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-- Aktuelles
--- Peter Handke erhält Heine Preis 2006
bodhi - 24.05.2006 um 21:38 Uhr
50000
...meine Güte...
Kenon - 24.05.2006 um 21:48 Uhr
Schön, wie Du das Wesentliche hier herausgearbeitet hast!
LX.C - 24.05.2006 um 21:55 Uhr
Ich kenne Peter Handke nicht, dem Artikel zufolge, scheint er jedoch nicht gerade unumstritten zu sein.
Und scheiß auf die Summe. Die hat uns doch dabei am wenigsten zu interessieren.
LX.C - 28.05.2006 um 21:55 Uhr
[Quote]Noch hat Peter Handke den Heine Preis der Stadt Düsseldorf nicht erhalten, der ihm vergangene Woche zuerkannt wurde. Die Entscheidung der Jury muss vom Rat bestätigt werden, normalerweise eine Formsache, in diesem Fall aber womöglich nicht. Denn die heftige Kritik an dem Votum für Handke, das den Ruf des Preises und auch der Stadt zu beschädigen droht, wird vor Ort, so berichtete gestern die "Rheinische Post", von SPD, Grüne und FDP geteilt - und die haben im Stadtparlament die Mehrheit.[/Quote]
Quelle: Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr. 21, 28.05.2006, S. 23.
Matze - 29.05.2006 um 11:35 Uhr
Diese Nachricht wurde von Matze um 11:36:58 am 29.05.2006 editiert
Peter Handke ist ein östereichischer Autor, der - anders als Heinrich Heine, freiwillig nach Paris verzogen ist. 1996 sorgte Peter Handke mit der Veröffentlichung seines Reiseberichtes Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien, in dem er Serbien als Opfer westlicher Aggression darstellt, für heftige Kontroversen. Diese halten bis heute an. 2004 besuchte er Slobodan Milošević im Gefängnis in Den Haag. 2005 benannte ihn der jugoslawische Ex-Präsident, vor dem UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag des Völkermords und des Verbrechens gegen die Menschlichkeit angeklagt, als Zeugen zu seiner Verteidigung. Handke lehnte zwar ab, schrieb aber einen Essay mit dem Titel Die Tablas von Daimiel, der den Untertitel Ein Umwegzeugenbericht zum Prozeß gegen Slobodan Milošević trägt. Am 18. März 2006 sprach Handke auf der Beerdigung von Slobodan Milošević als Gast vor mehr als 20.000 von dessen Anhängern. Dashalb gibt es diese Diskussion.
Kenon - 29.05.2006 um 12:10 Uhr
Auch der Literaturnobelpreisträger 2005, Harold Pinter, tritt wie Peter Handke für eine von der dominierenden Sichtweise auf den Serbien-Konflikt abweichende Position ein. Diese offensive Abweichung träfe sich eigentlich recht gut mit der Begründung der Heine-Preis-Verleiher, die davon spricht, dass Handke "seinen poetischen Blick auf die Welt" "rücksichtslos gegen die veröffentlichte Meinung" setze. Die Entscheidung für Handke stößt nun auf den Widerwillen der Parteien der Kriegsbefürworter, wie sie im Düsseldorfer Stadt-Parlament anzufinden sind.
Der Kosovo-Krieg ist bis heute rechtlich umstritten; die eine Seite spricht von ihm als einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg, die andere argumentiert mit einem "Nothilferecht" und dem Begriff einer humanitären Intervention. Es geht also nicht in erster Linie um Handke, sondern die bisher offensichtlich nicht zufriedenstellend diskutiert worden seiende Beurteilung eines Krieges in der jüngsten Vergangenheit.
LX.C - 29.05.2006 um 12:14 Uhr
Ob das die Opfer des Völkermordes genauso sehen würden.
Matze - 29.05.2006 um 22:42 Uhr
Bert Brecht war Stalin zeitweise nicht weniger zugetan war als Handke Milosevic.
Handke Fehler war, Milosevic mit Serbien zu verwechseln. Dabei waren es die Serben, die Milosevic nach Den Hag überstellt haben.
LX.C - 29.05.2006 um 23:12 Uhr
[Quote]Bert Brecht war Stalin zeitweise nicht weniger zugetan war als Handke Milosevic.[/Quote]
Das waren viele. Aber ist das eine Rechtfertigung? Wer aus der Geschichte nicht lernt, könnte man argumentieren, hat heute weniger denn je einen Preis verdient.
