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-- Philosophie
--- Leere
Kenon - 05.07.2005 um 17:16 Uhr
Die Leere muss immer das sein, was man in sie hineinschüttet. Sie nimmt alles widerspruchslos auf - und doch bleibt nichts an ihr haften.
Jasmin - 05.07.2005 um 18:08 Uhr
Was fuer eine Leere meinst Du?
Kenon - 05.07.2005 um 19:48 Uhr
Zitat:
Was fuer eine Leere meinst Du?
Leere allgemein.
Jasmin - 05.07.2005 um 19:56 Uhr
Und ich habe an das chronische Gefühl von Leere denken müssen, an dem manche Menschen leiden. Sie ertragen keine Langeweile und müssen sich ständig mit etwas beschäftigen, sonst drehen sie durch.
Dann habe ich noch an eine andere Sorte denken müssen, die leer, im Sinne von hohl, sind. Man kann mit ihnen reden, wie man will, sie begreifen nichts.
Und dann gibt es die menschlichen schwarzen Löcher, die jegliche Energie verschlucken.
Kenon - 05.07.2005 um 20:22 Uhr
Zitat:
Und dann gibt es die menschlichen schwarzen Löcher, die jegliche Energie verschlucken.
Leere Seelen. Spiegel.
Jasmin - 05.07.2005 um 20:38 Uhr
Wie mag es wohl sein, wenn zwei Spiegelseelen sich begegnen?
Kenon - 05.07.2005 um 20:49 Uhr
Sie können durcheinander wandern.
Jasmin - 05.07.2005 um 20:57 Uhr
So können sie sich nicht wirklich berühren, aber auch nicht verletzen, da sie wie körperlose, ätherische Wesen durcheinander wandern.
Jasmin - 09.12.2005 um 23:20 Uhr
Zitat:
Leere Seelen. Spiegel.
[...]
Zitat:
Blicken wir in einen Spiegel, dann halten wir das Bild, das uns daraus entgegensieht, für akkurat. Aber bewegt man sich nur einen Millimeter, verändert sich das Bild. Wir sehen im Grunde eine endlose Reihe von Spiegelungen. Aber manchmal muss ein Schriftsteller den Spiegel zerschlagen – denn von der anderen Seite dieses Spiegels blickt uns die Wahrheit ins Auge.
Harold Pinter in seiner Nobelpreisrede
Kenon - 10.12.2005 um 00:01 Uhr
Mir ist aufgefallen, dass für Sartre Spiegel auch eine besondere Bedeutung gehabt haben müssen, da sie in seinen Werken relativ häufig vorkommen, nicht nur im Ekel, sondern auch in "Die Wörter", welche ich momentan lese. Letztgenanntes Buch kann ich Dir, Jasmin, auch anempfehlen. Es ist autobiographisch und zeigt auf, wie Sartre zu dem Schriftsteller geworden ist, der er war. Besonders interessant sind seine phantastischen Spukwelten, durch die er sich bewegt hat und mit denen er die Wirklichkeit ersetzte. Natürlich hat das alles stark neurotische Züge und wenigstens mir geht es so, dass ich mir denke: So ein dummes Bücherbübchen aus dem 6. Stock. Ein Kind seiner Klasse.
Jasmin - 10.12.2005 um 00:12 Uhr
Damals während meines Studiums habe ich mich auch ein wenig mit Sartre und dem Existentialismus beschäftigt. Das alles liegt nun in weiter Ferne, aber wenn Du sagst, dass die "Die Wörter" etwas für mich sind, dann werde ich sie gerne lesen, wohl nicht auf Französisch oder vielleicht doch?
Neurotische Spukwelten, die die Wirklichkeit ersetzen - das klingt sehr interessant. Was Sartre wohl zur Welt des weltweiten Netzes gesagt hätte?
Kann man Sartre verstehen, ohne die anderen Philosophen, aus denen er schöpft, gelesen zu haben?
Kenon - 10.12.2005 um 00:27 Uhr
Diese Nachricht wurde von Arne um 00:28:55 am 10.12.2005 editiert
Vor allem um Husserl und Heidegger wird man wohl nicht herumkommen.
"Das Sein und das Nichts" z.B. erfordert schon viel Konzentration, da es doch einen sehr hohen Abstraktionsgrad erreicht, außerdem vermute ich, dass das Werk durch die Übersetzung gelitten hat, was bei "Die Wörter" sicherlich nicht so ins Gewicht fallen dürfte. LX.C hat das ja auch vor einiger Zeit gelesen und könnte etwas dazu sagen, wenn er mag.
Noch viel mehr interessiert mich gerade der Sartre-Essay "Brüderlichkeit und Gewalt", in "meiner" Bibliothek steht dieses kurze Spätwerk leider nicht.
Wie auch immer, ein Sartre-Verehrer bin ich nicht, aber "Der Ekel" ist sicherlich heute so aktuell wie 1938. Ekel. Existenzekel. Weiterleben.
