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--- Der Weg ist das Ziel?

LX.C - 03.08.2006 um 00:54 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 00:59:44 am 03.08.2006 editiert

[Quote]Der Mensch ist nicht gemacht, um im Paradies zu leben. Er ist gemacht, auf dem Weg zu sein, in der Mühe, im Kampf, in der Herausforderung aller seiner Kräfte, das ist sein Paradies. Unterwegs hat er das Gefühl, ein Mensch zu sein, noch lebendig, noch gebraucht. Ist er irgendwo angekommen, bricht seine innere Welt zusammen, versiegen die Quellen.[/Quote]

Quelle: Wander, Fred: Ein Zimmer in Paris, Aufbau Verlag, Berlin und Weimar 1976, S.196.




Gast873 - 03.08.2006 um 00:59 Uhr

Das ist der pure und absolute Idealismus, demgemäß die Approximation an ein Ideal das eigentliche Ideal darstellt. Nichts ist so perfekt und so kugelrund, um mit Platon zu sprechen, wie die Idee einer Kugel.

Gruß
Hyperion




LX.C - 03.08.2006 um 01:29 Uhr

[Quote]die Approximation an ein Ideal das eigentliche Ideal darstellt[/Quote]

Was also übersetzt nichts anderes bedeutet, als dass der Weg das Ziel ist.

Nun ist ein Ideal nie erreichbar, aber ein Ziel. Und der Mensch verwendet häufig viel Energie, seine Ziele zu erreichen und verliert bei allem Kraftaufwand das Gespür für den Weg, das Leben. Und Leben heißt das primäre Ziel. Nun versuchst du dich sehr philosophisch auszudrücken, aber vielleicht ist dir rein empirisch schon einmal aufgefallen, dass ein erreichtes Ziel seine zuvor beigemessene Bedeutung verlieren kann. Der angekommene Mensch neigt dazu stumpfsinnig, einfallslos und träge zu werden, sich gehen zu lassen, wenn er nicht wieder aufbricht ist er verloren.




Gast873 - 03.08.2006 um 01:39 Uhr

Dass das Ideal nie erreichbar ist, stellt für einen Idealisten überhapt kein Problem dar, denn es kommt darauf an, sich diesem Ideal anzunähern. Für einen Realisten hingegen ist das Ziel erreichbar, aber deswegen enttäuschend weil er auf diesem Zustand des erreichten Telos beharrt und die Wirklichkeit als Mangel empfindet, vermöge der er ungücklich bleibt. Der Idealismus ist eine metaphysische Überbietung dieses mangelhaften und unperfekten Zustandes. Der Platonische Staat wird aus diesem Grunde die beste Utopie sein, die aber nie erreicht und da war, noch je wird erreicht werden können.

Gruß
Hyperion




LX.C - 03.08.2006 um 12:23 Uhr

Nun sind die Menschen gemeinhin keine Idealisten im philosophischen Sinne, sondern von der Existenz der realen Welt und der Einheit von Körper und Seele überzeugt. So stammt dieses Zitat auch von keinem Philosophen, der sich bei diesen Worten Gedanken über Idealismus, Spiritualismus, Materialismus oder Realismus gemacht hat, sondern von einem Mensch, der alle (für uns kaum noch) erdenklichen Facetten des Lebens zu spüren bekam. Wie ich schon andeutete, soll es bei diesem Beitrag weniger um irgendeine Schulbuchphilosophie gehen, sondern viel mehr um persönliche Erfahrungen, Meinungen und Lebenseinstellungen. Trotzdem danke für deinen theoretischen Unterbau.



