Schriftsteller etablieren konnte. Pasolini stellte 1970 fest: "Fußball ist die letzte Repräsentation des Heiligen in unserer Zeit." Er nannte den brasilianischen Fußball "lyrisch" - im Gegensatz zum europäischen "Prosafußball".
Insgesamt ist Böttigers Buch sehr aufschlußreich, weil er versucht, Parallelen zu ziehen zwischen der entwicklung der Gesellschaft, der Politik, der Kultur - und des Fußballs. Wobei sich ein Grundvorwurf durchzieht: Fußball wurde in Deutschland selten als "Kunst" begriffen, vielmehr beschwor man immer wieder die sog. "deutschen Tugenden". Mit echtem Fußballerblut verfaßt ist die Eloge auf den SC Freiburg und Volker Finke. Und mit dieser - wie man heute sagt - emotionalen Intelligenz ist das ganze Buch geschrieben, das so manchen Zögerer zum Fußball verführen möge. KS
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