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--- Die schönsten Liebesgeschichten der Welt
LX.C - 04.03.2007 um 01:22 Uhr
[Quote]Heute, wo ich sagen will, was ich von "Dshamilja" halte, zögere ich [...], sie so zu nennen, und dennoch, für mich ist es die schönste Liebesgeschichte der Welt. Deshalb habe ich diese Geschichte übersetzt [...] und nun liegt sie für den Druck fertig vor mir; es ist die schönste Liebesgeschichte der Welt. Ich muss es aussprechen. Ich möchte keine andere mehr.
(Quelle: Aragon, Louis, in: Aitmatow, Tschingis: Dshamilja, Suhrkamp, Frankfurt / M. 1988, S. 7-8.) [/Quote]
In der Geschichte der Literatur wurden so viele Liebesgeschichten geschrieben. Neben Tod vermutlich das Thema Nummer eins in der Literatur. Und jeder hat andere Gründe und Motive, eine Liebesgeschichte als die schönste zu benennen, die er je gelesen hat.
Tragen wir an dieser Stelle doch einfach mal ein paar Liebesnovellen und -romane zusammen, kurz mit zwei, drei Sätzen beschrieben und wer möchte noch ein paar Worte, warum das Werk gefiel.
Vielleicht kommt ja so eine ganz interessante Übersicht schönster Liebesgeschichten zusammen.
Arjuna - 04.03.2007 um 15:53 Uhr
Feine Idee.
Also erstmal gründeln.
Gruß,A.
Arjuna - 04.03.2007 um 18:38 Uhr
Welche Kriterien sollten beachtet werden?
Wahrheit / Dichtung...Klassik/ Gegenwart...alles querbeet...?
LX.C - 04.03.2007 um 21:59 Uhr
Nur das persönliche Empfinden. Alles andere ist optional.
LX.C - 05.03.2007 um 01:57 Uhr
Denis Scheck nannte in Druckfrisch gerade "Die Umsiedler“ von Arno Schmidt (1953) als eine der schönsten Liebesgeschichten der deutschsprachigen Literatur.
Ein Vertriebenenroman (Kurzroman), in dem sich eine verkrüppelte, resolute Frau, die ihren Mann im Krieg verlor, und ein Bücherliebhaber auf der Flucht näherkommen.
Arjuna - 05.03.2007 um 10:36 Uhr
Diese Nachricht wurde von Arjuna um 10:38:59 am 05.03.2007 editiert
Diese Nachricht wurde von Arjuna um 10:38:08 am 05.03.2007 editiert
Diese Nachricht wurde von Arjuna um 10:36:38 am 05.03.2007 editiert
Meine liebste Liebesgeschichte kann man kaum "schön" nennen - sondern zutiefst bewegend:
"Brautbriefe Zelle 92"
Dietrich Bonhoeffer / Maria von Wedemeyer
1943 - 1945
Pfarrer Bonhoeffer war aktiver Widerständler
und wurde wegen seiner Umtriebe am 5.April 43 von der Gestapo verhaftet.
Seine große Liebe - Maria W. zu dieser Zeit(18 Jahre alt) -
hat bis zu seinem Tod den Briefwechsel aufrechterhalten.
Sie hat ihn durch ihre bedingungslose Liebe und den steten Briefwechsel -
der ebenso getragen ist von ganz Alltäglichem wie von ihren Liebesgedanken -
gestärkt und ermutigt in seiner Geisteshaltung bis zum 9.April 1945, dem Tag seiner Hinrichtung.
Zitat:
Maria W.:
Ich hab einen Kreidestrich um mein Bett gezogen etwa in Größe deiner Zelle...und wenn ich da sitze, glaube ich schon beinah, ich wäre bei Dir
LX.C - 05.03.2007 um 11:15 Uhr
Ja, tragisch, dass die Liebenden sich körperlich nie näher kommen konnten. So blieb die Liebe in gewisser Hinsicht doch immer unerfüllt, wenn geistig auch, neben dem Zwiegespräch mit Gott, die Erfüllung in Bonhoeffers letzten Tagen.
