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--- Hesses Demian

LX.C - 11.03.2007 um 17:18 Uhr

Hesses "Demian" hat mich etwas verwirrt zurückgelassen. Es soll doch anders als bei "Unterm Rad" darum gehen, sich nicht von den gesellschaftlichen Konventionen unterdrücken und unterordnen zu lassen, sondern seinen eigenen Weg zu finden indem man eine starke, selbstständig denkende, der inneren Stimme gehorchende Persönlichkeit ausbildet. Und doch ziehen wider dieser Attribute Sinclair und sein Alter ego Demian mit Freuden in den Krieg. Verstanden habe ich schon, es geht ähnlich Nietzsche auf geistlich kultureller und ähnlich den Expressionisten auf staatlich gesellschaftlicher Ebene darum, die alten Werte zu nichtigen und etwas neues hervorzubringen. Als Wendepunkt und Schwelle zum Neuen soll hierfür der Krieg herhalten. Doch diese pathetische Freude, dass der Krieg ausbricht und die sofortige Bereitschaft sich unterzuordnen, wobei es doch stets darum geht, sich aus der Anpassungsmaschinerie zu befreien, leuchten mir nicht wirklich ein. Der kluge, selbstständig denkende Mensch würde doch andere Wege finden und bevorzugen?

Ich liebe Hesses Werke, auch wenn nach Demian seine Literatur übergeordneter und weltlicher wird, insbesondere doch sein Frühwerk. Aber diesmal hat er mich, wie bereits erwähnt, etwas ratlos zurückgelassen. Vielleicht hat ja jemand Interesse, seine Sichtweise dazu zu äußern.




Matze - 12.03.2007 um 09:52 Uhr

Demian, gute Pubertätsliteratur. Würde ich heute nur mit vorgehaltener Waffe lesen.



Arjuna - 12.03.2007 um 12:30 Uhr

Das Interessanteste von Hesse sind m.E. die Briefe.
Ansonsten gehts mir ähnlich wie Matze.
Gruß, A.




LX.C - 12.03.2007 um 17:08 Uhr

Wer die schönen Dinge nicht mehr an sich ranzulassen weiß, wird zum verbohrten Tr0ttel. Daher lese ich gerne Hesse, auch wenn es pubertäre Literatur sein mag. Im Übrigen mal wieder ein schönes Beispiel, wie sinnlos hier Diskussionsmöglichkeiten zersetzt werden. Konstruktiv war das nun wirklich nicht.



Arjuna - 13.03.2007 um 07:53 Uhr

Nana,
LX.C !
Zu dem, was in der Literatur schön ist, hat jeder eine eigenen Empfindungen.
Das hat mal gar nichts mit
"nichts Schönes an sich ranlassen können" zu tun.
Keiner will DIR das Leseerlebnis mit Hesse nehmen -
aber bitte keine Unterstellungen.
Wer Hesse nicht mehr lesen kann/möchte, wird auch keinen Diskussionsbeitrag leisten wollen. Und das ist völlig in Ordnung.
So geschehen.
Gruß,A




LX.C - 13.03.2007 um 15:35 Uhr

[Quote]Wer Hesse nicht mehr lesen kann/möchte, wird auch keinen Diskussionsbeitrag leisten wollen. Und das ist völlig in Ordnung.[/Quote]

Natürlich ist das in Ordnung, aber dann soll man den "Mund" halten.




Arjuna - 13.03.2007 um 15:42 Uhr

Ach so ist das.
Mundhalten.




LX.C - 13.03.2007 um 15:54 Uhr

Ja oder eine vernünftige Kritik äußern. Ist doch wohl selbstredend.



Matze - 13.03.2007 um 19:06 Uhr

Ein Argument zu Hesse?

Der ist gut!




bodhi - 13.03.2007 um 20:00 Uhr

Sooo, nun fassen wir uns alle an den Händen und tanzen ringelringelrooose...

