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-- Prosa
--- Leben in Berlin - wird unkontinuierlich fortgesetzt
Flipy - 03.06.2007 um 17:59 Uhr
Leben in Berlin (4)
Die Schlacht
„Ihnen nach!“ Der Ruf war weit zu hören. Man sah, wie verschiedene Personen davon hinkten, und wie andere sie die ersten Meter verfolgten. Dann erfolgte ein Pfiff, dessen Art jeder kannte. Harrys Pfiff. Es war das Zeichen zum Sammeln, und so eilten alle auf jenen Jungen zu, der der Anführer zu sein schien.
Er grinste breit aber wortlos. Als alle ihn umringten, riss er die Faust in die Höhe. „Lasst Euch jetzt nicht schnappen! Wir spielen noch ein bisschen mit den Bullen, uns ziehen uns dann zurück. Ich höre sie schon. Alle auf ihre Plätze. Beim Pfiff Rückzug. OK?“
Tatsächlich erschienen zwei Polizeiwagen und 8 Mann sprangen aus den Autos. Im selben Moment klatschte eine rote Farbbombe auf die eine Windschutzscheibe und eine grüne auf die andere. Steine und Flaschen flogen in Richtung der Polizei.
Dann war plötzlich alles ruhig. Langsam bewegte sich die Polizei vor, doch die Jugendlichen waren längst über die Hinterhöfe und Dächer verschwunden, so dass ihre Suche erfolglos war.
Eine Stunde später hatten sich alle wieder an einem geheimen Ort versammelt. So geheim auch wieder nicht. Es war eine Kneipe. Harry stand halb sitzend mit dem linken Arm auf den Tresen gelehnt an dem Barhocker. Zwischen seinen Beinen stand ein Mädchen. Sie hatte ihm den Rücken zugedreht, und drückte sich an seine Schulter. „Na Schatz.“ Sein Mund näherte sich ihrem Ohr, dass er mit einem Kuss versah. Das Mädchen drehte sich zu Harry um und blickte ihm in die Augen. Sein Mund näherte sich dem ihren. Das Mädchen spürte seine Zunge in ihrem Mund. Das, was sie in diesem Moment hatte sagen wollen, schluckte sie herunter. In diesem Moment verflog ihre Angst. Harry löste ein Kribbeln in ihr aus, was sie alle Sorgen vergessen ließ. Als sich Harry wieder von ihr lösten wollte, presste sie ihre Lippen auf die seinen, aber er entzog sich ihr trotzdem, und stieß Jessica in die Realität zurück. Ihre Augen folgten den seinen. Harry drehte sich zu den anderen. „Warum?“, schoss es Jessica durch den Kopf. „So, nachdem meine Kleine versorgt ist, kommen wir zum angenehmen Teil des Abends.“ Jessica zuckte bei diesen Worten leicht zusammen. Sie verstand ihn nicht. In einem Moment verzehrte sie sich nach ihm, und eine Sekunde später hätte sie ihn auf den Mond schießen konnte, um sofort hinter her zu fliegen.
Sie war 16. Harry war 18. Sie waren seit einem Jahr zusammen. Es war ihr so, als wäre dieses Jahr schon die Ewigkeit. An die Zeit davor konnte sie sich zumindest im Moment kaum erinnern.
Sie fasste Harrys linke Hand, während dieser jetzt prahlerisch über das heutige debattierte.
Seine Hauptgesprächspartnerin war ein blondes Mädchen, dass ein halbes Jahr älter war als Jessica. Sie hieß Caroline, wurde aber von allen kurz Caro genannt. Wenn sie wollte konnte sie ein Drachen sein. Wenn sie wollte. Der junge Mann hinter ihr hieß Stefan. Er war ihr Freund und einer von Harrys Vertrauensleuten. Harry ließ Jessicas Hand los und trat einen Schritt auf die beiden zu.
Jessicas Lippen bebten unbemerkt. Es war eine gestenreiche Unterhaltung. Der Inhalt interessierte Jessica wenig.