Marc - 05.08.2006 um 17:55 Uhr

[Quote]Der Mensch ist nicht gemacht, um im Paradies zu leben. Er ist gemacht, auf dem Weg zu sein, in der Mühe, im Kampf, in der Herausforderung aller seiner Kräfte, das ist sein Paradies. [/Quote]

Mühe und Kampf mögen für den Autor Fred Wander das Paradies sein, für d e n Menschen gewiss nicht. Ich halte es für das, was es ist: Mühe und Kampf. Das ist nicht das Paradies, es sind Dinge, die den Menschen nach der Vertreibung aus dem Paradies erwarten. In meinem Verständnis ist das Paradies der Ort, wo ich mich zu Hause fühle. Dies kann auch unterwegs sein. Der Mythos vom Paradies ist ein Sinnbild für dieses Zuhause, das wesentlich innerlich zu verstehen ist. Man kann sich dieses Zuhause auch in den Mühen und Kämpfen des Lebens bewahren, man darf diese aber nicht mit dem Paradies verwechseln. Das «Paradies» findet sich konkret eher in den Augenblicken der Vergegenwärtigung, des Innehaltens, des Schauens, des Tuns, des Nachdenkens, des Gesprächs. Gelingt es dem Menschen da zu leben, wird er sich vor dem Ankommen nicht mehr fürchten, denn das Ankommen verliert jegliche Bedeutung, ebenso die gesteckten Ziele. Sie waren Chimären, ein Teil der Leere, die er fürchtete und vor der er davon rannte.




LX.C - 05.08.2006 um 19:23 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 19:36:23 am 05.08.2006 editiert

[Quote]Das «Paradies» findet sich konkret eher in den Augenblicken der Vergegenwärtigung, des Innehaltens, des Schauens, des Tuns, des Nachdenkens, des Gesprächs.[/Quote]

Also doch unterwegs? So scheint es Fred Wander doch gemeint zu haben. Unterwegs sein bedeutet ja nicht physisch von Punkt A zu Punkt B, sondern sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen. Im Erreichten zu verweilen kann sehr destruktiv sein. Auch wenn der Mensch aus Trägheit dazu neigt. Ziele sind lebensnotwendig, ihr Erreichen wichtig, doch dürfen sie nie einen Endzustand darstellen (?) Sie sind nichts als ein neuer Ausgangspunkt. Und so strebt der Mensch fort und findet sein Paradies "unterwegs".




Franklin Bekker - 05.08.2006 um 19:50 Uhr

Nun... manches wollen wir, um den Weg nicht gehen zu müssen. Verständnis zum Beispiel wenn wir uns nicht verständigen wollen...

Am Ende geht es vielleicht nicht darum was nun das Ziel ist das Ziel oder der Weg, vielleicht haben wir nicht einmal zu entscheiden, was das dem Leben dienlichere ist. Auf dem Weg zum Plumsklo schleppe ich ein paar Diestelsamen mit mir herum...

Aber man kann beobachten wer auf welche Weise über das Leben redet. Der ein Ziel hat schert sich nich um den Weg und der keins hat wäre schon froh einen Weg zu haben.

Und außerdem gehts immer ums Leben oder gehts nicht manchmal um mehr?




LX.C - 05.08.2006 um 22:17 Uhr

[Quote]Der ein Ziel hat schert sich nich um den Weg[/Quote]

Derjenige, der sich um den Weg nicht schert, ist arm dran, er verpasst das Wesentliche am Leben.

[Quote]Und außerdem gehts immer ums Leben oder gehts nicht manchmal um mehr?[/Quote]

Vielleicht geht’s auch um einen zufriedenen Tod. Vielleicht ist dies das höchste aller Ziele.




Mania - 08.08.2006 um 11:56 Uhr

Unsterblichkeit ist das höchste aller Ziele.



Anastasia - 12.02.2007 um 20:28 Uhr

Kann man vielleicht sagen, der Mensch wird angetrieben von seiner Vorstellung/ der Idee einer gewissen Vollkommenheit, welche er evt. damals im "Paradies" mit dem "Apfel der Erkenntnis" aufgenommen hat. Aufgrund seiner eigenen Unvollkommenheit versteckte er sich allerdings vor der reinen geistigen/ göttlichen Vollkommenheit und versucht nun selbst als unvollkommenes Wesen sich der Vollkommenheit zu nähern.

