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-- Rezensionen II
--- Richard Dawkins - Der Gotteswahn

Schreiber - 11.12.2007 um 21:04 Uhr

GLÜCKLICHER ATHEIST
Richard Dawkins, Der Gotteswahn
(Ullstein Verlag, Berlin 2007) 575 S., €22,90
"Religion ist irrational, fortschrittsfeindlich und zerstörerisch" - so lautet eine der Grundthesen des Evolutionsbiologen Richard Dawkins, der damit ein leidenschaftliches Plädoyer für die Vernunft hält. Den Glauben an eine übernatürliche Macht hält er nicht nur für überholt, denn der liefert die Welt nur der Dominanz von Fundamentalisten aus - ja, der Glaube an ein göttliches Wesen ist (in der Historie wie auch ver-schiedentlich noch in der Gegenwart) vielfach die Ursache von Terror, Zerstörung, Verfolgung und Inquisition. Und so unternimmt es Dawkins, die Existenz eines persönlichen Gottes anzuzweifeln - und damit die Existenzberechtigung von Religion.
Dawkins fragt, warum ein Märchenbuch wie die Bibel zum Funda-ment eines weltumspannenden Glaubensfundamentalismus werden konnte. Er stellt die Existenz eines Gottes mit den Mitteln der Naturwis-senschaft in Frage. In einem Interview (Okt. 2007) meinte Dawkins, daß manche Menschen wohl einen Gott als Freund bräuchten und als Erklä-rung für ihre Existenz. Aber: "An einen Gott zu glauben, der Trost spendet, sagt nichts darüber aus, ob er tatsächlich existiert." Und Daw-kins stellt fest: "Mein größtes Anliegen ist die Wahrheit. Ich will wissen, ob es Gott gibt oder nicht. Diese Frage will ich mit meinen Lesern erör-tern." Er bezeichnet sich selbst als Agnostiker (leugnet die rationale Erkenntnis des Göttlichen) - wobei er als Wissenschaftler "sich nie hun-dertprozentig sicher sein" dürfe. Dawkins liefert ein leidenschaftliches Plädoyer für die Vernunft ab, indem er den Glauben an eine übernatür-liche Macht nicht nur ablehnt, sondern auch als gefährlich darstellt.
Grundsätzlich ist zu fragen, wann die Theologie im Unterschied zur Wissenschaft jemals etwas von sich gegeben hätte, das auch nur von allerkleinstem Nutzen gewesen wäre. Wie konnte überhaupt jemand jemals auf die Idee kommen, daß Theologie ein ernst zu nehmendes Studienfach sein könnte. Dawkins versichert uns: Man kann als Atheist glücklich, ausgeglichen, moralisch und geistig ausgefüllt sein." Und man möge mutig bedenken, daß die Gotteshypothese wie jede andere Annahme skeptisch zu analysieren ist. Und Dawkins verkündet: "Atheist zu sein, ist nichts, wofür man sich entschuldigen müßte. Im Gegenteil: Man kann stolz darauf sein (...), denn Atheismus ist ... ein Zeichen für eine gesunde geistige Unabhängigkeit." Jedenfalls lehnt Dawkins es auch ab, Religion oder sog. religiöse Gefühle als etwas besonders Schützenswertes zu akzeptieren - nicht mehr und nicht weniger, als dies im Rahmen der Meinungs- und Pressefreiheit erforderlich ist. Nir-gendwo sonst sind Menschen so stur und unbeweglich wie in ihren reli-giösen Überzeugungen. Aber mit welcher Berechtigung ernennen sie sich selbst (oder lassen sich ernennen) zum Verfechter einer göttlichen Instanz, deren moralische Autorität sie zu vertreten hätten? Dawkins macht auf zwei grundsätzliche Argumentationsmuster bzw. Denkfehler aufmerksam:
1) "Von der Voraussetzung, daß die Frage nach der Existenz Gottes prinzipiell nicht zu beantworten ist, vollziehen wir den Sprung zu der Schlußfolgerung, seine Existenz und Nichtexistenz seien gleicherma-ßen wahrscheinlich" - also glauben soundso viele Menschen vorsichts-halber daran.
2) "Viele strenggläubige Menschen reden so, als wäre es die Aufgabe der Skeptiker, überkommene Dogmen zu widerlegen, und nicht die der Dogmatiker, sie zu beweisen. Das ist natürlich ein Fehler." Und er ver-weist auf Bertrand Russells köstliche Parabel von der himmlischen Teekanne, von der man behaupten könne, sie kreise auf einer ellipti-schen Bahn um die Sonne. Sie sei aber so klein, daß man ihre Existenz nicht beweisen könne.
Also, liebe "Theisten": Die "Beweislast" liegt bei den "Gläubigen", nicht bei den "Ungläubigen"! Ohnehin ist es schwierig bis unmöglich, die Nichtexistenz von etwas nicht Vorhandenem zu beweisen - ande-rerseits ist es eine arrogante, naive und lächerliche Zumutung, etwas Nichtbewiesenes als universelles Axiom zu etablieren. Zum wissen-schaftlichen Selbstverständnis gehört es jedenfalls, Nichtwissen einzu-gestehen und Neues zu erforschen.
Die fundamentale Frage muß gestellt werden: Warum streiten wir Menschen uns eigentlich darum, ob es einen Gott gibt oder nicht?! Und außerdem: welcher von all den Göttern in den verschiedenen Kultur-kreisen soll denn der Obergott sein?! Offensichtlich gibt es bei aller-hand Menschen ein Bedürfnis nach Religion - da wäre eben zu fragen: wieso eigentlich?! Dient Religion der Tröstung, hilft sie bei der Horden-bildung, ist sie ein Akt bewußter Selbsttäuschung, ist sie Ausdruck von Wunschdenken oder eines Sekurutätsprinzips?! Eine weitere wichtige These von Dawkins lautet: "Wir brauchen Gott nicht, um gut zu sein - oder böse." Ethik gab es schon vor der Religion - und gibt es weiterhin auch unabhängig davon! Es gibt eine Moral, "die ohne Überwachung funktioniert" - ohne die notwendigkeit, sich bei einem Alphawesen ein-zuschleimen. Und Dawkins gibt zu bedenken: "Glaube ist genau deshalb bösartig, weil er keine Rechtfertigung braucht und keine Diskussi-on duldet." Schlimm ist, "mit welcher Überheblichkeit religiöse Men-schen ohne jeden Beleg wissen, daß ihr Glaube der einzig wahre Glau-be ist."
Nun möchte Dawkins mit seinem Buch alle Menschen zum selb-ständigen Denken ermutigen - und er fordert alle insgeheimen "Ungläu-bigen" bzw. Atheisten auf, sich als solche zu outen, damit in der Gesell-schaft ein Gegengewicht entstehen kann zur religiös verbrämten politi-cal correctness. Kritiker an Dawkins´ Thesen bringen ein Argument an, der Mensch müsse im Leben einen Zweck erkennen können, der über das Materielle hinausgehe. Dazu muß man antworten: befreit euren Geist von allen Beeinflussungen aus alten Schriften oder durch Institu-tionen, die euch logistisch in eine Ewigkeit einsortieren! Seid human, indem ihr euch gegenseitig Freude bereitet! Dawkins´ Buch ist wirklich ein Jungbrunnen für den Geist. Dawkins ist ein ganz lieber Zeitgenos-se, er schreibt eingängig und humorvoll, er beflügelt und stimmt froh - man fühlt den Horizont erleuchtet und die Fenster weit geöffnet. Und wenn sich seine Kritiker an einigen seiner Beispiele stören, so ändern gut oder schlecht recherchierte Beispiele nichts daran, daß wir mit gu-tem Gewissen Religion für überflüssig erklären können.




