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--- Die Metapher
bodhi - 01.09.2006 um 20:13 Uhr
In einem Nachwort zu der Oh Sae-young-Lyrik fand ich den Satz:
Zitat:
Die Metapher ist die Brücke zur Wahrheit
Ist sie das?
Nash D.Hendriks - 01.09.2006 um 20:40 Uhr
Ja, doch. Bei Literaten und sonstigen Wortakrobaten ein eleganter, geschwungener Überweg zur Pointe. Bei allen Anderen ein feiges Dipomatenbauwerk mit extrahohem Geländer.
Shiningmind - 02.09.2006 um 00:33 Uhr
Die Metapher als Gleichnis des Ungleichen? Von dieser Seite aus gesehen muss sie eine Verbindung und somit auch eine Brücke sein. Die Frage ist nur, ob sie auch zur Wahrheit führt. Vielmehr will ich sie als Deutungsbild des Dichters betrachten, die sich in das Konzept "Werk" als künstlerische Widerspiegelung der eigenen Wahrheit einbettet. Betrachtet man dieses Zitat, ist es wichtig zwischen Wahrheit (subjektiv) und Wirklichkeit (objektiv) zu unterscheiden. In dem Falle gibt das Zitat in meinen Augen nicht mehr her, als die übliche Definition von Metapher als die Verbindung zwischen zwei von einander unabhängigen Sinnbildern zur Veranschaulichung der dichterischen Wahrheitsperspektive. Allerdings ist es eine gute Idee, die Metapher mithilfe einer Metapher zu erklären.
LX.C - 02.09.2006 um 11:52 Uhr
[Quote]es ist aber bei weitem das Wichtigste, dass man Metaphern zu finden weiß. Denn dies ist das Einzige, das man nicht von einem anderen erlernen kann, und ein Zeichen von Begabung.
Aristoteles: Poetik, Reclam, Stuttgart 1994, S. 75. [/Quote]
Franklin Bekker - 02.09.2006 um 16:49 Uhr
metaphern bestehen aus worten, worte kann ich auf ein haufen zeug beziehen... auf personen, charaktäre, identitäten, sinn, gott, diskurse, wahrheit und wahnsinn. man kanns aber auch lassen. dichter und wahreit? aber bitte das hatten wir doch schon. wie solte also sein liebstes werkzeug nun ihn an die wahrheit fesseln? wie schlecht muss man eigetlic erzählen um zu schreien: so hört mir doch zu, ich sage die wahrheit.
Gast873 - 05.09.2006 um 00:44 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 00:47:01 am 05.09.2006 editiert
Ich stimme dem Aristoteles-Zitat von LX.C zu, weil damit der poetische Nagel auf den Kopf getroffen wird, und füge noch hinzu, dass wir alle nicht anders als in Metaphern reden können, dass wir außerhalb der Metaphern gar nichts mehr hätten, was als das "Schöne" in der Sprache genannt werden kann.
Gruß
Hyperion
bodhi - 25.12.2006 um 19:34 Uhr
Diese Nachricht wurde von bodhi um 19:35:22 am 25.12.2006 editiert
Eine moderne Definition, aus Wahrig Deutsches Wörterbuch, Ausgabe Dezember 2006:
[Quote]Metapher(f.21; Rhet.) bildl. Ausdruck, z. B. "Segler der Lüfte" statt "Wolken" [<grch. metaphora "Übertragung"; zu metapherein "anderswohin tragen; übertragen"]
Die Weihnachtsfeiertage sind ein Energiestau im oberen Bronchienbereich.
LX.C - 26.12.2006 um 12:22 Uhr
Diese Nachricht wurde von LX.C um 12:28:16 am 26.12.2006 editiert
Die moderneren Richtungen ersetzen die Metaphern durch Chiffren. (z.B. Expressionismus, Dadaismus)
[Quote]Der Unterschied zwischen modernen poetischen Chiffren und traditionellen Metaphern, Symbolen oder Allegorien besteht darin, dass der Sinn der Chiffren nicht nach einem konventionellen Schlüssel zu verstehen ist; weder die Gewohnheiten der Sprache und Literatur noch die gewohnten Wirklichkeitsvorstellungen reichen dazu aus. An derart chiffrierte moderne Dichtungen darf der Leser nicht gewohnte Bedeutungen herantragen. Vielmehr muss er die inneren Bedeutungsbeziehungen der Texte erst aufspüren, indem er die "Selbstsprache" (Novalis) des Textes lernt und damit erst seine besondere Bedeutung versteht. Das chiffrierte Gedicht erschließt sich nur aus sich selbst, die Chiffresprache eines Dichters aus seinem Werk, und die Chiffre einer Epoche müsste man aus vielen Dokumenten verstehen lernen [...]
