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--- Überbewertete Klassiker
Kenon - 07.03.2005 um 16:07 Uhr
Welche Klassiker der Weltliteratur werden zu Unrecht als solche eingestuft? Und warum?
Persönliche Meinungen sind hier gefragt!
Jasmin - 08.03.2005 um 21:03 Uhr
Nach welchen Kriterien soll man das beurteilen? Es fällt mir schwer, jemanden zu verreißen. Und das würde ich machen, wenn ich einem "Klassiker der Weltliteratur" seinen Rang streitig machen würde. Allerdings sind mir bei meiner Beschäftigung mit Kavafis, der ja zur Weltliteratur gehört, einige Bedenken gekommen. Die müsste ich noch literaturwissenschaftlich begründen können. Mal sehen, was sich da machen lässt. Dabei fällt mir gerade einer meiner Deutschlehrer ein, der Hermann Hesse verrissen hat, weil jener in einem Gedicht schreibt, dass ein Schmetterling flügelt. Mein Lehrer konnte nicht verstehen, wie ein Schmetterling flügeln kann.
Kenon - 08.03.2005 um 21:24 Uhr
Totschweigen ist natürlich besser als Verreissen, vor allem auch edler und menschlicher. Vielleicht sollten wir uns hier deswegen über die Werke, denen unserer Meinung nach allgemein zu viel Bedeutung beigemessen wird, ausschweigen.
Trotzdem möchte ich zwei Werke, die ich während meiner Schulzeit lesen durfte, kurz und abwertend erwähnen:
Gotthold Ephraim Lessing - Nathan der Weise
Ein einzigartiger humanistisch-aufklärerischer Exzess. Drei Weltreligionen üben sich in Ringelpiez mit usw. - Lessing, der große Lehrer!
Theodor Fontane - Effi Briest
Dieser Gesellschaftsroman ist wie ein überordentlicher Dachboden, der dennoch von so stechend staubiger Luft ist, dass man die ganze Zeit husten muss. Hier und da stehen biedermeierliche Möbel, um einen zu Tode zu langweilen. Einsame Frauen werden dieses Buch dennoch lieben und vielleicht ist der eben erwähnte Dachboden auch ein weites Feld...
Jasmin - 08.03.2005 um 21:37 Uhr
Diese Nachricht wurde von Jasmin um 21:39:24 am 08.03.2005 editiert
Totschweigen hat keine schmerzhaften Folgen für den betreffenden Schriftsteller, wenn er bereits tot ist.
Effi Briest habe ich sehr gerne gelesen, allerdings war ich da noch sechzehn Jahre alt. Mich hat damals die Beziehung von Effi zu ihrem Kind sehr berührt. Ich fand es sehr gemein von dem Kind, dass es nach der Trennung von der Mutter, nach deren Ehebruch, bei Besuchen auf jede Kleinigkeit, die die Mutter vorschlug, stereotyp antwortet:"Ja gewiss, wenn ich darf." Aber da habe ich sicher Eigenes hinein projiziert und so geht es wohl den meisten - irgendwie muss man ansatzweise Berührungspunkte, Identifikationsmodelle entdecken können, um ein Interesse am Gelesenen zu finden.
Vor kurzem nahm ich das Buch zufällig wieder in die Hand, las die erste Seite, stellte fest, dass Theodor Fontane ein sprachlicher Meister ist, jedoch in seinen langatmigen Beschreibungen für mich persönlich zu anstrengend, weil ich den dichten, lakonischen Stil bevorzuge. Aber begabt war Fontane auf jeden Fall, sofern ich das beurteilen kann. Ich wünschte, ich könnte so präzise beobachten und schreiben wie er.
Uve Eichler - 09.03.2005 um 20:31 Uhr
Diese Nachricht wurde von Uve Eichler um 20:37:09 am 09.03.2005 editiert
Hallo Arne,
jetzt bin ich doch etwas erstaunt. Gerade Fontane hat doch mit Effi Briest das allgemein gültige Bild einer jungen Ehefrau vorbildlich dargestellt.
Zur damaligen Zeit wird es noch nicht viele Frauen in leitende Führungsaufgaben gezogen haben.
Auch, wie Du es sagst, fällt mir nicht auf, dass es viel Staub in der Geschichte gibt.
Diese Geschichte wird als Klassiker eingestuft und ich wüsste nicht warum das nicht so sein sollte. Zumal Fontane, hier muss ich Jasmin Recht geben, ein Meister der Sprache war.
Natürlich können wir Klassiker be- oder verurteilen, aber haben wir das Recht diesen Autoren eine Qualifikation abzusprechen?