Hier mal eine kleine Frage: Wer würde sich ständig in der Gegenwart eines Menschen wohlfühlen, der die Gedanken seiner Mitmenschen lesen kann?? Jeder würde sich in der Gegenwart dieses Menschen bloß / "geistig nackt" fühlen (wie Adam und Eva im Paradies) und auf Abstand gehen, oder? => darum glaube ich auch, dass sich kein Mensch im Paradies/ Himmel oder an ähnlichem Ort, aufgrund seiner eigenen Unzulänglichkeit, wohlfühlen würde.

Aus diesem Grund ist auch in meinen Augen das übergeordnete Ziel im Leben das Anstreben von Vollkommenheit/ Perfektion! Sehen kann man das auch schon in vielen menschlichen Erfindungen, wie z.B. der biologischen Auslese um den perfekten (!?) Menschen zu schaffen oder in sämmtlichen Erfindungen, die uns schützen und nicht altern lassen usw. ...




LX.C - 13.02.2007 um 17:53 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 18:14:38 am 13.02.2007 editiert

[Quote]Aus diesem Grund ist auch in meinen Augen das übergeordnete Ziel im Leben das Anstreben von Vollkommenheit/ Perfektion![/Quote]

Das widerspricht sich meiner Meinung nach mit deinem vorherigen Beitrag.
Vollkommenheit und Perfektion sind nicht machbar, ihnen aufgrund eines übergeordneten Vorbildes nachzurennen schafft Dissonanzen, folglich Anspannung und Disharmonie. Nach Verbesserung sollte man im Rahmen seiner Möglichkeiten immer streben. Versuchen, das Beste aus sich rauszuholen, nach seinen ganz eigenen kognitiven und affektiven Gegebenheiten. Ist man an einem Punkt angelangt, an dem man an Grenzen stößt, an dem man kraftraubend und gesundheitsschädigend gegen die berühmte Wand rennt, sollte man einen neuen Weg einschlagen. Der Schlüssel zum Glück liegt nicht darin, Vollkommenheit als höchstes Ziel anzustreben, sondern sich einzugestehen, unvollkommen zu sein und vor allem sein zu dürfen.




Gast873 - 13.02.2007 um 18:05 Uhr

Zitat:

Aber die Liebe, die sich am bloßen Anschauen der Vollkommenheit begnügt, kann nie von der Weisheit verdammt werden. Sie ergetzt sich an Tugend und innrer Güte, an Schönheit, dem Leibe der Tugend, und an Anmut, ihrer sichtbaren Ausstrahlung, ohne daß dieses Wohlgefallen eine andere Wirkung haben sollte, als den angebornen Trieb der Seele nach Vollkommenheit auf sich selbst zu richten, damit sie sich bestrebe, die Schönheit, die sie außer sich bewundert, auch in sich hervorzubringen.

Aus: Wieland "Araspes"

Gruß
Hyperion




Anastasia - 13.02.2007 um 19:06 Uhr

Diese Nachricht wurde von Anastasia um 19:31:43 am 13.02.2007 editiert

Diese Nachricht wurde von Anastasia um 19:25:49 am 13.02.2007 editiert

Hyperion, du hast schon recht, dass wir Menschen dieses Ziel der absoluten Vollkommenheit in diesem Leben auf dieser Erde nie erreichen können. Da wir schon alleine aufgrund unseres Körpers zeitlich sowie räumlich sehr begrenzt sind.
Allerdings ist eine Ahnung (eine Idee) da, welche uns glücklich macht, nämlich dass das Leben einen postiven Sinn hat und wir versuchen dieser Ahnung auf die Spur zu kommen. Diese Ahnung läßt uns forschen und an uns arbeiten. Da wir uns schwach fühlen, denken wir, dass wir mit aller Macht bezüglich unserers menschlichen Körpers perfekter/ stärker werden müssen (siehe Genmanipulation) um uns am Ende endlich frei, stark und geliebt zu fühlen. Ich denke allerdings, das ist ein Fehlschluss.
Alleine, dass wir vorranstreben um uns zu ändern, sollte uns Stück für Stück Glücksmomente bescheren, so fern wir unsere tieferen Ziele (siehe "Ziele im Leben") vor Augen haben. => "Der Weg ist das Ziel" ;-)

