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-- Literaturgeschichte & -theorie
--- Arthur Rimbaud

Kenon - 16.03.2006 um 09:34 Uhr

Jean Nicolas Arthur Rimbaud, heute bekannt als Arthur Rimbaud, wurde am 20. Oktober 1854 in Charleville geboren und starb am 10. November 1891 in Marseille. In einer nur wenige Jahre umfassenden Periode in seiner Jugend (ca. 1870-75) betätigte er sich dichterisch und hinterließ der Welt doch ein erstaunlich einflussreiches Werk, das unter anderem auf die französischen Symbolisten von großer Wirkung war. Ab 1875 schlug sich Rimbaud als transkontinentaler Vagabund durchs Leben, das Schreiben hatte er aufgegeben. Im Alter von 37 Jahren starb Rimbaud an den Folgen einer Knochenkrebserkankung.

Werke
Poésies complètes (1895)
Le Bateau ivre (1871), [Das Trunkene Schiff]
Les illuminations (1873-75), [Illuminationen]
Une saison en enfer (1873), [Ein Aufenthalt in der Hölle]


***


arthur rimbaud
als er mit saemtlichen
worten die welt
durchmessen
gemalt
verspottet
da zog er aus
in sie
so tief
und schweigend:

dass sein leben selbst
ganz poesie
werde –

ganz poesie
werde




Kenon - 23.04.2006 um 14:27 Uhr

Eine besonders schöne Stelle, sie stammt aus dem Rimbaud-Text "Schlechtes Blut" (Aus: Erste Entwürfe zu "Ein Aufenthalt in der Hölle"), möchte ich hier nachreichen:

Zitat:

Welchem Dämon soll ich mich verkaufen? Welches Vieh muß man anbeten? in wessen Blut waten? Welche Schreie ausstoßen? Welche Lüge aufrechterhalten? Welches heilige Bild niederreißen? Welche Herzen brechen?




LX.C - 26.04.2006 um 00:26 Uhr

Weiß man denn, warum er das Schreiben aufgab?



Jasmin - 26.04.2006 um 00:28 Uhr

Weil seine Liebe zu Paul Verlaine zerbrach.



LX.C - 26.04.2006 um 00:38 Uhr

Aus diesem Grund hörte er für den Rest seines Lebens auf zu schreiben?



Jasmin - 26.04.2006 um 00:53 Uhr

Diese Nachricht wurde von Jasmin um 00:56:44 am 26.04.2006 editiert

Es war ja nicht nur, dass die Liebe zerbrach, sondern wie sie zerbrach. Paul Verlaine kam aus bürgerlichen Verhältnissen, war verheiratet. Er entwickelte sehr bald eine sehr zwanghafte Obsession zu dem noch sehr jungen, genialen, wilden Rimbaud.

Zitat:

1871 zog Rimbaud auf Anraten Verlaines mit letzterem zusammen und wurde bald zu Verlaines Geliebten. Beide verbrachten ihre Zeit mit Absinthtrinken in Rimbauds Lieblingslokal „L’Academie d’Absomphe“ und mit grausamen Machtspielen, was schließlich zum Bruch im Jahre 1873 führte. Verlaine schoss nach übermäßigem Absinthkonsum auf Rimbaud, ob er wirklich beabsichtigte Rimbaud zu ermorden ist nicht bekannt. Rimbaud wurde angeschossen und schwer verwundet und Verlaine kam dafür ins Gefängnis. Rimbaud hielt dies in dem autobiographisch gefärbten, stark rhythmisierten Prosagedicht „Une Saison en enfer“ von 1873 fest.

Rimbaud gab das Absinthtrinken und seine literarische Tätigkeit auf und führte ein unstetes Wanderleben.

Rimbaud scheint das alles nicht verkraftet zu haben und wollte mit dem alten Leben brechen. Vielleicht hat ihn diese Entwicklung dermaßen verstört, dass er nicht mehr schreiben konnte, so wie es einem eben die Sprache verschlägt, wenn einem etwas extrem Schmerzhaftes und Verstörendes widerfährt.

Quelle

Wegen meiner Quelle gibt es sicher Probleme mit dem Blockwart...




LX.C - 26.04.2006 um 01:41 Uhr

[Quote]Rimbaud gab das Absinthtrinken und seine literarische Tätigkeit auf und führte ein unstetes Wanderleben.[/Quote]
Vielleicht lag es ja doch eher daran, dass er das Absinthtrinken aufgab.