PS: Die Titel "Marxismus oder Existentialismus" (Lukács) und "Marxismus und Existentialismus" (Sartre) ähneln sich rein zufällig...
Jasmin - 10.12.2005 um 00:40 Uhr
"Das Sein und das Nichts" soll ja auch sehr umfangreich sein. Als ich es auf der Lektüreliste sah, dachte ich, dass das ein Zeichen sein soll, dass Du jetzt erst einmal für einige Zeit abtauchst.
Als ich zum ersten Mal von Sartres "Ekel" hörte, versuchte ich mir vorzustellen, was er damit meint. Kann man sich vor dem Leben, wie vor einer Spinne, ekeln? Später dachte ich, dass es einfach diese überdrüßige Haltung sein muss, wenn einen alles ankotzt. Ist es das?
Kenon - 10.12.2005 um 00:48 Uhr
Diese Nachricht wurde von Arne um 00:53:59 am 10.12.2005 editiert
Zitat:
Später dachte ich, dass es einfach diese überdrüßige Haltung sein muss, wenn einen alles ankotzt.
Nein, es ist schon etwas sublimer. Die Sinnlosigkeit des Seins, die sich in einem schmutzigen Papierfetzen auf der Straße usw. manifestiert - und doch ist sie kaum zu fassen. Als ich dieses Buch in meiner frühen Pubertät las, fand ich mich darin wieder.
Jasmin - 10.12.2005 um 01:02 Uhr
Zitat:
Nein, es ist schon etwas sublimer. Die Sinnlosigkeit des Seins, die sich in einem schmutzigen Papierfetzen auf der Straße usw. manifestiert - und doch ist sie kaum zu fassen. Als ich dieses Buch in meiner frühen Pubertät las, fand ich mich darin wieder.
Kannst Du das näher beschreiben? Ich meine, diese Art von Lebensphilosophie?
Eine Möglichkeit an diese Philosophie heranzugehen, ist die psychologische. Im Zustand der Depression ekelt man sich vor Schmutz, aber vor allem vor allen Manifestationen des Lebens, den Hässlichkeiten der Menschen, den Ausscheidungen des Körpers...
Im manischen Zustand, der einen Gegenpol zum depressiven Zustand bildet, ekelt man sich nicht mehr, man kann sogar das Kranke und Hässliche umarmen und lieben. Alles das, was das Leben und seine Mannigfaltigkeit ausmacht.
LX.C - 10.12.2005 um 01:21 Uhr
"Das Sein und das Nichts" ist sehr umfangreich, daher hat mich erstaunt, dass Arne dazu auch noch die Wörter liest. Ich fürchte aber, ich kann weder etwas zu der Übersetzung von "Die Wörter" sagen, ich kenne ja die französische Version nicht. Und "Das Sein und das Nichts" habe ich nur mal kurz im Zuge eines Seminars angerissen. Natürlich muss man unterscheiden, zwischen den philosophischen Werken, die wissenschaftliche Bedeutung haben, und den philosophischen Romanen oder sonstigen Schriften. Habe auch gehört, dass die Übersetzung von "Das Sein und das Nichts" problematisch sein soll, aber ähnliches meinten bisher fast alle Dozenten zu anderen philosophischen Werken auch. Vielleicht sollte man nicht zu viel darauf geben.
Husserl und Heidegger haben Sartre geprägt oder ihn beeinflusst, wie auch immer man es nennen mag.
Wenn man nur einen privaten Überblich über Sartes Existentialismusverständnis gewinnen will, denke ich, kann man schon um Husserl und Heidegger herumkommen. Er filtert und überarbeitet mitunter deren Gedanken, das kann man sich vor Augen führen, aber das Endprodukt lässt sich ja eben in einem Hauptwerk des Existentialismus, dem "Das Sein und das Nichts", nachlesen. Nur wer nach wissenschaftlicher Transparenz verlangt, der wird da nicht drum herum kommen.
Der Ekel hat mich auch sehr beeindruckt. Gerade für diese kalte Jahreszeit vermutlich auch genial.
Eigentlich dachte ich immer, dass "Der Ekel" mich mehr beeindruckt hat, als "Die Wörter", aber gerade jetzt, wo dieses Buch durch Arne ins Bewusstsein gerufen wird, merke ich, dass von "Die Wörter" mehr hängen geblieben ist. Hab mir auch haufenweise Seiten mit Zitaten notiert. So größenwahnsinnig das Buch auch scheinen mag, eins ist mir wieder bewusst geworden, dass Buch rüttelt einen auf, an seinen eigenen Schwächen nicht zu resignieren.
Vielleicht ist Größenwahn da eben ein Rezept.
Jasmin - 10.12.2005 um 01:37 Uhr
Zitat:
Habe auch gehört, dass die Übersetzung von "Das Sein und das Nichts" problematisch sein soll, aber ähnliches meinten bisher fast alle Dozenten zu anderen philosophischen Werken auch. Vielleicht sollte man nicht zu viel darauf geben.
