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-- Prosa
--- Vergeltung. Tauschgeschäfte zwischen Gott und mir.

Wittgenstein - 16.11.2006 um 21:48 Uhr

Vergelt’s Gott? Wieso soll er es vergelten und was soll er überhaupt tun, ohne uns das Sehen zu vergällen? Soll er es unentgeltlich machen? Oder eine spirituelle Mahngebühr einheben, wenn wir versuchen, uns ihm zu nähern? „Vergelt’s Gott“ als Kaufvertrag, dessen Paragraphen und Artikel schlagend werden, wenn wir uns ewige Fragen stellen? Sind wir überhaupt in der Lage, uns ewige Fragen zu stellen? Gelten unsere Sprachmöglichkeiten überhaupt soviel, dass wir dorthin vorzudringen das notwendige Kapital haben? Zu welchem Preis können wir diese Fragen denken? Müssen wir unser geistiges Eigentum, unser Denken, das uns erst in die Lage versetzt hat, Gott zu entewigen, einlösen?
Ich muss mich auf den Kopf stellen, um diese Gedanken aus meinem Kopf rülpsen zu können. Wenn ich mich dann auf den Kopf gestellt habe, geschehen merkwürdige Dinge: Ich habe meinen Kopfstand so nahe an der weiß getünchten Wand meines Zimmers erturnt, dass die ausgerülpsten Worte von ihr abprallen und auf mich zurückfallen; sie verändern sich jedoch; sie bilden ein Echo, das von der Wand an meine Ohren zurückhallt. Was hör ich da – verkehrt auf meinem Kopf stehend, wobei mir mit der Zeit schwindlig wird, weil mir das Blut in den Kopf fließt, die Augen scheinen mir schon aus dem Gesicht zu platzen? „Amen! In drei Teufels Namen, Amen!“, plärrt es von der kahlen Wand zurück. Mir geht die Kraft aus und ich stürze aus meinem Handstand auf das Parkett zurück, wobei sich die Welt wieder in gewohnte Perspektive dreht. So bleibe ich dann einige Minuten liegen und vergelte mir das Glauben mit einem süffisanten Lächeln.




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