Ein zweiter Aspekt ist die Betrachtung der Vollkommenheit. Obwohl ich als Mensch eingeschränkt in meiner Handlungsweise bin, kann ich doch in mir und um mich Momente der Vollkommenheit verspühren und sie schaffen. Man könnte sagen, die Vollkommenheit/ Perfektion sogar in der anfangs angenommenen Unzulänglichkeit entdecken. Aus seiner Schwäche eine Stärke ziehen. Ich denke, so empfinden wir von Tag zu Tag mehr Harmonie und wir freuen uns mit anderen Mitmenschen auszutauschen und sie nicht aus Neid oder aus Egoismus wegzustoßen. Es ist zwar kein Mensch fehlerfrei aber gerade das macht ihn liebenswert und läßt auch die unterschiedlichsten Arten von Harmonien zu. - "Wenn du weißt, dass du nichts weißt, weißt du im Grunde schon sehr viel" -

Hätte man allerdings keine Ahnung von einer allgemeinen Vollkommenheit (u.a. in vielen Geheimnissen der Physik und Biologie zu finden) würde man sich auch nicht mehr weiter bewegen. Erst durch das Streben nach innerer Vollkommenheit erleben wir Tag für Tag die unterschiedlichsten Seiten der Harmonie und des Glücks.




Gast873 - 13.02.2007 um 19:17 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hyperion um 19:23:11 am 13.02.2007 editiert

Zitat:


"Wenn du weißt, dass du nichts weißt, weißt du im Grunde schon sehr viel"

Hallo Anastasia,

Zeus, Licht und heilige Erde! Nicht von schlechten Eltern dieser Spruch. Laut Orakel von Delphi trifft es vorzüglich auf den weisesten Menschen im ganzen Kosmos zu, nur beim Anubis, ich habe noch keinen Sokratischen Bart. Ich begnüge mich mit der intellektuellen Anschauung dieser Idee, vermöge derer das Schöne, das Gute, das Wahre ich rational zu erfassen mich befleißige.

"Eros" ist die stufenweise Anschauung dieses Guten, Schönen, des Schönguten (kalokagathia), von der äußeren Schönheit bis zur inneren Tugendhaftigkeit (arete), qua Aufsteigen der Seele zu sich selbst.

Man muss mich aber nicht ernst nehmen, ich bin nur ein armer Philosoph, nur ein Narr.

Schönen Gruß
Hyperion




Anastasia - 13.02.2007 um 20:08 Uhr

Na so was... sorry Hyperion und LX.C, ich bin in diesem Forum etwas durcheinander gekommen. Bin, bis auf die letzten zwei Tage, schon lange nicht mehr hier gewesen.
Fand eure Anmerkungen aber auf jeden Fall sehr interessant!!

Liebe Grüße
Anastasia




LX.C - 14.02.2007 um 01:59 Uhr

Du hast aber eine Vollkommenheit, nicht im Sinne der Gegenwärtigkeit, sondern im Namen Gottes propagiert. Dieser Gott kann exemplarisch für nichtgläubige auch bezüglich eines x-beliebigen anderen materialistischen Vorbildes stehen. Das ist problematisch.



LX.C - 14.02.2007 um 02:03 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 02:06:27 am 14.02.2007 editiert

[Quote]Man muss mich aber nicht ernst nehmen, ich bin nur ein armer Philosoph, nur ein Narr.[/Quote]

Die praktische Philosophie scheint nicht dein Ding? Nur in ihr sehe ich einen Sinn. Die Philosophie als Selbstzweck ist mir zuwider!