Schön wäre es, Autor und Titel immer dick zu untersetzen, damit man den Überblick nicht verliert und sich schneller orientieren kann.
Kroni - 05.03.2007 um 11:19 Uhr
Spontan fällt mir auch nur Arno Schmidt ein - ich bin kein Prosa-Liebhaber, und A.S. ist einer der sehr wenigen Autoren, die ich schätze, vieles von den Buchhändlern ererbt habe, und mich darum bemühe, es zu erwerben, um es zu besitzen.
Die für mich schönsten Romanzen bei Arno Schmidt finden sich - neben den schon benannten "Umsiedlern" in:
"Leviathan" - Auf der Flucht in einem Güterzug vor der Roten Armee im Winter Anfang 1945 begegnen sich der Ich-Erzähler (ein versprengter Soldat) und seine unerfüllt gebliebene Jugendliebe. Sie gehen gemeinsam in den Tod.
"Schwarze Spiegel" - siehe meine hiesige Rezension hierzu: in einer nach dem III. Weltkrieg leeren Welt begegnen sich der letzte Mann und die letzte Frau für eine schöne kurze Weile der Gemeinsamkeit, bevor sie wieder in die Einsamkeit entschwindet.
Arjuna - 05.03.2007 um 11:56 Uhr
"Peer Gynt" Dramatisches Gedicht von Henrik Ibsen
Mich hat die Liebe der nimmermüden Solveijh, die ein Leben lang auf Peer Gynt, den treulosen Gesell, wartet und bis zum Ende zu ihm hält, schon immer fasziniert.
Für mich ein wunderbarer Liebesentwurf .
Gruß A.
Gast873 - 05.03.2007 um 19:24 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 19:26:24 am 05.03.2007 editiert
"Romeo und Julia" von William Shakespeare
Das ist eine Liebesgeschichte der ewigen Art!
Ein für alle Mal, für alle Äonen.
Gruß
Hyperion
Gast873 - 05.03.2007 um 19:38 Uhr
Und Diotima?
Und Danae?
Herr Hyperion!
Herr Agathon!
Meine Herren!
Arjuna - 05.03.2007 um 19:48 Uhr
Meine Lieblinge :
Salvador Dali und Gala
Louis Aragon und Elsa
Sartre und Beauvoir
Gabriele Münter und Kandinsky
LX.C - 06.03.2007 um 00:21 Uhr
hatte eigentlich absichtlich von Romanen und Novellen gesprochen. Wollte Dramen an dieser Stelle mal ausklammern. dass da Romeo und Julia kommen würde, war ja schon klar.
Arjuna - 06.03.2007 um 11:08 Uhr
Leo Tolstoi - Anna Karenina
Hier nenne ich das -
nach allerlei Geplänkel -
glückliche Liebespaar Kitty und Lewin ...
Ein Stabilitätsfaktor des Romans.
A.
LX.C - 06.03.2007 um 11:37 Uhr
Diese Nachricht wurde von LX.C um 11:57:19 am 06.03.2007 editiert
Was für die Jugend. Spannend, dramatisch.
Chimo "Sagt Lila" (1996). - Chimo, ein Junge von 19 Jahren, arabischer Herkunft, verliebt sich in die 16jährige Lila. Beide leben in zerrütteten Familienverhältnissen, in einem Plattenbaugetto am Rande von Paris, in dem die Perspektivlosigkeit den Menschen förmlich auf der Stirn geschrieben steht. Nur langsam gelingt es Chimo, näher an Lila heranzukommen und ihr Vertrauen zu gewinnen, die allen anderen Jungs aus der Clique des Stadtrandviertels, als eine erfahrene und unnahbare Frau, arrogant die kalte Schulter zeigt. Unberechenbar wie eine Katze, wird Chimo nicht schlau aus Lilas sprunghaftem Verhalten. Schließlich kommt er dahinter, dass alle Legenden um sie Gerüchte sind und dass Lila alles andere ist, als das, für was man sie hält. Doch noch ehe er das Lügen- und Gerüchtegeflecht ganz enttarnen kann, muss Lila schon bitter für ihre verfälschte Selbstdarstellung büßen.