Zitat:

Du kaufst jetzt Hermann Hesse
sonst gibt´s was in die Fresse.
Otto




Herr Aldi - 13.03.2007 um 20:16 Uhr

versalia feiert einen Kindergeburtstag, und niemand hat mich eingeladen. Oder ist das hier doch eher eine - wenn auch unfreiwillige - Trollfütterung?



mala - 24.03.2007 um 13:52 Uhr

Was für ein Ego-Gepinsel hier. Da stellt jemand eine Frage nach Literatur - ojah, Hesse ist gute klassiche Literatur!, und es gibt auch jüngere Menschen, die ihn heute lesen und ältere Menschen, die ihn vor mehr als 10 oder 20 Jahren gelesen haben - und der wird abgefüttert mit Arroganz, aber ohne jegliche Auseinandersetzung mit seinen Fragen.
Dabei wird versucht, das Literaturportal Versalia als ein niveauvolles hochzuhalten.
Für mich unverständlich.




LX.C - 24.03.2007 um 16:07 Uhr

Millionen haben weltweit den Demian gelesen. Ich bin mir ganz sicher, das dies nicht nur Pubertäre waren. Das ist schon an den Reaktionen zu sehen, die Hesse selbst bekam. Daher trifft mich diese Behauptung nicht weiter ins Mark. Meine Enttäuschung allerdings sprichst du vollends aus. Aber davon nun genug. Entweder entwickelt sich hier noch was oder eben nicht.



Franklin Bekker - 29.03.2007 um 19:32 Uhr

Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 19:47:35 am 29.03.2007 editiert

Ich habe leider den Demian nicht gelesen und ein Bekenntnis zu Hesse würde wohl auch nicht viel bringen. Ich habe nur überlegt ob Krieg nicht vielleicht sogar noch zu Beginn des 2. Weltkriegs anders aufgefasst wurde ... Krieg als Chance sozusagen und ob nicht Hesse dann dieses Zeitbild verarbeitet hat.

Nietzsche liest sich ebenfalls an vielen Stellen sehr kriegswillig. Vor allen Dingen, wenn man es als Metapher gebraucht und es in Richtung "Ketten srengen" geht. (über das, was Nietzsche selbst geglaubt hat oder gesagt haben will soll damit nichts gesagt sein).




LX.C - 31.03.2007 um 11:36 Uhr

Du hast schon Recht. Der Erste Weltkrieg als Ausweg aus der Stagnation, der gesellschaftlichen Krise. Auch Hesse sprang, wie so einige Schriftsteller, insbesondere die Expressionisten, oder auch Wissenschaftler, wie beispielsweise der Soziologe Georg Simmel, auf diesen Zug. Doch sah er wie viele andere seinen fatalen Irrtum schnell ein. Daraus entstand dieses Pseudonym Emil Sinclair, da man eben, wenn man gegen den Krieg öffentlich eine kritische Position einnahm, mit den größten Repressalien zu rechnen hatte. Dieses "Trauma", das Hesse erfuhr, geächtet zu werden, wenn man im damaligen Deutschland journalistisch aufklärend wirken wollte, beeinflusste ihn literarisch nachhaltig bis in den "Steppenwolf". Unter diesem Pseudonym Emil Sinclair jedenfalls veröffentlichte er neben vielen journalistischen Artikeln auch den Roman "Demian" und erhielt dafür sogar einen Nachwuchspreis, ähnlich dem heutigen Bachmann-Preis, den er später selbstverständlich zurückgab. Doch hätte man mich inhaltlich nicht literaturwissenschaftlich aufgeklärt, ich hätte den Roman "Demian" gegen Ende der Geschichte pathetisch kriegerisch gedeutet. Was mich nach dem Verlauf der Handlung eben selbst überrascht hat. Wie dieser Irrtum aus dem Inhalt heraus entstehen konnte oder weiterhin kann (falls das nicht eine rein subjektiver Eindruck war), wollte ich an dieser Stelle diskutieren.

