Zitat:
Echte Lyriker wie Jessenin dichten nie zu viel. Da sie nicht von dieser Welt sind (oder nur halb und sozio-ökonomisch nicht der "Norm" entsprechen), verstummen und verschwinden sie als Lebende immer schnell genug. Mag ihr Schicksal oft tragisch sein, so haben sie, da sie in ihren Werken relative Unsterblichkeit erlangten, doch ihren Platz bei den Göttern.
Was für ein geradezu reaktionäres Kunstverständnis spricht aus diesen Zeilen ? - Der tragische Dichter, der Arme Poet à la Spitzweg, La Bohème etc. pp ?
Der Künstler, der mit seinem Werke ringt, ja daran zerbricht, jedenfalls geradezu heroisch leidet - ach Gott, wüssten solche [Zensiert]en wie ich doch nur, wie sehr man unter echter Begabung zu leiden hat !
Das künstlerische Betätigung etwas schönes und lustvolles sein könnte - schon mal auf die Idee gekommen ?
Das Gedichte auch lustig sein können, ohne flach zu sein - mal was von gehört ?
Aber Lust, Freude, Leben - das sind ja alles diesseitige Begriffe, der Dichter ist ja nur halb von dieser Welt, mit seiner anderen Hälfte steht er ja schon im Grab, in der Unsterblichkeit, im Nachruhm usw.
Arno Schmidt hat - in "Aus dem Leben eines Fauns" - diese Nachruhms-Verliebtheit schön karikiert, indem er den ich-Erzähler davon träumen lässt, ein berühmter Toter zu sein.
Ich habe so den Verdacht, daß so mancher Dichter nichts sehnlicher wünscht, als tot und berühmt zu sein, so wie Schiller z.B.
Schiller z.B. würde sich indessen mit 5000 upm im Grabe umdrehen, wenn er mitansehen müsste, wie sein Nachruhm aussieht, die Strassen, die nach ihm benannt sind, die Schulkinder, die sich mit ihm Abquälen, und die Frau Kalb und den Herrn Ochs, die in Abendkleidern seinen Stücken applaudieren !
Wenn ich mir so anschaue, welche Lyrik manchen Leuten aus den Sekretionsdrüsen ihres melancholischen Gemüts herausquillt, dann meine ich schon, so manchem bekäme eine Begegnung mit einem fähigen Psychotherapeuten besser, als die mit einem Verleger.