Da ich mich beruflich mit Übersetzungen beschäftige, weiß ich, wie wichtig eine gute Übersetzung sein kann. Von daher denke ich, dass gerade bei philosophischen Werken, die sehr abstrakt und schwer verständlich sind, die Arbeit des Übersetzers von sehr großer Bedeutung ist. Deswegen meine ich, dass man schon etwas darauf geben sollte, wenn Dozenten entsprechende Bedenken äußern.
Manischer Größenwahn lässt das Pendel in die andere Richtung schlagen. Lässt vielleicht erst Produktivität zu, die sonst im Tal der depressiven Minderwertigkeitsgefühle schweigen muss.
Kenon - 10.12.2005 um 01:37 Uhr
Liest man "Der Ekel", ist es schwierig, hinterher konkret zu sagen, was man da eigentlich gelesen hat, obwohl das Lesen selbst ein sehr intensives Erlebnis war. "Die Wörter" ist weniger abstrakt. Der erste Teil "Lesen" hat mich zuweilen extrem angenervt, "Schreiben" ist nun wesentlich besser, ja: großartig.
Mit "Das Sein und das Nichts" habe ich sicherlich die nächsten 3 Monate zu tun. Zur Auflockerung passt dann etwas wie "Die Wörter" ganz gut.
LX.C - 10.12.2005 um 01:44 Uhr
Ja, der erste Teil hat mich auch geradezu gelangweilt, aber das sagte ich glaube ich schon.
Mit "Der Ekel" könntest du recht haben. Vielleicht ist es das. Ja, doch, das wird es sein. Während man das Buch liest, ist es, als taucht man ein in diese trübe Welt. Wunderbar.
LX.C - 10.12.2005 um 01:52 Uhr
[Quote]Da ich mich beruflich mit Übersetzungen beschäftige, weiß ich, wie wichtig eine gute Übersetzung sein kann. Von daher denke ich, dass gerade bei philosophischen Werken, die sehr abstrakt und schwer verständlich sind, die Arbeit des Übersetzers von sehr großer Bedeutung ist. Deswegen meine ich, dass man schon etwas darauf geben sollte, wenn Dozenten entsprechende Bedenken äußern.[/Quote]
Na ja, der universitäre Größenwahn kommt sicher bei diesen Äußerungen auch dazu. Natürlich ist eine akkurate Übersetzung in der Wissenschaft von größter Bedeutung, aber man lässt zur Übersetzung ja auch keine Stümper an diese Werke. Und ich frage mich immer, was nützt das Original, die Fremdsprache bleibt für die Masse ja meist eben doch nur eine Fremdsprache, ob das Verständnis da so groß ist, um Unklarheiten zu beseitigen, wage ich zu bezweifeln. Höchstens schafft das noch mehr Verwirrung.
Jasmin - 10.12.2005 um 02:00 Uhr
Zitat:
Natürlich ist eine akkurate Übersetzung in der Wissenschaft von größter Bedeutung, aber man lässt zur Übersetzung ja auch keine Stümper an diese Werke. Und ich frage mich immer, was nützt das Original, die Fremdsprache bleibt für die Masse ja meist eben doch nur eine Fremdsprache, ob das Verständnis da so groß ist, um Unklarheiten zu beseitigen, wage ich zu bezweifeln. Höchstens schafft das noch mehr Verwirrung.
Es müssen nicht unbedingt Stümper am Werk sein, aber zehn verschiedene Übersetzer werden Dir zehn verschiedene Versionen liefern. Ich versuche immer das Original zu lesen und wenn ich eine Übersetzung lese, versuche ich mir oft vorzustellen, was der Autor wohl wirklich geschrieben hat.
Eine Übersetzung ist immer eine Interpretation. Hierbei fällt mir der Tatbestand ein, dass in Griechenland die meisten Filme nicht synchronisiert sind. Man hört also das Original, liest dazu die griechischen Untertitel und amüsiert sich oft über die lustige Übersetzung.
LX.C - 10.12.2005 um 02:14 Uhr
Diese Nachricht wurde von LX.C um 02:15:57 am 10.12.2005 editiert
Du versuchst es dir VORZUSTELLEN. Ha, das ist ja noch problematischer.
Wenn ich die Vermutung einer Schwachstelle in der Übersetzung habe, dann muss ich schon noch korrekter sein, als der Übersetzer, dem ich den angeblichen Fehler vorwerfe.
Jasmin - 10.12.2005 um 02:30 Uhr
Wenn eine Stelle nicht klar ist, dann kann das auf eine Schwachstelle hindeuten. Meiner Ansicht nach sollte ein heller Geist sich klar ausdrücken können (nicht auf Lyrik bezogen). Sich klar auszudrücken ist eine Kunst. Oder eine Naturbegabung.
Joseph_Maronni - 25.08.2007 um 20:38 Uhr
Von der "typischen Leere" und dem "riesigen Nichts".
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