[Quote]Emil Sinclair war der Deckname Hermann Hesses, unter dem im Ersten Weltkrieg einige seiner ungemütlichsten Appelle, Aufsätze und Erzählungen gegen den Krieg veröffentlicht wurden. Ein solches Pseudonym war notwendig geworden, als man Hesse 1917 androhte, die Mittel für seine vom Deutschen Roten Kreuz unterstützte Kriegsgefangenenfürsorge einzustellen, wenn er weiterhin in den Medien den Sinn der deutschen Kriegsführung in Frage stelle. (aus: Hesse, Hermann: Sinclairs Notizbuch, Insel Verlag, Frankfurt/M und Leipzig 2000.) [/Quote]




Gast873 - 31.03.2007 um 12:42 Uhr

Ich bin mir dessen nicht sicher, ob Hesse im "Demian" den Krieg als den pathetischen König aller Dinge ansieht. Auch der "Zauberberg" endet einfach mit dem Pauken-und Granateneinschlag, ohne dass er einen Höhepunkt der Kriegs-Philosophie darstelle. Der Schluss ist nur symbolisch als das Ende, Kataklysmus zu verstehen und speist sich eher aus dem Pessimismus der Weltanschauung Schopenhauers, als dem Untergangsgedanken Nietzsches.

Außerdem, und das ist viel wichtiger, ist Demian aus den gemeinsamen Sitzungen Hesses mit C.G. Jung in Zürich qua psycho-analytische Annäherung an die Tiefen des menschlichen Bewusstseins entstanden oder als Gegenteil und dessen ultima ratio des Dunklen und Unbewussten.

Gruß
Hyperion




LX.C - 31.03.2007 um 16:29 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 16:34:31 am 31.03.2007 editiert

Das mag wichtig sein, wenn man wissen will, wie der Roman entstand und warum Hesse in seinem übergeordneten Thema plötzlich einen neuen Weg einschlug. Durch die Psychoanalyse war zwar die Tiefe des Romans erst möglich und vor allem die Befreiung Hesses, den Menschen nicht mehr als Opfer seiner gesellschaftlichen Umstände zu sehen und darzustellen, sondern als Befreier seiner selbst. Als Individuum, das sich die Gesellschaft zunutze machen muss, nicht umgekehrt, um trotz aller Widerstände seinen individuellen Weg zu gehen. Aber der Inhalt spricht eben für sich selbst und bedarf keiner Kenntnis über die Entstehungsgeschichte. Der Konflikt, den ich sehe, entsteht, da trotz der positiven psychologischen Entwicklung sich Sinclair und Demian am Ende wieder den Konventionen unterordnen. Zwar für ein höheres Ziel, als das des Staates im Krieg - wodurch der Eindruck entsteht, dass Hesse den Krieg für bestimmte Ziele billigen würde -, aber eben doch als Werkzeug des Staates, dem es egal sein kann, was der Einzelne denkt, solange die Masse funktioniert. Aus meiner Sicht hätten Demian und Sinclair andere Wege beschreiten müssen, um den Staat zu unterwandern, und nicht mittels Beteiligung am Krieg, in dem festen Glauben, nur dadurch eine Revolution beschleunigen zu können. Für einen Schriftsteller, der eine Antikriegshaltung einnehmen will, ist mir das zu wacklig.

Hier ein paar Zitate dazu, die aus meiner Sicht auch sehr pathetisch anmuten.