Kenon - 26.04.2006 um 09:43 Uhr

Ich habe gelesen (weiß leider gerade nicht, wo), dass er es sich in den Kopf gesetzt hatte, reich zu werden, um irgendwann wieder ein Leben als Poet führen zu können. Die angestrebte Kapitalakkumulation missglückte offensichtlich.

PS: So kann man z.B. auch aufhören.




bodhi - 26.04.2006 um 09:48 Uhr

Aufhören heißt ja nicht nicht-wiederanfangen. Manchem ist das Aufhören eine Pause.

Wer weiß, vielleicht hätte ein Rimbaud mit 80 Effi Briest geschrieben, oder so...




Kenon - 26.04.2006 um 09:57 Uhr

Zitat:

Wer weiß, vielleicht hätte ein Rimbaud mit 80 Effi Briest geschrieben, oder so...

Eine furchtbare Vorstellung.

Die Frage ist doch aber auch: Was hätte Rimbaud mit seinem Schreiben noch erreichen können? Hatte er nicht längst die höchsten Gipfel erklommen?

Es ist doch bei den meisten Schriftstellern so, dass sie bloß über eine mäßige Innovationskraft verfügen und sich recht bald nur noch im selbst gesetzten Schaffensrahmen pausenlos wiederholen.




bodhi - 26.04.2006 um 10:01 Uhr

Zitat:

...und sich recht bald nur noch im selbst gesetzten Schaffensrahmen pausenlos wiederholen.

Och, solange es dafür Gerne-Leser gibt...

Ist doch sowieso eh alles immer wieder dasselbe auf der Welt.




Kenon - 26.04.2006 um 21:32 Uhr

Zitat:

Och, solange es dafür Gerne-Leser gibt...

Ist doch sowieso eh alles immer wieder dasselbe auf der Welt.

Hmja, wenn man viel von einem Schriftsteller liest, handelt es sich wohl mitunter um eine Art geistige Liebesbeziehung. Wahrscheinlich habe ich mir deshalb heute schon wieder ein Thomas Bernhard-Buch aus der Grabbelkiste gegriffen.




LX.C - 04.05.2006 um 18:42 Uhr

[Quote]Une saison en enfer (1873), [Ein Aufenthalt in der Hölle] [/Quote]

Ich habe den Eindruck, als wenn Rimbaud in diesem Werk bereits bewusst mit der Vergangenheit abschließt und seinen Rückzug aus der Literatur förmlich ankündigt. Aber, wäre er älter als 37 geworden hätte er bestimmt noch mal zur Feder gegriffen, nach allen Abenteuern, die er erlebt hat.




bodhi - 04.05.2006 um 18:51 Uhr

Zitat:

Aber, wäre er älter als 37 geworden hätte er bestimmt noch mal zur Feder gegriffen, nach allen Abenteuern, die er erlebt hat.

So ähnlich war´s bei mir: Bis Anfang 20 permanent Abstruses geschrieben, dann gut zwei Jahrzehnte brav gearbeitet & erlebt, und seit zwei Jahren wird wieder die Feder geschunden.;)




Kenon - 04.05.2006 um 19:21 Uhr

Zitat:

Ich habe den Eindruck, als wenn Rimbaud in diesem Werk bereits bewusst mit der Vergangenheit abschließt und seinen Rückzug aus der Literatur förmlich ankündigt.

Gibt es zu dieser Vermutung passende Textstellen?




LX.C - 05.05.2006 um 10:56 Uhr

Zitat:

Zitat:

Ich habe den Eindruck, als wenn Rimbaud in diesem Werk bereits bewusst mit der Vergangenheit abschließt und seinen Rückzug aus der Literatur förmlich ankündigt.
Gibt es zu dieser Vermutung passende Textstellen?
Das Zieht sich durchs ganze Werk. Es wäre mühselig alles Stellen noch einmal rauszusuchen, die mich zu meiner Vermutung trieben. Es ist die Art, wie er resümiert, die Vergangenheit negiert und gleichzeitig bereit scheint, in eine unbekannte Zukunft aufzubrechen.