Arjuna - 06.03.2007 um 12:51 Uhr
Schön, an die Jugendlichen zu denken...
Cristina Comencini - Die fehlenden Tagebuchseiten
ist in diesem Zusammenhang eine gute Wahl :
Die neunzehnjährige Tochter Frederica einer reichen römischen Familie ist verschlossen und depressiv.
Nur dem Vater vertraut sie, er darf auch ihr Tagebuch lesen. Dadurch erfährt er von Fredericas Liebesleben und ihrem zwielichtigen Liebhaber.
- sehr subtil, feinfühlig UND spannend; ein intelligent geschriebenes Buch.
Ich bin nicht sicher bin ob, es noch im Buchhandel erhältlich ist.
Aber es gibt ja Amazon, Jokers, etc.
A.
Gast873 - 06.03.2007 um 16:11 Uhr
Zitat:
Leo Tolstoi - Anna Karenina
glückliche Liebespaar Kitty und Lewin ...
Oh, jetzt wird´s interessant. Das ist nämlich tatsächlich ein Liebespaar, das Geschichte schrieb, und nicht die Karenina. Ich vergass auch ihren Liebesweg ins Unglück, neben des starken Auftritts von Levin und Kitty. Wie er ihr den Hof macht, ist einfach grandios.
Dann seien auch noch Puschkins "Onegin" und Tatjana als Liebespaar genannt.
Verdammt, ich werde doch noch romantisch. Was für ein Unfug!
Gruß
Hyperion
LX.C - 07.03.2007 um 01:57 Uhr
John Fante "Ich - Arturo Bandini" (1939 unter dem Titel: Ask the dust). - Arturo hat gerade seine erste Kurzgeschichte in einem Undergroundmagazin veröffentlicht. Überzeugt von seinem Durchbruch, trennt er sich von seinem Elternhaus und geht nach Los Angeles, um ein großer Schriftsteller zu werden. Doch Geld, Frauen und Inspirationen für Manuskripte bleiben zunächst aus. Von seinen letzten Cent leistet er sich einen Kaffe und triff dabei auf die heißblütige Kellnerin Camilla. Eine Hassliebe beginnt, die Arturo großartigen Stoff für Geschichten liefert, auf der anderen Seite aber große Verzweiflung und Hilflosigkeit mit sich bringt. Denn die von Camilla anfänglich so euphorisch zur Schau gestellte Lebensfreude wird zunehmend von Phasen der Selbstzerstörung abgelöst. Sie scheint manisch-depressiv zu sein. Der junge Autor weiß nicht recht mit ihr umzugehen und kommt nicht hilfreich an sie heran. Nur einer scheint das zu können, Sammy, der von Arturo vermutete Nebenbuhler. Doch der will von Camillas Liebe zu ihm nichts wissen, was die Katastrophe komplettiert.
LX.C - 07.03.2007 um 02:26 Uhr
Thomas Mann "Tristan" (1903)
Zwar nicht schön, im Sinne einer hinreißenden Liebesgeschichte, aber genial kauzig fand ich die Novelle. Wenn ich an den Spinell denke, muss ich immer wieder grinsen.
Eine Empfehlung an dieser Stelle somit auch an die Leser, die Liebe als völlig egoistisch betrachten.
Gast873 - 07.03.2007 um 12:43 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 12:47:54 am 07.03.2007 editiert
Die Novelle "Tristan" ist, was die Liebesgeschichte anbelangt, wie die Rahmnehandlung, zwar "nett" zu lesen, aber doch nur "Der Zauberberg" im Kleinformat! Wagners "Tristan und Isolde" möchte ich lieber als Oper sehen.
"Der Zauberbaum" von Sloterdijk bietet eine richtig gute (unglückliche, tragische oder doch glückliche?) Liebesgeschichte. Sloterdijk ist ein fantastischer Dichter, das Buch von ihm ist mehr als ein Geheimtipp.
