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-- Prosa
--- Die krumme Tanne
hei43 - 05.12.2006 um 18:38 Uhr
Die krumme Tanne
„Seit vielen Jahren“, so fing die Tanne an zu erzählen „stehe ich nun schon in diesem schönen Tannenwald und möchte gerne mal erzählen, warum ich zur krummen Tanne wurde.
Als ich noch klein war, gesellten sich etwas größere Artgenossen neben mich und nach einiger Zeit geschah es, daß sie mich Tag für Tag mit ihren weit auslaufenden Ästen bedrückten. Das tat mir weh, doch keiner wollte mein Jammern hören. Nach und nach wuchsen sie immer höher und wurden wunderschön. Ich dagegen wurde immer krummer und meine Spitze mußte sich ständig nach unten beugen.
So konnte ich aber hören, was die Menschen sagten, wenn sie im Herbst kamen, um sich die schönsten Tannen auszusuchen. Ich erfuhr, daß jährlich welche abgesägt werden sollten, um in die warmen Stuben der Menschen gebracht zu werden. Jedes Jahr zur selben Zeit findet nämlich zur Wintersonnenwende ein Fest statt, das auch Weihnachten genannt wird. Tannenbäume werden dann in kunstvolle Ständer gestellt und mit Kugeln, Lametta, Süßigkeiten und Kerzen geschmückt. Sogar große und kleine Geschenke werden unter den Baum gelegt. So erzählte man sich. Das berichtete ich all den Schönen neben mir, und sie sahen sich schon in herrlichem Glanz bei den Menschen stehen.
Eines Tages kamen ein paar Männer zu uns und der eine von ihnen rief:
‚Kommt mal her, hier stehen prächtige Exemplare, gerade die richtige Höhe für unsere Stadt!‘.
Sachlich wurden die Erwählten begutachtet und mit weißer Farbe markiert. Ich wurde zwischen all den Schönen von niemandem bemerkt, nicht mal angesehen. Es machte mich traurig.
Darauf hörte ich eine der Tannen noch hochmütig sagen:
‚Habt ihr gesehen, wie sie uns von allen Seiten bestaunten? Sie wollen uns zum Fest der Menschen bringen!‘.
‚Ach!‘, rief ich ihnen von unten entgegen ‚ auf meine Kosten seid ihr so gewachsen, habt mich stets unterdrückt und mich krumm und schief werden lassen!‘.
Die Schönen hörten gar nicht auf meine Worte und wiegten sich eitel im Wind.
Einige Tage später kamen erneut Männer, nur dieses Mal mit Äxten und Sägen unterm Arm und fingen gleich an, am unteren Ende der ausgesuchten Tannen zu sägen.
‚Aua, aua!‘, jammerten alle durcheinander, doch keiner vernahm ihr Gestöhne.
Doch wie sollte oder konnte ich helfen? Es dauerte nicht lange, da lagen die Tannen abgesägt am Boden. Letzte verzweifelte Seufzer drangen in meine Richtung. Ihr Sterben machte mich sehr traurig, auch wenn sie mich nie gut behandelt hatten. Sie wurden auf großen Lastwagen abtransportiert, und ich sah sie nie mehr wieder.
Jetzt stand ich da, ganz alleine und von allen verlassen. Mein krummes Aussehen kam jetzt erst richtig zur Geltung. Es dauerte Tage, bis ich begriff, was geschehen war.
Neugierig kamen die vielen Tiere des Waldes näher und staunten, denn erst jetzt bemerkten auch sie, wie krumm ich wirklich war. Die Vögel flogen herbei und setzten sich abwechselnd auf meine Äste, die nach einer Seite hingen. Die Hasen hoppelten im Kreise, Rehe und Hirsche zupften zart an meinen Nadeln, als wollten sie mich trösten. Eichhörnchen sausten kreuz und quer und zeigten mir ihre Zuneigung.
‚Was ist bloß los!‘, rief ich ihnen zu, ‚was ist denn geschehen, daß ihr alle vor Freude hüpft und springt?‘.
‚Wir haben auf diesem Platz jetzt nur noch dich!‘, sagte mit tiefer Stimme der Hirsch und das Reh stimmte nickend zu.
‚Du hast uns immer vor Kälte, Wind und Schnee beschützt. Hast dich sogar zu uns niedergebeugt und freudig zugeschaut, wenn wir hier rumtollten!‘, bemerkte ein alter Hase.
Ein Eichhörnchen rief begeistert:
‚Du hast mir oft Tannenzapfen geschenkt und mich an dir rumtoben lassen!‘.
Und so erzählten alle Tiere von ihren Erlebnissen mit mir. Als krumme Tanne konnte ich noch viele Jahre glücklich und zufrieden leben!“.
© Heidrun Gemähling
mala - 06.12.2006 um 16:31 Uhr
Hallo hei43,
Deine Geschichte ist nett geschrieben und zeigt mir Naturverbundenheit. Allerdings gibt sie mir darüber hinaus nichts. Es fällt mir schwer, die als Parabel zu sehen. Ich hätte mir einen Bruch gewünscht. So, wie sie dasteht, trägt sie eine ´Moral´, die mich nicht begeistert: Der ewig herumgeschubste, nicht zur Kenntnis genommene Baum wird dank seiner vermeintlich fehlenden ´Schönheit´ eines Tages ´entdeckt´ , und weil er nun allein dasteht, bekommt er Aufmerksamkeit, die er zuvor nicht gekannt hat.
Dabei scheint ihm zu gefallen, dass Andere mit ihm was erlebt haben - das alles klingt mir zu klischeehaft nach: Halte durch! Lass Dich unterdrücken. Eines Tages wird die Sonne auf Dich scheinen und Deine innere Schönheit preisgben, alles wird Dich lieben.... usw.
Hhhmm. Ist nicht so ´meins´.
Aber wie gesagt: Mir fehlt auch die Möglichkeit der ´Umsetzung´ von der Tanne zum Menschen. Vielleicht soll es auch religiös daherkommen und Demut anmahnen? - Keine Ahnung -
Grüße
mala
hei43 - 06.12.2006 um 21:05 Uhr
Hallo Mala,
an eine Parabel habe auch nicht gedacht. Doch einige Punkte entsprechen dem menschlichen Miteinander. Es gibt immer Unterdrücker und welche die unterdrückt werden.
Die krumme Tanne wurde sich ihres Aussehens bewußt, als sie alleine dastand, außerhalb der Menge, doch fand sie wieder neue gute Freunde. So entstand eine neue Gemeinschaft , die sich einander erfreuten.
Im Mittelpunkt wollte sie nie stehen. Das ist meine Erklärung dazu.
Vielen Dank, daß Du Dich geäußerst hast und mir Deine Gedanken mitgeteilt hast,
LG Heidrun
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