Erst heute Morgen ist es mir wieder aufgefallen, so will ich wenigstens zwei Textstellen anführen:
[Quote]Hatte ich einst nicht eine liebenswerte Jugendzeit, heldisch, märchenhaft, auf goldenen Blättern zu schreiben - zu viel Glück! Durch welche Schandtat, durch welchen Irrtum habe ich meine jetzige Ohnmacht verdient? Ihr, die ihr vorgebt, dass Tiere Seufzer des Kummers ausstoßen, dass Kranke verzweifeln, Tote schlecht träumen, versucht ihr meinen Sturz und meinen Schlaf zu erzählen. Ich selbst kann mich ebensowenig erklären wie ein Bettler mit seinen unaufhörlichen Pater noster und Ave Maria. Ich kann nicht mehr sprechen! Dennoch, heute glaube ich meine Hölle zu Ende erzählt zu haben.[/Quote]
Quelle: Rimbaud, Arthur: Morgen, in: Eine Zeit in der Hölle, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1992, S. 79.
[Quote]Ich habe alle Feste ersonnen, alle Triumphe, alle Dramen. Ich habe versucht, neue Blumen, neue Gestirne, neues Fleisch und Blut, neue Sprachen zu erfinden. Ich habe geglaubt überbnatürliche Kräfte zu erlangen. Nun gut! Ich werde meine Erfindungsgabe und meine Erinnerungen begraben müssen! Der schöne Ruhm eines Künstlers und Erzählers - dahin![/Quote]
Quelle: Rimbaud, Arthur: Adieu, in: Eine Zeit in der Hölle, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1992, S. 81/83.

Wie ich zudem heute feststellte, kommt hinzu, dass Rimbaud dieses Büchlein ja unmittelbar in der Krisen- und Trennungszeit schrieb, kurz vor und nachdem er sich von Verlaine trennte und gewaltsam getrennt wurde - beides trifft ja irgendwie zu - was meine Vermutung vielleicht auch untermauern könnte.




Kenon - 05.05.2006 um 11:35 Uhr

Mir gefällt besonders Rimbauds zärtliche Zivilisationskritik, die nichts an Aktualität verloren hat:

Zitat:

Zerschmettre die gleißenden Spiegel der Warenhäuser! die feinen Salons! [...] Laß die City ihren Staub fressen.

Aus: Arthur Rimbaud: Sämtliche Werke. Frankfurt a.M. und Leipzig 1992, S. 379.




Kenon - 27.10.2006 um 12:31 Uhr

Zitat:

Rimbaud hört auf zu schreiben, sobald, zwingender als jede Überlegung, das Ende der Kindheit ihn der Hoffnung beraubt, das Leben ändern zu können.

Yves Bonnefoy. Arthur Rimbaud. Reinbek bei Hamburg 1962. S. 155.




Matze - 27.10.2006 um 13:16 Uhr

Zitat:

Weiß man denn, warum er das Schreiben aufgab?

Waffenhändler ist doch finanziell wesentlich lukrativer. Jeder Rapper würde heute von einer solchen Karriere träumen.

Grüßken, Matze




bodhi - 12.11.2006 um 20:54 Uhr

Zitat:

Im Stöhnen der Bäume
Im Seufzen der Nacht
vernahm dein Herz das natürliche Lied.

Weil
die Stimme tollwütiger Meere,
maßloses Geröchel,
deine kindliche Brust
- allzu menschlich, allzu zart -
zerspringen ließ...

(ohne die Tabs im Originaltext) aus dem Werk: Arthur Rimbaud - Ophelia

Buch: Arthur Rimbaud - Das trunkene Schiff
Matthes & Seitz Verlag, damals noch München, 1980.




FraRa - 24.11.2006 um 00:17 Uhr

Diese Nachricht wurde von FraRa um 00:18:53 am 24.11.2006 editiert

Vielleicht hat Rimbaud das Schreiben abgebrochen, weil es als Kommunikationsvehikel mit sich selbst nicht mehr taugte. Zum Was-verkaufen hat er nie geschrieben.




bodhi - 26.11.2006 um 01:07 Uhr

Zitat:

Und ICH: verfranstes Schiff
im Dschungel der Buchten
vom Hurrikan in den vogel=freien ÄTHER
gepustet.

aus A.R. - Das trunkene Schiff




Kenon - 26.11.2006 um 19:14 Uhr

Zitat:

Vielleicht hat Rimbaud das Schreiben abgebrochen, weil es als Kommunikationsvehikel mit sich selbst nicht mehr taugte.