[Quote]Wie seltsam, dass jetzt der Strom der Welt nicht mehr irgendwo an uns vorbeilaufen sollte –, dass er jetzt plötzlich mitten durch unsere Herzen ging, dass Abenteuer und wilde Schicksale uns riefen und dass jetzt oder bald der Augenblick da war, wo die Welt uns brauchte, wo sie sich verwandeln wollte. Demian hatte Recht, sentimental war das nicht zu nehmen. Merkwürdig war nur, dass ich nun die so einsame Angelegenheit „Schicksal“ mit so vielen, mit der ganzen Welt gemeinsam erleben sollte. Gut denn! Ich war bereit.
[…]
Mit der Zeit sah ich aber, dass ich die Menschen unterschätzt hatte. So sehr der Dienst und die gemeinsame Gefahr sie uniformierte, ich sah doch viele, lebende und Sterbende, sich dem Schicksalswillen prachtvoll nähern.
[…]
Mochten diese glauben und meinen, was immer sie wollten – sie waren bereit, sie waren brauchbar, aus ihnen würde sich Zukunft formen lassen. Und je starrer die Welt auf Krieg und Heldentum, auf Ehre und andere Ideale eingestellt schien, je ferner und unwahrscheinlicher jede Stimme scheinbarer Menschlichkeit klang, dies war alles nur die Oberfläche, ebenso wie die Frage nach den äußeren und politischen Zielen des Krieges nur Oberfläche blieb. In der Tiefe war etwas im Werden. Etwas wie eine neue Menschlichkeit. Denn viele konnte ich sehen, und mancher von ihnen starb an meiner Seite – denen war gefühlhaft die Einsicht geworden, dass Hass und Wut, Todschlagen und Vernichten nicht an die Objekte geknüpft waren. Nein. Die Objekte, ebenso wie sie Ziele, waren ganz zufällig. Die Urgefühle, auch die wildesten, galten nicht dem Feinde, ihr blutiges Werk war nur Ausstrahlung des Inneren, der in sich zu spaltenden Seele, welche rasen und töten, vernichten und sterben wollte, um neu geboren werden zu können. Es kämpfte sich ein Riesenvogel aus dem Ei, und das Ei war die Welt, und die Welt musste in Trümmern gehen.

Quelle: Hesse, Hermann: Demian, Suhrkamp, Frankfurt/M 2006, S. 187-190. [/Quote]




Gast873 - 02.04.2007 um 14:55 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hyperion um 15:11:49 am 02.04.2007 editiert

Zitat:

Für einen Schriftsteller, der eine Antikriegshaltung einnehmen will, ist mir das zu wacklig.


Das muss Hesse als Schriftsteller doch gar nicht, dazu ist er zu sehr Künstler und nicht Politiker. Der "Demian" ist von mir bereits oben werkimmanent interpretiert worden, als logische Konsequenz, die sich aus dem Begriff des Abraxas deduzieren lässt. Hesse hätte doch nicht den Sinclair in einer romantischen Stadt philosophieren und fröhlich weiter trinken lassen können, das wäre zu romantisch und eben nur einseitig gewesen, "Abraxas" aber beinhaltet immer beides: Romantik und Vernichtung, Tod, Zerstörung und gleichzeitig die Liebe zu Demians Mutter. Todesromantik des Krieges inklusive. Geist und Natur, das Männliche und das Weibliche spielen beim Hesse ne große Rolle, nie nur das eine oder andere. Der Demian kann nur so enden, wie er endet, in der Ambivalenz des Begriffes Abraxas. Vermutlich tue ich dem Dichter damit zu viel Ehre an, wenn ich ihn philosophisch zu deuten versuche.

Hesse, fürderhin ist der größte und vielleicht der einzig gute Romantiker seit Jan Paul im 20. Jahrhundert, und auch wieder nicht. Dies ist etwas polemisch, denn beide waren Romantiker und auch keine, und außerdem übergehe ich in der vorigen Behauptung die "echten" Romantiker, die in ihrer Romantik zu einseitig auf den Tod fixiert waren. Hesse verstand auch zu lachen und hatte es nie vergessen.

Zum Schluss möchte ich nur noch erneut darauf hinweisen, dass "Demian" tiefenpsychologisch gedeutet werden muss. Neben dem Liebestrieb (Demians Mutter und Liebe zum Demian selbst) gibt es noch einen, dem Menschen angeborenen Trieb, den Todestrieb. Eros (In Klammern) und Thanatos sind die Kinder eines Namens und eines Gedankens bei Hesse. Das hat nichts mit der Kriegsverherrlichung zu tun. Der Krieg ist etwas Männliches bei Hesse und Th. Mann erst recht.