Kenon - 30.05.2006 um 00:29 Uhr
Hier ist noch ein Milosevic-"Verteidiger" aus der schreibenden Zunft: Alexander Alexandrowitsch Sinowjew, verstorben am 10. Mai 2006.
LX.C - 31.05.2006 um 00:57 Uhr
Um hier, der Rubrik entsprechend, für Aktualität zu sorgen:
[Quote]Die Fraktionen von SPD, FDP und Grünen im Düsseldorfer Stadtrat haben sich darauf verständigt, die Vergabe des Heinrich-Heine-Preises an den umstrittenen Schriftsteller Peter Handke zu verhindern. "Wir werden das Geld nicht zur Verfügung stellen", hieß es.[/Quote]
Peter Handke zu dem Thema:
[Quote]"Ich habe nie eins der Massaker in den Jugoslawienkriegen 1991-95 geleugnet, oder abgeschwächt, oder verharmlost, oder gar gebilligt", schreibt er in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom Dienstag (30.05.06).[/Quote]
Quelle: WDR.de, Kultur: Kein Heine-Preis für Handke?, 30.05.2006
12gagarin - 31.05.2006 um 11:24 Uhr
Hallo Kenon,
deine Meinung zu diesem komplexen Thema kann ich nur unterstützen. Noch etwas: Heine mit Handke zu vergleichen, das ist etwas, als ob man Äpfel und Birnen vergleicht. Was die Preisverleihung naheliegt, so ist der Fakt, ob ein Künstler freiwillig oder unfreiwillig nach Paris zieht, nicht das Entscheidende. Zivilcourage gegen eine etablierte Meinung (bei drohender Reputation ) ist angesagt und unterminiert das schlechte Gewissen der Kosovo-Kriegsbefürworter. Hat sich schon mal einer überlegt, wie leicht es ist die Position von Handke jedezeit argumentativ zu unterstützen?
MfG 12gagarin
Herr Aldi - 31.05.2006 um 20:31 Uhr
An sich bleibt nur, die Werke und Schriften von Handke zum Thema Serbien zu lesen. Wer dafür keine Zeit hat, kann sich vielleicht hier mal umsehen, um einen ersten - natürlich ebenfalls gefärbten - Eindruck und Überblick zu bekommen.
Herr Aldi - 31.05.2006 um 20:38 Uhr
Nun, vielleicht sollte ich erst selbst lesen, bevor ich so etwas empfehle - die Artikel tragen reichlich wenig zur Klärung bei, man ist nachher dümmer als vorher.
Kenon - 31.05.2006 um 20:46 Uhr
Zitat:
Nun, vielleicht sollte ich erst selbst lesen, bevor ich so etwas empfehle - die Artikel tragen reichlich wenig zur Klärung bei, man ist nachher dümmer als vorher.
Das dürfte ein Balkan-Phänomen sein: Niemand sieht durch und man wird, so lange und intensiv man sich auch mit der Problematik beschäftigen mag, nicht sagen können: Hier, das sind die Guten, dies die Schlechten.
bodhi - 31.05.2006 um 20:56 Uhr
Seit Tagen schon brüte ich über einer vernünftigen Frage bezüglich Literatur und Politik, mir fällt nix G´scheits ein, deswegen einfach mal so:
Politik kann ohne Literatur existieren, die Literatur aber nicht losgelöst von der Politik (außer Sonne Mond und Sterne). Oder so. Vielleicht versteht ja einer, was ich sagen will.
Kenon - 01.06.2006 um 17:46 Uhr
Handke schreibt:
Zitat:
Ich muss ernsthaft sein und ruhig antworten auf die Vorwürfe, die mir seit vielen Jahren und jetzt wieder, nach der Zusprechung (und der angedrohten Nicht-Vergabe) des Heinrich-Heine-Preises entgegengehalten werden. Ich muss es für die Leser tun, für die redlichen Leser — übrigens eine Tautologie, denn ein unredlicher oder voreingenommener Leser ist nie ein Leser.
[...]
Ich war im Juni 1996 zum ersten Mal (und danach noch um die zehn Mal) in Srebrenica und in den ebenfalls zerstörten serbischen Dörfern ringsum, und habe danach ein kleines Buch geschrieben („Sommerlicher Nachtrag zu einer Winterlichen Reise“). Wahr ist, dass ich in diesem Nachtrag auch von den blühenden Bäumen erzähle, von den Erdbeeren auf den Hügeln um Srebrenica, aber natürlich (entschuldige, Leser, dass ich mich erkläre, aber die Beschreibung dieser Natur wird mir immer wieder vorgeworfen), um die furchtbare Zerstörung in und um Srebrenica und die Todesstille noch spürbarer zu machen.