Gruß
Hyperion
LX.C - 07.03.2007 um 13:53 Uhr
Zitat:
Wagners "Tristan und Isolde" möchte ich lieber als Oper sehen.
Man sollte Äpfel nicht mit Birnen vergleichen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass Tristan großartig was mit Wagners "Tristan und Isolde" zu tun hat. Ist doch Wagners "Tristan und Isolde" nur kurzer Handlungsgegenstand in der Novelle. Ich finde die Novelle einfach prägnant ohne unnötige Umschweife auf den Punkt gebracht. Man erkennt sofort und nicht ohne Hohn, welch Typus Mann dem Leser vorführen will. Das mag ich persönlich so an dem Büchlein.
Zitat:
"Der Zauberbaum" von Sloterdijk
Ist das der Philosoph Sloterdijk? Wovon handelt das Buch im Speziellen?
Gast873 - 07.03.2007 um 15:37 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 15:38:52 am 07.03.2007 editiert
Jawohl es ist der Roman des als Philosophen bekannnten Peter Sloterdijk. Im Roman "Der Zauberbaum" (erschienen ´87 bei Suhrkamp) geht es unter anderem um tiefen-psychologische Handlungsstränge des animalischen Magnetismus, Mesmerismus, Hypnose und einer großartigen Liebesgeschichte, die literarisch miteinander verschränkt sind. Man wird auf ein historische Zeitreise geschickt, die ohne gleichen Bilder des revolutionären Frankreich ins philosphische Bewusstsein des Lesers exzentrisch und theatralisch, aber mit Tiefgang und poetischer Fantasie, einritzt.
Seit dieser phänomenalen Lektüre, bin ich ein Sloterdijk-Fan geworden. So ein Buch zu schreiben, ist höhere Kunst des denkenden Menschen. Es ist ein philisophisch-psychologischer Roman der Extra-Klasse! Wirklich empfehlenswert.
Gruß
Hyperion
LX.C - 07.03.2007 um 22:55 Uhr
Bei deiner Beschreibung bekommt man den Eindruck, das Werk ist einer dieser metaphysischen Hefekuchen. Worum dreht sich denn nun die Handlung? Kann man das in prägnanten Worten ausdrücken?
Gast873 - 08.03.2007 um 11:35 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 11:42:12 am 08.03.2007 editiert
Das Werk ist alle Mal ein philosophischer Roman, ganz nach meinem Gusto. Ein junger Arzt namens Jan van Leyden reist von Wien nach Paris, um berühmte Psychologie-Pioniere seiner Zeit kennnen zu lernen. ER selber ist dabei ein polymorpher, erotisch empfänglicher Psychonaut. Das wäre so der rote Faden des Romans. Dabei begegnet er, wie auf einer Odyssee, seinem Mentor, seiner Circe, und den Menschen des gesellschaftlichen Lebens in Paris der vorrevolutionären Zeit, bevor es losgeht. Man könnte sagen, eine Art "Zauberberg" schwingt indirekt mit, nicht alleine des Titels wegen, aber primär wird dort der Versuch unternommen, die Anfänge der Psychoanalyse literarisch und episch auszuloten, den hilfsbedürftigen Menschen zu verstehen, bevor die Köpfe gerollt hatten. Eine Brücke zwischen der Fiktion und Realität wird dort geschlagen, indem Sloterdijk die Ironie und philosophischen Witz gekonnt in seinen Dialogen einfließen lässt. Ähnlich wie bei den Dialogen von Paul Valery, meiner Meinung nach.
Gruß
Arjuna - 08.03.2007 um 15:47 Uhr
Danke Hyperion,
den Sloterdyk wollte ich schon lange mal lesen - aber man kommt ja zu nix.
Jetzt ist es so weit, jetzt wird er gelesen,
und, da ich Paul Valery verehre,
verabschiede ich mich mit seinem netten Ausspruch:
"Ich bin nicht immer meiner Meinung"
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