Gast873 - 14.02.2007 um 14:14 Uhr

Diese Nachricht wurde von Hyperion um 14:22:59 am 14.02.2007 editiert

Du verstehst mich falsch LX.C, wir haben beide Kant (Metaphysik der Sitten) und Platon (Politeia) gelesen, und wissen, wie ich es eigentlich meine, abgesehen von der selbsbezüglichen "Liebe zur Weisheit", na ja wir wissen beide zumindest, dass echte Philosophie nie die Theorie alleine bildet, sie muss Lebenvollzug zugleich sein.

Das Zitat "Nur ein armer Philosoph, nur ein Narr", war eine Anspielung auf Nietzsches: "Nur Dichter, nur Narr"

Gruß
Hyperion




unverwundbar - 23.02.2007 um 23:31 Uhr

Vorweg: ich interpretiere Texte ungern in ihrem (geschichtlichen oder sonstwie) Kontext - ok: ich interpretiere Texte überhaupt sehr ungern und, um mir den letzten Rest an perspektivloser Coolness zu bewahren, rotze ich ein bukowskieskes "Sind doch alles Schwuc.hteln" hinterher - aber man kann Wanders Worte/"Erkenntnisse" ruhig als eine Art Hilflosigkeit deuten; denn was blieb ihm schon - sein Kind hat er auf elendige Weise verloren und seine Frau, wenn das so bäuerlich zu sagen ist, auch sehr unschön. Da kannst du entweder nur innerlich verrecken oder dich zu großen, doch aber irgendwie kaninchiös wirkenden Worten aufschwingen, die das Leiden als Weg zum Ideal propagieren (wollen).

Jetzt zum Philosophie-als-Selbstzweck-Gedanken: Das ist es doch nie. Nehmen wir den selbstzweckgeilsten unter ihnen, das schwurbelige Heideggerchen: selbst wenn er die vermeintlich unselige Meta-Ebene nie verlassen konnte, so ist doch das Denken auf dieser kein bloßes Abstraktum, sondern immer auch getrieben von dem sehr lebhaften Drang, immer mehr, immer Diffizileres zu erkennen, den Meta-Meridian geistig wohnhafter zu gestalten. Es löst nicht des Bürgertums Probleme, aber auch das ist nur eine vorderhand bemühte Aussage. Philosophie ist eben (auch) mehr als das Ausdrücken von Gefühlen.

a.




LX.C - 24.02.2007 um 00:00 Uhr

Na sehr schön. Nur hast du eins missverstanden, Wander propagiert nicht das Leiden als Weg zum Ideal. Dafür hat er zu viel von echtem Leid verstanden. Und was tut ein solch erfahrener Mann? Er propagiert den Weg selbst als Ideal, der niemals nur Freud oder Leid ist, sondern ständige Veränderung bedeutet. Wer sich bewegt, kann nicht stagnieren und somit auch nicht verzagen.



Kroni - 24.02.2007 um 02:05 Uhr

Das Ziel - ach ja, die Idealisten, die immer eine Fahne zum Hinterherlaufen brauchen, um nicht ständig zu stolpern, umzufallen, oder zumindest die Orientierung zu verlieren. Meinethalben, mögen sie ihren masochistischen Genuss am Anblick des Leuchtturms am Horizont haben, solange sie sich nicht den Weg dorthin mit Maschinenpistolen freischiessen wollen, wie die Idealisten der RAF, der Bolschewiki und der SS. Tjahm.

Es geht aber auch ne Nummer kleiner. Stellen wir uns mit Bömmel jaanz dumm, un dann sachemer mal so:

Also ich, weisste, ich bin Motorradfahrer, biker, wie man heute sacht. Klar fahr ich auch mitm Moped auffe Arbeit un so, un im Urlaub pack ich die Knacktüte un mein Mädel hinten druff, und ab gehts an die Riviera. Aba das alles is nich wirklich Motorradfahren.