Quelle: Am Ende ist fast nichts mehr zu verstehen (SZ)
Der Spiegel antwortet:
Zitat:
Aber nein, Handke war nie verrückt. Seine poetischen Berichte vom Schlachtfeld des Balkan, in denen die Fragen nach Schuld und Verantwortung immer im Ungefähren gelassen wurden, und Naturbeschreibungen über blühende Bäume und Erdbeeren wichtiger schienen als die Massengräber, neben denen sie gediehen, entstammten nicht dem unschuldigen Blick des naiven Dichters.
Quelle: Gerechtigkeit für Heinrich Heine (SpOn)
Gerechtigkeit für Heinrich Heine - hieße das denn nicht auch, endlich aufzuhören, Preise in seinem Namen zu verleihen?
Kenon - 08.06.2006 um 21:00 Uhr
X-te Aktualisierung:
Zitat:
Jetzt hat auch Peter Handke genug! In einem Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Düsseldorf, Joachim Erwin, lehnte der Dramatiker den Heinrich-Heine-Preis ab. Er wolle seine Person und sein Werk nicht den Pöbeleien von Parteipolitikern aussetzen. Die von der Jury beschlossene und vom Düsseldorfer Stadtrat wieder in Frage gestellte Auszeichnung Handkes war wegen seiner Teilnahme an der Beerdigung des früheren jugoslawischen Machthabers Slobodan Milosevic im In- und Ausland in die Kritik geraten. Oberbürgermeister Erwin bedauerte die Entscheidung Handkes indes zutiefst.
Quelle: dradio.de
Was hat das alles gebracht?
Mir persönlich einen neuen Eintrag auf meiner Bücherwunschliste: "Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise" (1996).
hibou - 09.06.2006 um 07:53 Uhr
vielleicht sollte man handkes bücher mal lesen.
ich mag besonders "versuch über die jukebox"
Matze - 09.06.2006 um 09:19 Uhr
Nun bin ich gespannt, ob die 50.000 Oken für das literarische Leben in Düsseldorf verwendet werden oder im Stadtsäckel verschwinden.
Grüßken, Matze
Wolff - 09.06.2006 um 19:53 Uhr
Pfeiff doch aufs Preisgeld. Die entgangene Kohle hat er nach dem ganzen Rummel um ein Vielfaches wieder rein:
Zitat:
vielleicht sollte man handkes bücher mal lesen.
bodhi - 11.06.2006 um 17:29 Uhr
Der Sinn von Literatur-Preisen ist hier deutlich in Frage gestellt. Das gibt zu denken, aber so richtig. Sollte man die "Literatur-Verpreisungen" lassen?
Im Sinne des Freien Geistes sicherlich, denn durch die Annahme einer Auszeichnung kommt es immer zu einer Bindung (mit den Verleihenden oder Ablehnenden). Oder sollte gerade ein "Freier Geist" eine Auszeichnung annehmen, gerade weil er frei ist, und sich durch diese Bindung nicht gebunden fühlt?
Fragen Fragen Fragen.
Kenon - 11.06.2006 um 18:01 Uhr
Zitat:
Sollte man die "Literatur-Verpreisungen" lassen?
Besonders lächerlich wird es, wenn z.B. eine Stadt wie Rostock einen Pablo-Neruda-Literaturpreis auslobt. Was hat Rostock mit Pablo Neruda zu tun?
Ein gute Kolumne zum Thema:
Nicht ohne Literaturpreis
Zitat:
Im Sinne des Freien Geistes sicherlich, denn durch die Annahme einer Auszeichnung kommt es immer zu einer Bindung (mit den Verleihenden oder Ablehnenden).
Geschenke verpflichten, auch wenn sie als Gegengeschenk daherkommen.
Zitat:
Oder sollte gerade ein "Freier Geist" eine Auszeichnung annehmen, gerade weil er frei ist, und sich durch diese Bindung nicht gebunden fühlt?
Das kann man sicherlich nicht allgemein-verbindlich beantworten.
Eine Begründung:
Zitat:Den fraglichen Preis habe ich [d.i. Cioran]
abgelehnt, weil ich Ehrungen verabscheue und man sie in diesem Land allzu sehr liebt. Andererseits muß ich zugeben, daß man durch die Reaktion auf eine Welt von Eitlen Gefahr läuft, der Sünde des Hochmuts zu verfallen. Es ist entschieden nicht leicht, bescheiden zu sein.