Ein traumatisches Erlebnis hat ihn von der Schreibkrankheit geheilt, eine andere Krankheit vernichtet. Das ist schon alles.




bodhi - 21.12.2006 um 21:27 Uhr

Diese Nachricht wurde von bodhi um 21:28:48 am 21.12.2006 editiert

In und aus dem Buch Arthur Rimbaud – Das trunkene Schiff – Gedichte – Matthes & Seitz Verlag, 1980
Zitat:

“Je est un autre.“
Ich muß meine Anderen systematisch und magisch aus mir RAUS schreiben, und jeder satz ist entweder eine expulsion, abtreibung, austreibung eines dämons, eines befalls sozialer diskurse, denk-, fühl-, rede-, und handlungsweisen, aus=stoß, die den Anderen (:sozialkörper) auf die lange reise schickt, oder es ist ein conTAKT mit meinem anderen (:ungeborenen)körper, und dessen text gibt mir echo, resonanz auf meinen text, und mit jeder dieser re:sonanzen arbeite ich weiter, jeder klingende(gelingende) satz ist ein satz (:sprung) zu ent:decken, und mit jedem gefundenen (gehörten) satz wächst mein anderer körper, mein nur von mir be=schriebener, authentischer körper, d. h. ich selbst, und ich kann mir immer mehr sätze hin- und herschicken, daß schließlich so etwas wie ein körperstromhaftes ping=pong=spiel entsteht, wo klingende, sirrende, wutschende, zwitschernde WORT=BÄLLE zwischen zwei körpern hin- und herrasen: das wäre dann: mit sich selbst kommuni:zieren!




Joseph_Maronni - 08.12.2007 um 19:49 Uhr

Zitat:

In und aus dem Buch Arthur Rimbaud – Das trunkene Schiff – Gedichte – Matthes & Seitz Verlag, 1980
ebenda: - Abteilung Frühe Prosa:

Zitat:

Schulprosa, 1864, Prolog (S. 209)
I.
Die Sonne war noch warm, doch erleuchtete sie kaum mehr die Erde; wie eine Fackel vor gigantischen Gewölben diese nur mehr mit einem schwachen Schimmer beleuchtet, so warf auch die Sonne, irdische Fackel, aus ihrem Feuerkörper einen letzten und schwachen Schein, der aber gerade noch die grünen Blätter der Bäume, die kleinen verwelkenden Blumen und die gigantische Höhe der Fichten, Pappeln und hundertjährigen Eichen erkennen ließ. Der Wind frischte auf, das heißt, eine leichte Brise bewegte die Blätter der Bäume, die raschelten wie die silbernen Wasser des Baches, der zu meinen Füßen floß. Die Farnkräuter krümmten ihre grüne Stirn im Wind. Ich duselte ein, nachdem ich dem Bachwasser reichlich zugesprochen hatte.




Der_Stieg - 01.09.2008 um 21:43 Uhr

Arthur, guck mal grad eben hier drauf und schreib mal was von da wo Du grad bist. Hättest Du in einem Forum geschrieben? Hätte es den Schuss auf Verlaine vermeiden können? Hättet Ihr Euch im Web gefetzt? Was hättest Du hier geschrieben? Hättest Du nach roten Beitragsstückzahlen lechzend Deine Assoziationen in sowat ergossen? Und was wäre aus dem Waffenhandel geworden? Was ist stärker: Handel oder Mitteilungsbedürfnis? Könnten wir die Waffenhändel der Welt einebnen, wenn die Verantwortlichen ihr wahres Ich in Foren ergießen dürften? Tun sie es, um sich die Ablässe zu erkaufen? Schlafen die, die ballern lassen, nachts ruhig? Und falls ja: wie lange? Und warum ballert´s immer noch? Warum ballert´s immer noch, wenn´s eigentlich keiner versteht? Sind wir als Ballerer auf die Welt gekommen? Gibt es keine Hoffnung? Ist der Elfenbeinturm das einzig wahre Zuhause? Ist die Menschlichkeit eine Farce? Dauert´s noch tausend Jahre, bis Frieden ist? Und ist Frieden erst, wenn es uns nicht mehr gibt?
(klar bin ich kindisch - na und?)

In Nicht-Erwartung der Nicht-Antwort.




Der_Stieg - 20.10.2008 um 08:18 Uhr

Alles Gute zum 154sten Geburtstag.

Prost.




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