Motorradfahren is, wennde morgens aufstehst, in die boots springst, die Kombi anziehst und den Helm überstülpst, deinen Bock anschmeisst, un dann einfach losfährst. Kannse glauben, Kumpel, da gibt es welche, die sinn so morgens losgefahren, un erst nach 16 Jahren wieder zurückgekommen. Oda garnich mehr, wie der Typ, der nur zum Kippenkasten um die Ecke gehen wollte.

Naja, son´ ganz Haaader bin ich ja nu nich - prost ! - aber so am Wochenende, da setz ich mich drauf, und fahr einfach los. Dem Wind un den Wolken nach, der Sonne un der Piste. Ich lutsche die Kurven aus wie die Zitronenscheibe vonm Gintonic un uff der Graden lass ich´s knallen. Da schluck ich keinen Staub von fremden Leuten, kannse glauben.

Und dann steh ich manchmal da am Strassenrand, und rauche eine, und guck mir so mein Moped an, und die Leute und die Häuser, und hör, wie se reden und fress ne Currywurst anne Pommesbude hunnertfuffzich Kilometers wech von zuhause - und bin einfach weg. Fürn paar Stunden, für n Wochenende. Einfach so.

Klar fahrich irchendwohin - musse ja. Kanns ja nich einfach so losgondeln un immer nur gradaus fahn. Musse ja schon irgendwo wissen, wo´s lang geht. Da gibtes so Treffs, weisse, da kommen immer viele hin, so wie ich mit ihren bikes, un manche auch mit ihren Mädels. Da gibts meistens auch nich mehr als ne Currywurst un´n Bier un manchmal vielleicht noch n bisken Mukke - aba das waahs auch schon. Un dann knackste vielleicht da im Zelt oder im Massengrab vom Matrazenlager, un wenne auf Hückjehne stehst, dann steckste dir ne Zahnbürste innen Tankrucksack.

Un dann bisse on the road, ganz allein mit deinem Bike, und Dir, und so ein paar andern Typen, die genauso drauf sind, wie Du, und mit denen Du zusammen bist, als wennde mit dennen schon zusammen in die Windeln geschissen hättest, obwohldese nich kenns, un nie mehr wiedersehen wirst.

Un weisse was ? - Das is Leben, das isses, sache ich Dir !

Prost !

sacht

Kroni




Gast873 - 24.02.2007 um 12:48 Uhr

Zitat:

Philosophie ist eben (auch) mehr als das Ausdrücken von Gefühlen.


Was Du nicht sagst!

Gruß
Hyperion




unverwundbar - 24.02.2007 um 13:25 Uhr

Hyperion: Das ist natürlich eine laxe Aussage, jedoch bezüglich LX.Cs Beitrag und somit womöglich genügend kontextualisiert.

LX.C: Mir wird nicht ersichtlich, weshalb die profane "Erkenntnis", der Weg sei das Ziel - der Slogan volkstümlicher "Philosophen" -, in irgendeiner besonderen Weise gewürdigt werden soll. Entschuldige, aber den Erfahrungsgrad, den ich scheinbar benötige, um zu erkennen, dass der Weg das Ziel ist, erreiche ich im Jugendalter. Und ´ich´ steht hier für unzählige dieses Alters. Und das Ziel hier mystifizieren und es zum Ideal verklären zu wollen, genügt eben nicht, diese plumpe Erkenntnis weise werden zu lassen. Der Weg zum Ideal mag unendlich sein, das Ideal als Begrifflichkeit aber ist endlich - und somit nichts weiter als ein Ziel.

"wer sich bewegt, kann nicht stagnieren"

Ich weigere mich irgendwie, derart aprioristische Aussagen zu bestaunen.




