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-- Prosa
--- Auch eine Art von Liebe

hwg - 20.10.2007 um 13:44 Uhr



„Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!“ Eine Feststellung, die Enttäuschung verrät und verschüttetes Vertrauen – zu anderen Leuten, aber auch zu sich selbst. Und der es so bitter ausspricht, spürt gar nicht, wie sehr er sich mit dem pauschalen Urteil auch von seinen ihn schätzenden Zeitgenossen entfernt. Wen liebt er denn nun, der menschenmüde Mensch? Streichelt er den Zierfisch im Aquarium? Klagt er der Krähe sein Leid? Vertraut er dem reißenden Tiger? Füttert er Mücken und Fliegen? Wo fängt seine Liebe an? Wo hört sie auf? Wie groß ist dein Tierreich, Menschenfeind?

Ach, es ist klein, steht auf vier Beinen und bellt. Vor Freude natürlich, weil Herrchen kommt.
Hat einen Schwanz, fast ausschließlich zum Wedeln, seltener zum Einkneifen. Beides macht Herrchen glücklich. Weil Herrchen spürt, dass Herrchen Herr ist. Mit dem Hund hat er Anhänglichkeit gekauft, die er mit keinem anderen teilen muss. Das ist legitim. Keiner findet es anstößig. Bloß einem Menschen, der Menschen kauft, macht man vielleicht den Prozess. Und den Käuflichen nennt man abwertend Subjekt.

Schimpfe mit deinem Hund. Er wird dich nicht beißen. Die Rangordnung hat sich zu deinen Gunsten entschieden, als du ihn an die Leine nahmst. Und das tut dir wohl. Winselnd wirst du um wieder Gutsein gebeten. Wem wird das schon von einem Menschen zuteil? Erziehst du den Hund gut, kannst du ihn auch stundenlang ablegen. Vorm Büro oder dem Supermarkt. So geduldig wartet sonst niemand. So rührend freut sich bei deiner Wiederkehr kein Mensch.

Du kannst deinen Hund mit Pralinen und Torte mästen und seinen Geschmackssinn so verfeinern, dass er nur noch mit Butter Gebackenes akzeptiert. Du kannst durch einen harten Ruck an der Leine verhindern, dass er an Bäumen oder Laternenpfählen – den Litfasssäulen der Hunde – liest, wer in letzter Zeit anwesend war. Erlahmst du nicht in deinem Bemühen, schaffst du’s bestimmt, den Hund vergessen zu lassen, dass er ein Hund ist. Dein Bein wird er schöner finden als die hübscheste Pudeldame.

Dann bist du ganz sein Herr. Es gibt nicht andere Götter neben dir. Wirklich, eine solche Treue kann man nur wenigen Menschen nachsagen.




baerchen - 20.10.2007 um 13:53 Uhr

Diese Nachricht wurde von baerchen um 13:54:08 am 20.10.2007 editiert

Zitat:

„Seitdem ich die Menschen kenne, liebe ich die Tiere!“ Eine Feststellung, die Enttäuschung verrät und verschüttetes Vertrauen – zu anderen Leuten, aber auch zu sich selbst.
Spricht nicht auch Enttäuschung und Verbitterung aus dem Gesamttext?
Nebenbei bemerkt: Pralinen mästen nicht, Pralinen enthalten Schokolade - das bringt Hunde um.

Grüße, b.




hwg - 20.10.2007 um 16:39 Uhr

Hallo Baerchen,

andere ersehen aus dem Text keine Verbitterung, sie finden ihn eher zum Schmunzeln. Ich bin ohnehin kein verbitterter Typ. Man soll Texte ja nicht (immer) mit dem
Verhalten des Autors gleichsetzten, denke ich jedenfalls.

Ich kenne etliche ältere Damen, die ihr
Schoßhündchen mit Pralinen füttern. Das
Tier scheint sich dabei pudelwohl zu fühlen :).

Danke fürs Kommentieren und lieben Gruß aus der Steiermark!




baerchen - 20.10.2007 um 22:28 Uhr

Zitat:

Ich bin ohnehin kein verbitterter Typ. Man soll Texte ja nicht (immer) mit dem
Verhalten des Autors gleichsetzten, denke ich jedenfalls.
Lieber hwg,
da hast Du sicher Recht.
Mit dem Endsatz des ersten Absatzes glaubte ich eine Überspitzung zu empfinden: "Wie groß ist dein Tierreich, Menschenfeind?"
Zuvor hattest Du nur von Enttäuschung, verschüttetem Vertrauen und Bitterkeit gesprochen. Dass das dann schon zum ´Menschenfeind´ führt, finde ich - nun, ich sage mal - etwas ´herbe´.

