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-- Lyrik
--- Schläfrig

Arjuna - 03.03.2007 um 17:40 Uhr

Ein Ohr
zugeneigt
den schläfrigen
Zeitzeugen:
Der geformte Mensch
fordert seinen Lohn
und bequemt sich
zu sprudeln und zu zischen
wie ein Autoreifen,
der Luft ablässt
oder Wasser
aus einem gebrochenen Rohr.




Michael - 09.03.2007 um 09:32 Uhr

Hallo Arjuna,

Dein Text fällt mir dadurch auf, dass er mich anspricht, zum Nachdenken anregt und Fragen offen läßt.
Nach Hebel und Toller ist es Aufgabe der Literatur, die schlafende Welt zu wecken? Ist es da nicht ein bisschen wenig, dem pfeifend und zischend vor sich hin schnarchenden Schläfer ein gnädiges Ohr zu leihen? Mitleid gebührt diesem nach DIN491 geformten Menschen nicht, denn nach Kant ist seine Unmündigkeit ja selbstverschuldet.. Der Zauberlehrling in seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit schläft trotz Wasserrohrbruch weiter als sei nichts geschehen. Im übertragenen Sinn ist das zerbrochene Rohr noch endgültiger, noch hoffnungsloser als der zerbrochen Stab. Das zerbrochene Rohr heißt in diesem Zusammenhang für mich: bewußte Verweigerung der Aufklärung.
Herzliche Grüße Michael




Arjuna - 09.03.2007 um 14:16 Uhr

Lieber Michael,
Herzlichen Dank für dein Interesse und ebenso für deine Interpretation.
Darüber freue ich mich.

Du hättest aber nicht so viele Herren bemühen müssen -
Herr Toller - ich liebe ihn - hat sicher Maßstäbe gesetzt - die anderen Herren auch..
aber ich setze die Meinen "meinig".

Wahrscheinlich
konnte ich meine Intention nicht deutlich machen, mein Fehler.

Versuchen wir´s:
Ich neige mich zum Zeitzeugen,
um zu erlauschen,
ob er aus der Schläfrigkeit erweckbar ist .
Da er - noch geformt,
jetzt doch (seinen Lohn fordert),
"sich bequemt" -
ist er in der Aktion angekommen.
Nun zischt und sprudelt es aus ihm heraus.

Das Zerbrochene des Rohres und das Zusammengefallene des Reifens symbolisieren
die Untauglichkeit alter Rituale.
Will heißen :
Der geformte Mensch erwacht langsam zur Mündigkeit und Tatkraft.
Aufbruch zur Erneuerung.
Mehr wollt ich gar nicht sagen!

Lieben Dank nochmal und ebenso liebe Grüße, A




LX.C - 09.03.2007 um 16:13 Uhr

Wahrscheinlich wider deiner eigenen Interpretation, gefällt mir das Gedicht als Verbildlichung des bequemen Menschen, der Couch liegend bei Chips und Cola nur noch vor sich hinzischend und brabbelnd auf das Zeitgeschehen reagieren kann. Seine träge, bequeme, belanglose Art des Protestes verzischt zu Nichts.

Toller ist großartig. Zumindest in dem Punkt scheinen wir uns alle einig zu sein :-)




Arjuna - 09.03.2007 um 16:22 Uhr

Ein Hoch auf Toller, und zwar im Ernst .



unverwundbar - 21.03.2007 um 19:34 Uhr

Mir sagt sehr die Melodik deines Gedichtes zu, Arjuna, auch wenn sich die Phonetik eher inkongruent zu dieser verhält, was ich latent bedauere. Aber ansonsten sehr schön.

a.




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