Herr Aldi - 24.02.2007 um 16:01 Uhr

Diese Nachricht wurde von Herr Aldi um 16:02:02 am 24.02.2007 editiert

Dann lass es doch bleiben. Wozu die Aufregung? Der Ball bleibt rund, auch wenn man sein Leben lang darüber sinniert. Was bringen diese Begriffsreitereien, diese Polemik? Ich halte es da mit einer anderen volkstümlich-philosophischen Aussage: In der Ruhe liegt die Kraft.




LX.C - 24.02.2007 um 19:07 Uhr

Zitat:

Das ist natürlich eine laxe Aussage, jedoch bezüglich LX.Cs Beitrag und somit womöglich genügend kontextualisiert.

Habe (praktische) Philosophie nie mit Ausdrücken von Gefühlen gleichgesetzt.
Insofern kann ich mich Hyperions Ausruf nur anschließen.

[Quote]In der Ruhe liegt die Kraft.

Muss ich auch noch lernen. Wahrscheinlich bin ich nicht plump, sondern ewig jugendlich, da ich an diesem bestimmten Ziel, das Verwundbar für eine selbstverständliche Jugenderkenntnis hält, noch nicht angekommen bin :-)




LX.C - 24.02.2007 um 19:16 Uhr

Ich werde mich gut fühlen, wenn ich mir unhinterfragt glauben werde: In der Ruhe liegt die Kraft, denn der Weg ist das Ziel.



Herr Aldi - 24.02.2007 um 21:50 Uhr

Und Abseits ist, wenn der Schiedsrichter pfeift.



Anastasia - 24.02.2007 um 23:12 Uhr

Diese Nachricht wurde von Anastasia um 23:13:37 am 24.02.2007 editiert

Hallo!

Kennt einer von euch schon das "Cafe der Philosophie"?

Hier etwas zu dem Konzept:
Im Vordergrund steht die öffentlich-philosophische Kommunikation zu fördern. Das Konzept ist das von Marc Sautet in Paris initiierte: Zu Beginn werden aus dem Kreis der Besucher Gesprächsthemen vorgeschlagen. Der Moderator der Veranstaltung wählt eines der Themen aus und stellt es zwei Stunden zur Diskussion.
Derjenige, dessen Vorschlag aufgenommen wurde, hat die Möglichkeit, das Gespräch mit ein paar Sätzen einzuleiten: z.B. welches Interesse verbindet ihn mit dem Thema, welche Fragen erscheinen ihm wichtig, wie steht er selbst dazu etc. Damit wird eine erste Spur für die Diskussion gelegt. Zudem hat er ein ständiges Rederecht - kann also auf Wunsch jederzeit in den Diskussionsverlauf eingreifen - und das letzte Wort am Ende der Veranstaltung.
Es werden drahtlose Mikrophone bereitgestellt, so dass jeder die Möglichkeit hat, eigene Gesprächsbeiträge zu leisten. Selbstverständlich kann man auch nur zuhören, ohne sich aktiv zu beteiligen.
Zum Mitphilosophieren gilt, außer dem Respekt vor der Meinung des anderen, "das eigene Menschsein, das eigene Schicksal und die eigene Erfahrung (...) als genügende Voraussetzung" (Karl Jaspers).

Das Cafe findet u.a. in folgenden Städten statt:
Augsburg, Baden-Baden, Basel, Berlin, Bern, Bonn, Crailshaim, Düsseldorf, Dortmund, Esslingen, Freiburg, Fribourg (CH), Gelsenkirchen, Kaarst b.Düsseldorf, Karlsruhe, Kassel, Koblenz, Leipzig, Lörrach, Luzern, Mannheim, München, Nürnberg, Nürtingen, Offenburg, Solothurn (Schweiz), Stele, Stuttgart, Weiden, Wien, Weil am Rhein, Winterthur und Zürich.




Kroni - 25.02.2007 um 22:46 Uhr

@ Anastasia

Dieses Konzept habe ich nicht kennengelernt, aber ein anderes Modell, daß mich doch beeindruckt hat.