Zitat:

Die Rangordnung hat sich zu deinen Gunsten entschieden, als du ihn an die Leine nahmst.
Da kenne ich aber Hunde, die mit der Leine keineswegs ihre Rangordnung aufgeben.

Schokolade?

Aber wahrscheinlich sollte ich nicht versuchen, Deinen Text so auseinanderzunehmen.

Nur eines mag ich mir doch nicht verkneifen:
Die von Dir beschriebenen Pudelchen sind ja eigentlich Nutztiere. Was früher die Ackergäule oder Grubenpferde für die harte Arbeit waren, sind heute die Pudelchen für die mentale Arbeit als Kind-Ersatz.
(Ist nicht verallgemeinerungsfähig.)

Grüße, b.




Hermes - 21.10.2007 um 09:29 Uhr

Zitat:

Nur eines mag ich mir doch nicht verkneifen:
Die von Dir beschriebenen Pudelchen sind ja eigentlich Nutztiere. Was früher die Ackergäule oder Grubenpferde für die harte Arbeit waren, sind heute die Pudelchen für die mentale Arbeit als Kind-Ersatz.
(Ist nicht verallgemeinerungsfähig.)

Grüße, b.

Dem möchte ich hinzufügen, daß mir Menschen bekannt sind, die ihren Hund (eine Spitzrasse), den ich für überzüchtet und somit kaum als solchen betrachte, völlig als Kind-Ersatz begreifen.
Da wird das Tierchen herumgetragen, wenn man "Gassi geht", nur zum Pinkeln ins Gras gesetzt und gleich wieder auf den Arm genommen, mit Zuneigung überhäuft, leckeres Essen gekocht, und teilweise dem Menschen präferiert...
Für mich ist das alles kaum nachvollziehbar; hier werden meines Erachtens die Verhältnisse im wahrsten Sinne des Wortes verrückt.




hwg - 21.10.2007 um 10:24 Uhr

Guten Morgen Baerchen,

mir gefällt es ja, dass und wie Du den Text "auseinander nimmst". Dazu sind Diskussionen in diesem Forum ja da.

Da ich pro Woche mehrere solche Glossen
schreibe, weil sie von den Zeitschriften erfreulicher Weise verlangt und auch gedruckt werden, tippe ich den jeweiligen Text eher spontan. Ich bin ja auch kein "Dichter", bloß ein "Lesefutter-Lieferant".

Manche der veröffentlichten Texte stellte ich deshalb "ins Netz", damit ich Meinungen wie Deine dazu bekomme, worüber ich mich, egal wie diese ausfallen, freue.

Bei Tierrassen ist mein Wissensstand ohnehin nicht nennenswert, bei den geschilderten Hunden habe ich mich auf meine Beobachtungsgabe verlassen.

Herzlichen Gruß!




annahome - 23.10.2007 um 02:11 Uhr

Welche Katze las Dir je ein Text vor, hat je der Hund nach dem Vorlesen seine Meinung geändert, wurde dem Kaninchen wohler, mach dem Du ihm Dein versprechen gabst - ja?

entschuldigug - schreiben wir hier uns wund für die katz und alles geht dann vor die hunde. bei aller liebe, mich laust der affe.




baerchen - 23.10.2007 um 03:17 Uhr

Wenn Dich schon der Affe laust, liebe Annahome, dann will ich Dir das hier nicht ersparen:
http://www.youtube.com/watch?v=qkXUFglBNCQ
b.




JH - 23.10.2007 um 19:31 Uhr

Irgendein König wurde von einem Gott gefragt, ob er nicht in den Himmel wolle.
Er erwiderte, das wolle er nicht, wenn nicht auch sein alter treuer Hund begleiten dürfe.

trotzdem liest sich der Text "Auch eine Art von Liebe" wie immer: Harmlos und brav, mit einleuchtendem Schluss.

Lesefutter

Für die Streuner.




geddyx - 06.11.2007 um 20:38 Uhr

Hallo hwg,

einwandfrei ! Musste mal gesagt werden, wird zuwenig gemacht. Passt sehr gut zur Würdediskussion. Ich kenne einen, der Eichhörnchen einsperrt und mit Menschen nix zu tun haben will, sogar mit seinen eigenen Kindern nicht. Die wollen sich von ihm nämlich nicht bevormunden lassen und suchen sich ihre Nüsse alleine.

Grüße aus Ostbärlin vom Neuankömmling in diesem Forum !




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