Schließlich kam Harry zurück. Er nahm sie bei der Hand und zog sie hinter sich her aus dem Haus. Eine Weile gingen sie schweigend, dann zog Harry sie auf seine Schritthöhe, wobei er seine Geschwindigkeit nicht verminderte. Jessica hoffte nur noch, dass ihr die Absätze nicht abbrachen. Schließlich verschwanden sie in einem Hauseingang. Als Harry sie anschaute, war sie wie verzaubert. Innerhalb weniger Sekunden hatte sich ihr Schnaufen gelegt. Seine Lippen trafen ihren Mund und seine Zunge öffnete ihn. Ein Kribbeln durchfuhr sie. Wie zärtlich er sein konnte. Aber auch wie grausam. „Liebst Du mich?“ Ihre Stimme war dünn und unsicher. Harry schenkte ihr nur ein Lächeln als Antwort, was sie traurig zur Kenntnis nahm. Warum konnte dieser Kerl ihr nicht sagen, dass er sie auch liebte? Männer!
Harry löste seinen Blick von ihr und schaute in das Treppenhaus. „Hoch mit Dir. Ich hole Dich morgen ab.“
Jessica drückte ihm noch einen letzten kurzen auf den Mund und ging dann auf die Treppe zu. Bevor sie diese jedoch erreichte, drehte sie sich noch einmal um. Sie sah sein Lächeln.
Er nickte, und so drehte sie sich um und stieg die Stufen hinauf. Als sie sich auf der Zwischenstufe noch einmal umwandte, war Harry bereits verschwunden.
Sie ging die Treppe weiter nach oben. Im zweiten Stock hielt sie vor der Tür und zog ihren Schlüssel aus der Tasche. Sie blickte kurz auf das schwarze Teufelchen, was daran hing. Harry hatte es ihr geschenkt. Der Schlüssel glitt ins Loch, der Kolben drehte sich. Die Tür sprang auf.
Flipy - 23.06.2007 um 17:41 Uhr
Zuhause
Es war dunkel im Flur und Jessica knippste automatisch das Licht an. Ihre Handtasche glitt ihr von der Schulter und landete irgendwo an der Wand auf dem Boden. Ihr Blick traf die junge Frau, die im Spiegel zu sehen war. Er verweilte nicht lange dort. Sie schloss die Augen und drehte ihren Kopf weg.
Den Blick nach vorne gerichtet, schritt sie in ihr Zimmer. Wenige Minuten später hatte sie ein Buch in der Hand und ließ sich auf ihr Bett fallen. Es war ein französischer Titel. Das Buch handelte von einem Jungen in Kanada, der aus der Stadt ausbrach und in seinem Land ein anderes Land bei einem alten Indianer eintauchte, um dort eine Art Lösung zu finden, die ihm bisher keiner vermitteln konnte.
Normalerweise würde sie so etwas nicht lesen, aber bevor sie nach dem Buch gegriffen hatte, war ihr leider der Lesestoff ausgegangen. Mit dem Französischen hatte sie weniger Probleme, aber das Buch war ein Geschenk, und anfangs hatte sie gezweifelt, dass es etwas für sie wäre. Wie das so mit Geschenken ist.-
Das Zimmer war gefüllt mit Büchern. Es war Mitternacht, als ein Geräusch von der Wohnungstür kam. Jessica rührte sich nicht. Es musste ihr Vater sein. Er betrat kurz darauf das Zimmer, um ihr Gute Nacht zu wünschen und verschwand dann in Bad und Schlafzimmer. Kurze Zeit später schlief er.
Jessica zuckte kurz mit den Schultern und las weiter. Irgendwann jedoch glitt ihr das Buch aus der Hand und sie schlief ein.
Als sie am Samstag erwachte, war ihr Vater schon aus dem Haus. Er hatte ihr einen Zettel hingelegt, dass er heute später kommen würde. Sie solle sich einen schönen Tag machen.
Langsam kaute sie ihr Marmeladenbrötchen und trank ihren Kaukau aus ihrer Tasse.