Übrigens ist von Hesse "Zarathustras Wiederkehr" ähnlich, und nur noch ein Stückchen schärfer und radikaler aufgebaut und formuliert. "Nur für Verrückte" zu lesen.

Gruß
Hyperion




LX.C - 02.04.2007 um 17:05 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 17:08:19 am 02.04.2007 editiert

Sehr schönes und auch richtiges Statement. Ich möchte hingegen deiner Aussage aber doch noch mal darauf hinweisen, dass Hesse zu jener Zeit, als er den "Demian" verfasste, ein sehr politischer Mensch war, öffentlich sogar mehr als er es jemals wieder sein sollte, und gegen den Krieg anschrieb. Und zwar genau unter dem Pseudonym, unter dem er auch "Demian" veröffentlichte. Und gerade aus diesem Grund, weiß ich den Schluss nicht recht einzuschätzen. Ansonsten stimmt deine Meinung mit der im Buch zu lesenden philosophisch-literaturwissenschaftlichen Deutung überein. Befriedigen tut mich das dennoch nicht.




Gast873 - 04.04.2007 um 13:38 Uhr

Wie soll der Schluss des Buches deiner Meinung nach aussehen? Ich sehe keine vernünftige Alternative, trotz des Pazifismus von Hesse in den Zeitschriften, Briefen etc. geht es hier im "Demian" um Kunst. Das war Hesse bewusst. Ohne den Untergang (oder sich erschießen zu lassen) wäre Demian kein großer Roman, sondern ein schlechter, durchschnittlicher Antikriegs-Parolenwitz geworden.

Gruß
Hyperion




LX.C - 04.04.2007 um 21:55 Uhr

Aha, gut, verstehe und akzeptiere ich. Dann hätte man den Demian aber auch nicht antikriegerisch deuten oder doch vielleicht besser gesagt hindrehen sollen. So wie es der literaturwissenschaftliche Anhang tut. Vielleicht siehst du das philosophisch faktischer als jene, die Hesse ins reine schreiben wollen. Meine Alternative hatte ich schon erwähnt.



LX.C - 05.04.2007 um 00:16 Uhr

Nein, tut mir Leid, bei aller philosophischen Faktizität - man darf den Roman meiner Meinung nach nicht darauf reduzieren -, ich kann mich damit nicht zufrieden geben; und das folgende Zitat, welches meine Zweifel begründet, widerspricht genauso deiner Ausführung.

[Quote]Denn bis zum letzten, wieder in den Krieg mündenden Kapitel ist das Buch eine einzige Versuchsanordnung und ein Modell, auf welche Weise künftig eine Wiederholung kollektiver Katastrophen vermeidbar wäre, nach Hesses Devise: „Wir müssen nicht hinten beginnen, bei den Regierungsformen und politischen Methoden, sondern wir müssen vorn anfangen, beim Bau der Persönlichkeit, wenn wir wieder Männer haben wollen, die uns Zukunft verbürgen.“ Wie das zu bewerkstelligen sei, hat Hesse im „Demian“ vorgeführt […]

Quelle: Michels, Volker: Demian - Eine Stimme der Evolution, in: Hesse, Hermann: Demian, Suhrkamp, Frankfurt/M 2006, S. 206.“

[/Quote]

… und endet doch in der kollektiven Katastrophe.

Wer ist denn nun also gescheitert? Der Schriftsteller oder der interpretierende Literaturwissenschaftler? Oder ich als Leser, dem sich dieser Widerspruch einfach nicht auflösen will.