Quelle:
AN WOLF VON AICHELBURG
Herr Aldi - 11.06.2006 um 20:23 Uhr
Warum nicht die Preise des Geldes wegen annehmen? Sinnvoll investieren kann man es doch sicherlich, und wenn es nur an das nächste Kinderdorf gespendet wird.
bodhi - 14.06.2006 um 07:21 Uhr
Diese Nachricht wurde von bodhi um 07:23:41 am 14.06.2006 editiert
(Fehler, Link ließ sich nicht öffnen...) Auf der Verlagshomepage www.suhrkamp.de gibt´s Handkes Brief an den Düsseldorfer OB sowie dessen Antwort als pdf-Datei. Jetzt finde ich´s nicht mehr...
bodhi - 14.06.2006 um 07:31 Uhr
http://www.duesseldorf.de/top/thema010/kultur/beitraege/heinepreis/briefwechsel.pdf
Da isser auch...
Kenon - 14.06.2006 um 12:36 Uhr
Zitat:
Warum nicht die Preise des Geldes wegen annehmen?
Ach, dann ist der Autor doch auch durch so einen Preisträger-Titel befleckt. Wenn die Stifter etwas auf sich halten, können sie das durch eine Preisablehnung freigewordene Kapital selbst an einen humanistischen Zweck binden :)
Noch was geschichtliches, Sartres Ablehnung des Nobelpreises betreffend, übersetzter O-Ton Sartre:
Zitat:Der einzige Kampf an der Kulturfront, der heute möglich ist, ist der Kampf für die friedliche Koexistenz der beiden Kulturen - jene im Osten und jene im Westen... Ich persönlich empfinde die Widersprüche zwischen den beiden Kulturen sehr tief; ich bin durch diese Widersprüche geformt worden. Meine Sympathien gehören unzweifelhaft dem Sozialismus... Aber ich wurde in einer bürgerlichen Familie geboren und erzogen. Dies gestattet mir, mit all jenen zusammenzuarbeiten, die eine Annäherung der beiden Kulturen wünschen... Aus diesem Grund kann ich aber keinerlei von kulturellen Organisationen weder des Ostens noch des Westens verliehene Auszeichnungen annehmen... Obwohl alle meine Sympathien den Sozialisten gehören,
könnte ich dennoch gleicherweise zum Beispiel einen Lenin-Preis nicht annehmen... Diese Haltung hat ihre Grundlage in meiner Auffassung von der Arbeit eines Schriftstellers.
Ein Schriftsteller, der politisch oder literarisch Stellung nimmt, sollte nur mit den Mitteln handeln, die die seinen sind - mit dem geschriebenen Wort. Alle Auszeichnungen, die er erhält, können seine Leser einem Druck aussetzen, den ich für unerwünscht halte. Es ist nicht dasselbe, ob ich "Jean-Paul Sartre" oder "Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger" unterzeichne.
Quelle:
1964 lehnte Jean-Paul Sartre den Literaturnobelpreis ab (DR)
hibou - 24.09.2006 um 13:37 Uhr
vielleicht den "nachher dümmer als vorher"-preis in form einer steuer einführen?andererseits: wer nicht für dumme schreibt, bringt sich um den genuss der eigenen texte
JH - 31.03.2007 um 09:23 Uhr
Dieser geisteskranke Affe und Diktator-Beschöniger hat also einen Preis bekommen.
Was will man auch von Deutsche Land erwarten, schließlich haben wir dem gehängten Hussein auch sein Giftgas geliefert.
Das Leute wie Handke überhaupt noch eine Bühne bekommen ist nicht verwunderlich. So lange die Renditenziele erreicht werden...
Krank!
Regenzauber - 31.03.2007 um 10:08 Uhr
@JH
Brauchst du diese Ausdrucksweise Zitat:
Dieser geisteskranke Affe und Diktator-Beschöniger
um dich bemerkbar zu machen?
Der Auslöser war ein Literaturpreis und nicht eine Belobigung der politischen Ansichten Peter Handkes, für deren Verständnis eine etwas ausführliche Befassung mit der Person dieses großen Schriftstellers erforderlich erscheint.
Dass Handke heute vielleicht der bedeutendste lebende deutschsprachige Schriftsteller ist, darüber brauchen wir hier nicht zu diskutieren, und wenn du an einen anderen Großen denkst, an Walser, dann wirst du wohl zugeben; dass man die Person vom Werk getrennt beurteilen soll. Und "krank"? Denk an Jelinek!