Sie dachte daran, was sie geträumt haben könnte, jedoch erinnerte sie sich nicht wirklich daran. Wie schnell schöne Träume immer verschwinden?
Nach dem Essen wusch sie ab und stellte ihr Geschirr in den Schrank. Zurück in ihrem Zimmer griff sie nach ihrer Schulmappe und begann mit ihren Hausaufgaben. Leidliche, aber notwendige Pflicht. Die Aufgaben vielen ihr nicht schwer. Es war eher, dass es sie nervte, dass sie so leicht waren. Jessica hatte eine sehr schnelle Auffassungsgabe. Allerdings stellte es ein Problem da, wenn sie immer ihre eins bekommen würde. Das ging nicht. Nicht in ihrem Viertel. Jessica neigte zur Pedanterie, und sie gab, egal bei welchem Thema erst Ruhe, wenn sie es verstanden hatte.
Da sie die Freundin von Harry war, wagte es niemand, etwas dagegen zu sagen. Dieses durfte nur er persönlich.
Und das tat er. Es waren keine Schläge, womit er sie zwang, ihre Noten bei einem Durchschnitt bei 1,4 zu halten. Er schlug sie nie, denn wenn er es getan hätte, hätte sie ihn verlassen, und das wußte er. Aber dennoch kontrollierte er mehr, als ihr eigentlich recht war.
Was sie im Unterricht tat, war ihm´egal. Die Lehrer nannten Jessicas Fehler in den Arbeiten oft „Flüchtigkeitsfehler“, die sie eigentlich nicht nötig hätte. Aber bis zu dem Grund dafür gelangen sie nie. Den wusste auch sonst niemand. Für die Klasse stellte es nie geäußerte Genugtuung da, wenn Jessica einen Fehler machte. Zumindest für die meisten. Die einzige, die sie gelegentlich fragte, war ihre beste Freundin Ricky, der sie jedoch ebenfalls den wahren Grund verschwieg. Einfach war es nicht, so viel Leute zu täuschen. Es war nicht leicht, es sich selbst einzureden, aber was geschah nicht alles, weil es wohl geschehen musste. Manchmal waren die Fehler so offensichtlich, dass Jessica schon dachte, sie würde auffallen, aber es fiel nie auf. Zumindest äußerte sich niemand.
In einem einzigen Fach hatte Jessica Mühe, ihre Zensur zu halten. Dies war das Fach Mathematik. Sie konnte machen, was sie wollte, aber es war sehr sehr schwer, bei Mendal eine 1 zu bekommen. Er fand immer etwas. Jessica hatte sich damit abgefunden. Warum er sie auf dem Kicker hatte, wusste sie nicht. Es war auch nicht wichtig für sie. Sie konnte es ja eh nicht ändern.
Zudem hatte sie festgestellt, dass er meist nur Formfehler entdeckte. Und das war ihm egal.
Während der Stunde arbeitete Jessica gleichzeitig in zwei Heften. In dem einen rechnete sie die Aufgaben der Klasse. In dem anderen etwas anderes. Die Aufgaben hierfür stellte sie sich immer am Abend zuvor zusammen.
Mendal ignorierte sie vollständig, als wäre sie nicht existent. Lediglich eines konnte dazu führen, dass er sie ansprach. Dieses war, wenn es zu offensichtlich wurde, dass sie sich mit anderen Rechenopperationen beschäftigte. Hin- und wieder kontrollierte er am Ende der Stunde die Mitschriften, was Jessica albern fand, aber sich deshalb keine Schlechten Noten einhandeln wollte.
Hin- und wieder hatte Mendal den ihre Hefte in der Hand. Er ließ sich nichts anmerken. Die unterrichtsfremde Aufgabe harkte er als richtig ab. Andere ließ er unkorrigiert. Manchmal hatte Jessica das Gefühl, dass es ein bestimmter Typ Aufgaben war, die er nicht korrigierte. Aber sicher konnte man sich bei Mendal nie sein.
Die Hausaufgaben waren schnell erledigt. Danach griff sich Jessica wieder ein Buch.
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