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-- Lyrik
--- Das Gebet an die Jugend

Nannophilius - 06.07.2005 um 09:47 Uhr

Lass mich wie ein wahnsinniger leiden und leben,
Solange du mein ganzer, sichtbarer Segen bist.
Lass meine unstillbare Leidenschaft brennen, beben,
Bevor du von der schonungslosen Realität verweht wirst.

Schone mich mit deinen widerspruchsvollen Gefühlen nicht.
Lass mich der grenzenlosen Sehnsucht halber schmachten.
Schütze mich vor Banalitäten und unästhetischer Absicht.
Lass mich Bekanntschaft machen mit deinen wahren Leiden.

Zeig mir den schmalen, endlos langen und dornigen Leidensweg.
Forme mich ständig um mit deiner Glut, unbarmherzigen Geißeln.
Mach mich zu einem unvollendeten, beispielslos gecken Geck.
Lass dein Blut quellen, strömen, mich fortwährend meißeln.

Lass mich keinen Kompromiss, keine Bequemlichkeit kennen.
Und führe mich zu einem Weg der absoluten, puren Reinheit.
Und führe mich auf eine unwiderstehliche Fata Morgana rennen,
Aber halte mich stets an vor dem Ziel gefundener Wahrheit.

Gib mir den echten Schweiß und herzzerreißende Tränen.
Befreie mich von der scheinbaren Freude, falschem Leiden.
Lass mich die glückseligen Worte möglichst nicht erwähnen,
Sinnlose Kalkulation und Heuchelei verachten, vermeiden.

Halte mein Gewissen immer rein und feinfühlig
Lass meine Emotion aufwühlen wild und duselig.
Bringe mich in ständige und unwiderstehliche Versuchung,
Aber nicht verfallen in ausweglos verdammte Verseuchung.

Lass mich nicht sehnen nach einem leichten, gesicherten Leben.
Halte mich von den verhallenden Rufen, Schreien weit und fern.
Lass mich ohne Bedauern alles Irdische, Vergängliche aufgeben,
Gäbe es einen Leuchtturm in dieser Dunkelheit wie eine Latern´.

um das Jahr 1974 in der Nordschweiz am Bodensee




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