Hightower - 12.12.2007 um 13:11 Uhr

Sehr gut!

Will dieses Buch seit langem lesen, allerdings bin ich bereits glücklicher Atheist... Also doch nicht lesen?




Arjuna - 12.12.2007 um 13:23 Uhr

... oder einfach sein.



Kambeck - 16.05.2008 um 12:03 Uhr

Ein brillantes Buch. Der Autor zeigt schonungslos die Schwächen und geistig naiven Denkstrukturen der Creationisten und Gegner der Evolutionslehre auf.
Der Alleinvertretungsanspruch der drei großen monotheistischen Weltreligionen (Christentum, Islam und Judentum) wird in seiner sich gegenseitig ausschließenden Widersprüchlichkeit entlarvt. Die sich daraus ergebenden unbeschreiblichen und enormen negativen Folgen, wie Religionskriege und Kulturkonflikte werden verdeutlicht.
Er beschreibt die Verantwortung dieser Religionen für unvorstellbares Elend und Tod, die sich direkt aus deren religiösen Dogmen und Thesen ableitet. Je fanatischer diese Positionen vertreten und je stärker die Verachtung der Andersgläubigen betont wird, umso größer sind die sich daraus ergebenden Probleme zwischen den Völkern.
Die danach folgenden Argumente und Schlussfolgerungen für die Nichtexistenz Gottes bzw. eines Schöpfers sind jedoch völlig undifferenziert. Es wird nicht zwischen den von Menschen entwickelten Vorstellungen von Gott und den daraus abgeleiteten Regelungen und Handlungen einerseits und den davon unabhängigen philosophischen Konzepten zu unserer Existenz unterschieden.
Bei der Frage, ob diese Welt ein gewollter Schöpfungsakt mit Sinn und Ziel ist, oder ob unsere Existenz nur auf Zufall und Beliebigkeit zurückzuführen ist werden überwiegend unsinnige religiöser Vorstellungen und Thesen als Gegenbeweis einer Existenz Gottes herangezogen. Dies belegt jedoch nur, dass Gott nicht so ist, wie viele ihn sich zurechtmalen oder zu beschreiben versuchen. Hier wird im wesentlichen nur die naive Vorstellung eines Gottes, der Menschen wie Puppen bewegt, widerlegt.
Besonders der Versuch, aus den Erkenntnissen der Evolution einen handelnden Gott zu verneinen, ist in keinerlei Hinsicht schlüssig.
Der Autor stellt sich nur eingeschränkt der entscheidenden Frage:
’Wo und in welcher Art ist ein lenkender Gott in unser wissenschaftliches Weltbild integrierbar?’ Diese Frage muss umfassend, d. h. bis auf die Naturgesetze und die Bausteine von lebender und toter Materie, untersucht werden. Ansonsten kann man sich nicht einer Aussage über die Existenz Gottes nähern.
Ebenso versucht er die Verneinung der Existenz Gottes aus der aufgeführten Frage: ’Wenn Gott den Urknall, alle Materie und die Naturgesetze geschaffen hat, wer hat dann Gott geschaffen?’ abzuleiten. Dies ist von der gleichen Qualität wie die These unserer hellsten Köpfe der Physik, wonach es vor dem Urknall weder Raum noch Zeit gegeben haben kann. Also entstand alles aus dem Nichts– einschließlich der Naturgesetze - und das völlig willkürlich und zufällig!




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