Bazon Brock hat in diesem Jahr einen "Lustmarsch" durch die Theorielandschaften der Gegenwart veranstaltet. Mit einer Freundin war ich auf einer solchen Veranstaltung, in der Schirn in FaM. Brock hat mit einem solchen drahtlosen Micro die Exponate seiner Ausstellung erläutert - oder besser: zu ihnen gesprochen, extemporiert, ungefähr 1,5 h lang, und dann urplötzlich, mitten in einem Satz das Micro an einen Besucher weitergereicht, der zufällig hinter ihm saß mit den Worten: "Sie sind dran!"

Es hat sich - nach Überwindung des geschaffenen Rucks - ein sehr lebhaftes Gespräch entfaltet. Reden durfte stets nur derjenige, der das Micro in der Hand hielt - ähnlich wie die Muschel im "Herr der Fliegen" (Film), ohne zeitliche oder thematische Beschränkung. Es wurde sozusagen herrschaftsfrei weitergereicht - aber irgendwo auch als Verpflichtung Leuten in die Hand gedrückt, zu deren Vorrede man Stellung genommen hatte, oder deren Stellungnahme man erwarten würde.

Ein durchaus interessantes Diskussionskonzept !




Kroni - 25.02.2007 um 22:58 Uhr

@ all

Meine obige Methapher übersetze ich in die Normalsprache:

Das Ziel im Weg liegt im Konzept der Reise. Aus dem Einwohner, Ansässigen, Insassen - sozial eingebundenen wird der Reisende: losgelöst von eben diesen Einbindungen und verortungen ist er unter-wegs. Er ist nicht mehr lokal bestimmbar, kann nicht mehr von seiner historischen Sozialität eingefangen werden ebenso, wie er nicht mehr auf seine Sozialität zurückgreifen kann. Er ist dem Grundsatz nach alleine mit sich und seinem Weg - und seinem Begleiter, dem comes.

Ob es nun ein Mensch aus der ursprünglichen Bezugsgruppe ist, oder ein zufälliger Weg und Reisegenosse - es entsteht eine neue Sozialität unter den Bedingungen der gemeinsamen Reise. Diese Sozialität kann neu und offen konstituiert werden, unterliegt anderen Regeln, die gleichwohl strenger sein können, als die der "eigentlichen" Sozialität, andererseits auch größere Möglichkeiten der Erlangung von Hilfe und konkreter Solidarität bieten.

Unter Motorradfahrern erlebt man - durchaus nicht immer und überall, aber öfters als anderswo - noch eine derartige Solidarisierung, wie sie die berittenen Reisenden bis zum Beginn des motorisierten Reisens, die Seefahrer und Karavanen miteinander verbunden hat.




JH - 26.02.2007 um 21:59 Uhr

Diese Nachricht wurde von JH um 21:59:32 am 26.02.2007 editiert

Verstecke sind unzählige, Rettung nur eine, aber Möglichkeiten der Rettung wieder so viele wie Verstecke. Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.

Franz Kafka




LX.C - 26.02.2007 um 23:53 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 23:59:24 am 26.02.2007 editiert

[Quote]Es gibt ein Ziel, aber keinen Weg; was wir Weg nennen, ist Zögern.[/Quote]

Ja, kenne ich auch, das Zitat von Kafka. Was um so mehr verdeutlicht, wie diskussionswürdig in Frage gestellte volkstümliche Philosophie ist. Andererseits kann auch ein Herr K. nicht verleugnen, dass ein Ziel ohne den Weg nicht erreichbar ist. Wie unterschiedlich die Prioritäten gesetzt werden, bleibt wohl Hauptstreitpunkt. Den Weg nicht als wichtig zu erachten, ihn nur als Mittel zum Zweck zu sehen, und eine Gewichtung auf ihn als Zögern abzutun, kann genauso bedeuten, am Leben vorbei zu gehen. Andererseits kann eine zu große Gewichtung auf den Weg wieder dazu führen, das eigentliche Ziel zu verfehlen und als lebensfremder Träumer zu enden.




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