Matze - 31.03.2007 um 11:15 Uhr
Diese Leute fühlen sich inzwischen als Opfer einer ungerechten Öffentlichkeit. Exemplarisch ist dies in Martin Walsers Paulskirchenrede von 1998 deutlich geworden, als er nebulös von der „Instrumentalisierung unserer Schande“ und der "Moralkeule" Auschwitz sprach und sich als gleichsam als Opfer der Geschichte beschrieb – fast so, als würden die Millionen Ermordeten nun zu geisterhaften Tätern am schlechten Gewissen der Deutschen. Walsers Werk und Person steht seit der Friedenspreisrede von 1998 unter politischem Generalverdacht. Ihm werden antisemitische Ressentiments und der Willen unterstellt, die Geschichte der deutschen Verbrechen zu verdrängen. Wie GraSS fühlt er sich im Innersten verletzt und wählt als literarische Form der Gegenwehr nicht die Streitschrift, nicht das polemische Pamphlet, auch nicht die Satire oder die Parodie, sondern die lyrische Selbstbeobachtung und Selbstentblößung. Wie GraSS bleibt er eine öffentliche Figur, diese Haut kann er nicht abstreifen. Doch stellt er nun die Empfindsamkeit und Empfindlichkeit dieser Haut aus. Die einen wird das peinlich berühren, die anderen werden erschrocken sein über die persönlichen Kosten des massenmedialen Meinungszirkus. Wenn Grass, Walser und andere Autoren die Verbrechen der Deutschen während des Nationalsozialismus mit literarischen Mitteln ins öffentliche Bewusstsein rückten, haben sie sich damit um ihr Land verdient gemacht. Wenn Grass dann aber eingesteht, selbst ein wesentliches Detail seiner Nazi-Vergangenheit über Jahrzehnte verborgen zu haben, führt kein Weg daran vorbei, ihm einen erheblichen Verlust seiner politischen Glaubwürdigkeit zu attestieren. Die Goldhagen– ebenso wie die Walser–Bubis–Debatte, die Vergegenwärtigungen der Wehrmachtsverbrechen, die Auseinandersetzungen um das Berliner Holocaust–Mahnmal, womöglich auch die GraSS–Aussprache sind keine gedächtnispolitischen Marginalien gewesen. Die Wortgefechte zwischen den Generationen ebenso wie die hartnäckigen Vergewisserungen der Nachgeborenen haben das Selbstverständnis dieser Republik gefestigt. Man muß das bisschen Mut fordern, das nötig ist, um überhaupt noch das Wort von Aufklärung und Wahrheit im Munde führen zu können.
12gagarin - 31.03.2007 um 12:36 Uhr
Hallo Fans,
ich finde, daß Regenzauber dazu alles Wichtige gesagt hat - und nun sollte man die Diskussion auch endlich auf andere Themen lenken, z.B. auf Pablo Neruda, der sich über einen nach ihm benannten Literaturpreis gewiß freuen würde, egal, ob dieser nun in Rostock (übrigens eine schöne Stadt!) oder in Kleinkleckersdorf verliehen wird - eine Erwiderung auf Kenons Säulenheiligen-Allergie - auch verkannte Genies sind manchmal kleinlich!
JH - 31.03.2007 um 18:29 Uhr
Arme Deutsche Land.
Der_Geist - 31.03.2007 um 22:02 Uhr
Zu den Fakten:
Peter Handke nahm den alternativen Berliner Heinrich-Heine-Preis nun entgegen.
http://www.peterhandke.at/DesktopDefault.aspx?tabindex=0&tabid=1
(n bisschen scrollen...)
Matze - 01.04.2007 um 12:01 Uhr
Zitat:
Pablo Neruda, der sich über einen nach ihm benannten Literaturpreis gewiß freuen würde
Das möchte ich ganz stark bezweifeln. Die meisten Autoren, nach denen Preise benannt werden, würden von oft seltsam zusammengestellten Jurymitgliedern sicher keine Preise erhalten.
Zuweilen ist es schon eine Parodie, wenn nach der exzellenten Lyrikern Ingeborg Bachmann ein Prosa-Preis benannt wird.
LX.C - 10.05.2008 um 22:03 Uhr
Video: Volker Panzer trifft Peter Handke
"Mehrheitsfähig wollte ich nie sein..."
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