Quelle: Bertl / Müller: Vom Naturalismus zum Expressionismus, Literatur des Kaiserreichs, Klett Verlag, Stuttgart 1984, S. 97. [/Quote]
Beispiele für Chiffren finden sich auch im [url=http://www.versalia.de/archiv/]Versalia Klassiker-Archiv[/url], z.B. Dichtungen der Expressionisten Heym und Trakl.
unverwundbar - 26.12.2006 um 17:10 Uhr
"Selbstsprache" (Novalis) empfinde ich als angenehmes Stichwort - Metaphern sind reine Transportmittel, das sind sie qua Vergleich, und sie überwinden diesen Status als Transportmittel, deren Steuerung nicht dem sie verwendenden Autor obliegt, nicht, was heißt, dass der Autor das (metaphorische) Denken nicht kontrollieren kann. Eine Metapherngeilheit also versagt dem Leser die Stimme des Autors, weil jener Schwall an metaphorischen Bissen das Gleiten des Sinnes forciert, was in einer chronischen Dissemination (Derrida), also einer Ausstreuung, Zerstreuung, "mündet".
Ich halte eine unaufhörliche Metapherndekonstruktion für unabdingbar. Metaphern als "das Schöne der Sprache" zu deklarieren, erscheint mir zu dünnhäutig, das so genannte und immer fragwürdige "Schöne" ist doch gleichwohl Anspruch an das Tiefe, Ästhetik also als Schönheit der Tiefe.
Die unaufhörliche Metapherndekonstruktion soll nicht das semiotische Dreieck abweisen, aber natürlich die Vermutung eines direkten Bezugs wie zwischen Signifikant und Signifikat negieren - es mutet heute eher reaktionär an, eingefahrene - beinahe: heilige - Weisheiten zu zertrümmern oder zumindest ins Wanken zu bringen und von daher ist es nicht wenig elementar, dem wie auch immer gearteten Kunstverständnis strukturalistisch zu begegnen, dass man sich irgendwann im "Verständnis" auch bewegen kann; dass man jene romantische Autoren-Figur negiert, die durch ihren Genius eine Absicht intendiert. Metaphern beschwören eine Referenz für Wahrheit, die außerhalb des Textes liegt, und also halte ich Dekonstruktion für den einzig veritablen Ansatz.
Kroni - 26.12.2006 um 19:16 Uhr
Sir Basil Liddell Hart, der bedeutenste Militärschriftsteller des 20. Jahrhunderts, hat in seinem fundamentalen Werk "Strategie" die Auffassung vertreten, am erfolgsträchtigsten sei die "indirekte Strategie", die das Ziel nicht auf direktem Wege frontal angehe, sondern im Rücken, in der Flanke des Gegners angreife.
So ein Flankenangriff ist die Metapher - ermöglicht sie jedoch dem geneigten Leser, die Meinung des Autors als Ergebnis eines ureigensten Nachdenkens über das Gelesene zu identifizieren, und damit um so nachdrücklicher zu vertreten bzw. weitere Bücher eines solchen Autors zu kaufen, der dem Leser fast so klug erscheint, wie der Leser selbst.
Franklin Bekker - 09.01.2007 um 15:17 Uhr
Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 15:18:11 am 09.01.2007 editiert
Zitat:
metaphern bestehen aus worten, worte kann ich auf ein haufen zeug beziehen... auf personen, charaktäre, identitäten, sinn, gott, diskurse, wahrheit und wahnsinn. man kanns aber auch lassen. dichter und wahreit? aber bitte das hatten wir doch schon. wie solte also sein liebstes werkzeug nun ihn an die wahrheit fesseln? wie schlecht muss man eigetlic erzählen um zu schreien: so hört mir doch zu, ich sage die wahrheit.
was schreibt dieser mensch da eigentlich für einen blödsinn? man könnte es so sehen: Alle Wirklichkeit ist sprachlich eingeführt, der harte Kern ist konventionalisiert. Zur Konvention bieten sich allgemein erfahrbare Leiden an... so etwas wie Farbe und Temperatur und Form.
Metapher ist eines der stärksten Mittel, um solche Wirklichkeit einzuführen. Dabei will nciht jede eingeführte Wirklichkeit Konvention werden. Sie ist Wirklichkeit in einem Phantasiegebäude namens "Die Todesfuge" oder dergleichen.
Es gibt seltene Leiden und wahnsinnige Möglichkeiten der Wirklichkeitseinführung zu denen wir kaum Zugang haben, denn wir Leiden nicht am gleichen.
Auf jeden Fall würde ich sagen literarische Wahrheiten sind oft Wahrheiten (konstituiert durch Metaphern) für den Augenblick, vielleicht sogar für solch konkrete Augenblicke, dass die gefundenen Metaphern niemals nachvollzogen werden können.
Vielleicht wird man die Gemeinheit ertragen müssen, dass die Interpreten sagen: oh nein wir wollen dich interpretieren und wir werden deinen Augenblick finden, wir werden das Leid finden, das deine außersprachliche Wirklichkeit ist. Und das natürlich repektive der Wirklichkeitseinführung in den Chiffren.
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