Gast873 - 05.04.2007 um 12:23 Uhr

Hesse hat doch die von Dir gewünschte Position eindeutig im "Steppenwolf" bezogen und muss es im "Demian" nicht auch noch tun, wenn auch viel später. Die Kunstebene des erotischen Todes möchte ich im Roman nochmals betont wissen. Das Problem der Faktizität, das Du hast, kann ich sehr wohl nachvollziehen, alleine, für mich stellt es sich gar nicht als Problem oder Antinomie dar, sondern als ultima ratio des vorher schon oben entwickelten Begriffes und geht aus diesem hervor. Dass der Krieg eindeutig schlecht und zu verwerfen ist, steht romanextern außer Frage.

Gruß
Hyperion




LX.C - 06.04.2007 um 00:35 Uhr

Im Steppenwolf bezieht er diesbezüglich keine Position mehr, lässt nur mit einfließen, wie ignorant ihn Deutschland für seine kriegskritischen Artikel in den [Zensiert] getreten hat.

Um Positionen geht es auch gar nicht, sondern um den Widerspruch zwischen Entwicklung und Schluss. Ich weiß, der aus deiner Sichtweise keinen Widerspruch darstellt, aber wir betrachten den Inhalt aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln und reden daher aneinander vorbei.




Gast873 - 10.04.2007 um 16:13 Uhr

Zitat:

aber wir betrachten den Inhalt aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln und reden daher aneinander vorbei.

LOL, sehe ich nicht so.

Wir reden doch schließlich über den gleichen Roman, "Demian", nehme ich an.

Gruß
Hyperion




LX.C - 10.04.2007 um 17:17 Uhr

Ja, schon, aber du deutest den Roman meiner Meinung nach zu einseitig, gar nicht als Vorwurf gemeint, ist ja schließlich deine geisteswissenschaftliche Heimat, und deiner Deutung kann ich auch gar nicht widersprechen, auf Abraxas reduziert hast du vollkommen Recht. Aber diese einseitige Interpretation reicht aus meiner Sicht eben nicht aus.
Schaut man auf das Ende des Romans, das exakt Hesses Haltung zum Ausbruch des Krieges entspricht, dann könnte der Roman ebenso eine Aufarbeitung dieser irrtümlichen - ihn später quälenden - Haltung sein. Das nur mal so als weiter Aspekt.

[Quote]Unter dem Druck des nicht enden wollenden Völkermordes und der desillusionierenden Erkenntnis, dass es ein Irrtum war, während der ersten beiden Kriegsjahre die Gewalt als notwendiges Übel in der Hoffnung auf eine bessere Zukunft hingenommen zu haben, war Hesse 1916 in eine schwere Depression gefallen.

Quelle: Michels, Volker: Demian - Eine Stimme der Evolution, in: Hesse, Hermann: Demian, Suhrkamp, Frankfurt/M 2006, S. 202.

[/Quote]




Gast873 - 10.04.2007 um 19:07 Uhr

Zitat:

dann könnte der Roman ebenso eine Aufarbeitung dieser irrtümlichen - ihn später quälenden - Haltung sein. Das nur mal so als weiter Aspekt.

Dito. Mit freundlicher Unterstützung des Carl Gustav J. freilich.

Nicht ganz umsonst hat Thomas Mann, der zufällig auf Hesses Anempfehlung die gleiche Praxis des Seelendoktors in Zürich aufgesucht hatte, den Roman "Demian" als den besseren "Zauberberg" bezeichnet. Obschon er maßlos übertrieben hatte, konnte er sich die Aussage leisten, weil er natürlich wusste, dass sein Jahrhundertroman der größere Wurf war. Wie großzügig.

Gruß
Hyperion




LX.C - 10.04.2007 um 19:52 Uhr

Sein Analytiker und Therapeut war J. B. Lang, der zwar in Jungs wiss. Tradition stand, aber den Hauptanteil an der Aufarbeitung hatte, die zum "Demian" führte. Hesse traf C. G. Jung nur ein Mal für ein paar Stunden. Das Treffen vermittelte ihm Lang, mit dem er bis zu diesem Zeitpunkt schon ca. 200 (also unheimlich viele) Therapiestunden verbracht hatte. Das noch mal zur Ergänzung, da man deinen Ausfühlungen folgend glauben könnte, er war bei Jung in Therapie.



