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-- Rezensionen II
--- Sebastian Haffner - Preussen ohne Legende
Kroni - 12.11.2006 um 15:12 Uhr
Haffner, zurecht berühmt für seine Anmerkungen zu Hitler, mit denen er all diejenigen verblüffte, die da meinten, zu Hitler gäbe es nichts mehr neues zu sagen, wendete sich in den siebzigern auf ähnliche Art und Weise dem Thema "Preussen" zu. Es wurde ein "Stern-Buch" daraus, unter der Flagge der Illustrierten - und es ist auch ein illustriertes Buch; geschickt illustriert, muß man anmerken. Die Auswahl der reproduzierten Bilder und Fotographien unterstützt den Text, fasst ihn zusammen, liefert neue Perspektiven.
Haffners Text kann verstanden werden als ein Essay zur preussischen Geschichte. Seine Kernthese ist eine Antithese zur Legende Preussens als historischer Kernzelle des späteren Deutschland.
In der Entstehungsgeschichte des Herzogtums Preussen als Ordenstaat der Deutschritter sucht Haffner die Grundprinzipien des Preussentums auf: das kriegerisch-militärische ebenso, wie die konfessionelle Toleranz, die Effizienz und Verlässlichkeit der Verwaltung. Er beschreibt Preussen als Nicht-Nation, als Inkarnation eines idealen Staates, wie er Hegel vorgeschwebt haben mag: reiner Staat - und sonst nichts - definiert durch seine Dynastie und deren Herrschaftsweise.
Großes Augenmerk wird dabei auf den Umstand gelegt, daß Preussen eigentlich eine multikulturelle Angelegenheit war: Polen, Wenden und Kaschuben finden sich dort ebenso wieder, wie "Reichsdeutsche", Österreicher und Franzosen, für die Brandenburg-Preussen ein Fluchtpunkt vor religöser Verfolgung gewesen war.
Er beschreibt Preussens allmähliches Hineinwachsen in den Kreis europäischen Großmächte als ein Produkt von vorurteilsfreier (negativ: prinzipienloser) Pragmatik seiner Dynasten, die wuchsen, um sich behaupten zu können. Schnell und geräuschlos erfolgten die Integration und Assimilation aller möglicher Gebiete und ihrer Bewohner. Es hat was für sich, wenn Haffner das Preussen seit dem großen Kurfürsten als den seinerzeit modernsten Staat beschreibt, der in der Katastrophe der napoleonischen Kriege umstandslos bereit war, das insofern modernere Frankreich zu kopieren, um wieder vorne mitmischen zu können - Selbstbehauptung um den Preis der Selbstverleugnung, was ein zweites Mal geschieht, als sich um die Mitte des 19. Jahrhunderts der Nationalismus als beherrschendes Prinzip präsentiert. Preussen geht wieder mit der Mode, und nutzt ihn zur Eroberung "Deutschlands", das unter seiner Führung erst entsteht.
Doch mit dem Aufgehen Preussens in Deutschland beginnt das "lange Sterben" (Haffner), von Wilhelm I. melancholisch vorausgesehen. Haffner widersteht der Versuchung, ab 1871 Deutsche Geschichte zu erzählen - er tut sie kurz ab, setzt sie als bekannt voraus, und bleibt beim allmählich verlöschenden Preussen. Den "Preussenschlag" von 1932 - die Absetzung des Ministerpräsidenten Braun durch den Reichskanzler v.Papen - sieht Haffner als Todesstunde des Staates Preussen, dessen förmliche Auflösung durch den Allierten Kontrollrat 1946 nur noch ein deklaratorischer Akt gewesen war.
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