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--- murillo da costa reis

annahome - 20.06.2007 um 23:12 Uhr

murillo da costa reis, der könig der küste - so sagte sie es. ein brasilianer, mit schmutzwasser gewaschen und narben im rücken, wie pockenimpfungen angeschossen. hier und die zwei da oben - echte kugeln. er wäre fast daran gestorben. in der milchkaffeebraunen haut unzählige ein- und ausbuchtungen, und er roch nach wildniss. wie eine landkarte konnten wir seinen rücken lesen.

wir saßen da, der mund offen - brasilien ist ein gefährliches land. und er lebt. er sitzt da und schmiert sein frühstücksbrötchen. sie hatte ihn auf der treppe gesehen, mit seinem cowboyhut. ein blick und schon kam er rüber. es war zu laut, um zu verstehen, was sie zueinander sagten. mit vollem mund redete er weiter - ein krokodilfänger ist er. mit bloßen händen. im fernen amazonas, der dschungel, schwüle hitze und gefahr überall - das bekamen wir. live und authentisch. sie schien glücklich, es ist ihr könig, ihre eroberung, so sagte sie es.

zwei tage später waren wir alle erobert. endlose landschaften, wilde tiere und abenteuer. wir sahen schon alles vor unserem geistigen auge: er war schon einmal hier und wurde heimgeschickt. ein neuer pass und ein neuer versuch. im hamburg war er mal verheiratet. wohnung, glück - irgendwannmal sagte sie, es reicht. da ist er untergetaucht. aber das ist schon lange her und er braucht papiere, so sagte sie es. er braucht den stempel im pass. wir haben es überprüft. warum hier?

daraufhin machte er uns caipirinha und legte schnulzige samba auf. deshalb, so sagte sie es. in der nacht träumten wie alle sein leben nach. es wurde unser leben und alles darin änderte sich. vielleicht um zwei monate, vielleicht drei. wir hörten kein samba mehr und sie weinte. wir hatten es gewußt, wollten es wohl nur nicht wahrhaben. aber wir hatten recht und sie weinte noch mehr. seinen cowboyhut hatte er in der wohnung liegen gelassen - als eine erinnerung, die krönung.

später sahen wir ihn an der supermarktkasse einkaufen. limetten und cachaca. wir haben ihr nichts gesagt. wir hatten ja nur gewöhliches abendessen mitgebracht. aber sie hatte keinen hunger. irgendwannmal hörte sie auf zu weinen und brachte den cowboyhut mit. sie drehte ihn um ihre hand. stumm wärmten wir uns an den ausdunstungen des krones von murillo da costa reis. sie hob ihre augen vom feuer. hatte ich mir das alles nur geträumt, so fragte sie.




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