Gast873 - 10.04.2007 um 19:58 Uhr

Ach so, ich dachte, schaue gleich nach, dass in Jungs Praxis immer noch ein Photo von Hesse hängt samt der Erstausgabe des "Demian", und dass mehrere Begegnungen statt gefunden haben. Bei Thomas gibt es nur Indizien, keine Beweise des Arztbesuches, da ist die Sache komplizierter, weil etwas anderes ans Licht kommen sollte als Tod und Eros. Beim Mann war da noch etwas wie Tadziosyndrom, und es blieb bei ärztlicher Schweigepflicht.

Gruß
Hyperion




Gast873 - 10.04.2007 um 20:11 Uhr

Es hat ein reger! und unzähliger Briefverkehr zwischen Hesse und Jung stattgefunden, und er war bei ihm mehrmals in Behandlung, d.h er hat sich richtiger Psychoanalyse bei Jung in der Praxis unterzogen, obgleich er anfangs auch bei Lang die Therapiestunden verbrachte. Das auch nur von miener Seite marginal.

Gruß
Hyperion




LX.C - 10.04.2007 um 20:18 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 20:21:21 am 10.04.2007 editiert

Lang übermittelte ohne Zweifel Jungsche Theorien, das hab ich ja nicht bestritten. Inwiefern sich Hesse und Jung später näher gekommen sind, weiß ich nicht, ich rede von der Zeit, als der Demian entstand. Fertig gestellt war der Roman 1917, in dem Jahr also, in dem Hesse erstmalig (und einmalig in diesem Jahr) für ca. drei Stunden auf Jung traf und erstmalig überhaupt persönlichen Kontakt mit Jung hatte.




Gast873 - 10.04.2007 um 20:24 Uhr

Ab 1921 sehr intensiv. Vorher hat Hesse die Psychoanalysen bei Dr. Lang (er war ein Mitarbeiter, nicht nur Schüler, Jungs) in Luzern und bei Jung in Zürich erprobt und absolviert. Jung hat auch Hesses erkrankter Frau geholfen, ins Leben zurück zu finden. Also hat er ihn schon sehr gut gekannt. Vorher auch schon, durch Briefe, allerdings zur Zeit des Romans war Lang sein vertrauter Arzt.

Gruß
Hyperion




LX.C - 10.04.2007 um 20:34 Uhr

September 1917 war das erstmalige Treffen. Eindeutiger gehts also nicht.



Gast873 - 10.04.2007 um 20:39 Uhr

ABER "Demian" wurde doch 1919 veröffentlicht, zwar 1917 vollendet, aber zwei Jahre später ist es erst erschienen.

LOL, ne Frage zwischendurch: was ist älter die Henne oder das Ei?

Gruß
Hyperion




LX.C - 10.04.2007 um 21:16 Uhr

Was ändert das, wenn das fertige Manuskript seit Oktober 1917 dem S. Fischer Verlag vorlag.
Das sind unsinnige Kraftproben, die keinen weiterbringen.




Gast873 - 11.04.2007 um 11:54 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hyperion um 11:58:40 am 11.04.2007 editiert

Du hast Recht, es war zugegebenermaßen auch noch Krieg in Deutschland, zwar nicht in der Schweiz, der aber wiederum eine sofortige Veröffentlichung unmöglich machte. Worum es bei der lebhaften Diskussion, wer denn jetzt der Arzt eigentlich sei, in Wahrheit ging, zeugt es doch davon, da wir die ganze Zeit von der Pysychoanalyse gesprochen hatten, dass das Buch unter erheblichem Einfluss der Tiefenpsychologie stand, ob indirekt durch Jungs Mitarbeiter Dr. Lang oder direkt durch den Meister selbst, ist wurscht und eigentlich irrelevant.

Gruß
Hyperion




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