Immerhin spricht man über diese Klassiker. Ob uns ihr Stil gefällt ist eine andere Sache. Das ist doch eine persönliche Einstellung.
Kenon - 09.03.2005 um 21:09 Uhr
Zitat:
Ob uns ihr Stil gefällt ist eine andere Sache. Das ist doch eine persönliche Einstellung.
Natürlich ist es zum größten Teil Sache der persönlichen Einstellung, obwohl es selbstverständlich objektivierende Kriterien des Ermessens gibt. Man findet sie u.a. auf den Spielwiesen der Literaturwissenschaftler.
Auch wenn ein großer alter Literaturkritiker ein Werk bespricht, haben wir es letztlich nur mit einer persönlichen Meinung zu tun. Der kann man dann wiederum ganz, in Teilen oder gar nicht zustimmen.
Als wichtig erachte ich den Prozess des Hinterfragens. Der sollte erlaubt und sogar erwünscht sein. Althergebrachtes darf man nicht gutgläubig übernehmen, weil man sich sonst so manches faule Ei unterschieben lässt. Hin und wieder muss man die Riesen von ihren Sockeln reissen - meinte z.B. auch Nabokov in seinem Nachwort zu Lolita, sonst endet alles in einer inhaltslosen Götzenanbetung, die sich selbst rechtfertigt, indem sie sagt: Weil es immer schon so war.
Jede Zeit muss die Klassiker, die für sie relevant sind, für sich neu entdecken.
Uve Eichler - 09.03.2005 um 21:21 Uhr
Zitat:
Althergebrachtes darf man nicht gutgläubig übernehmen, weil man sich sonst so manches faule Ei unterschieben lässt. Hin und wieder muss man die Riesen von ihren Sockeln reissen - meinte z.B. auch Nabokov in seinem Nachwort zu Lolita, sonst endet alles in einer inhaltslosen Götzenanbetung, die sich selbst rechtfertigt, indem sie sagt: Weil es immer schon so war.
Hier muss ich dir Recht geben, wenn man Texte ohne Kommentare in sich aufnimmt, nur um unterhalten zu werden, dann ist das nicht nur schlimm sondern unbeholfen.
Es sei denn, es handelt sich um eine Unterhaltungslektüre, die keinen Kommentar erlaubt. Das wäre dann ein Schriftstück welches man getrost zur Seite legen kann, egal ob es nun ein Klassiker ist oder nicht.
Annemarie - 10.03.2005 um 13:57 Uhr
Ich habe vor einigen Wochen "Die Buddenbrooks" vonThomas Mann gelesen, und ich war enttäuscht. Vielleicht maß ich dieses Buch auch am "Zauberberg", ich weiss es nicht. Diese ewigen Kleinlichkeiten und Peinlichkeiten in diesem Buch, diese Überzeichnungen von Personen gaben mir ein wenig das Gefühl, daß alles, was sich abspielte, eher auf einer Bühe geschah. Der Roman hat für mich so etwas Zweidimensionales, kann das gar nicht richtig beschreiben. Das ist mir einmal aufgefallen bei einem japanischen Buch, das vom Japanischen ins Englische und dann vom Englischen ins Deutsche übersetzt wurde. M.E. fehlt eine übergeordnete, zeitlose Dimension, ein bestimmter Ton in der Erzählweise.
Die Menschen dort in diesem Buch haben für mich nichts Zeitloses, sie sind sehr angestaubt, und der geschwätzige Ton stört mich auch zuweilen. Thomas Mann - ein klassischer Autor, ja. Aber dieses Buch - eher nein.
Annemarie
LX.C - 18.01.2007 um 14:43 Uhr
"Die Buddenbrooks" habe ich vor einigen Tagen/Wochen als Film gesehen. Und ich frage mich immer wieder, was mit diesem Thomas Mann los sein soll. So was belangloses. Natürlich war er ein Sprachgenie. Aber hatte er denn was zu vermitteln, was über seine Zeit hinaus inhaltlich wirklich bedeutsam ist? Der Zauberberg soll ja auch nicht gerade ein Reißer sein. "Tristan" fand ich allerdings wirklich gut :-)
Bei Kafka frag ich mich auch immer wieder, ob er bis auf "Der Prozess" nicht überschätzt wird? Ob es nicht nur einfach als "schick" gilt, Kafka zu lesen. Versteht ihn denn der Leser? Man möge sich allein die Geschichtensammlung "Der Ladarzt" ansehen und sich hinterher fragen, ob diese - bis auf eine gehörige Portion Verwirrung - wirklich etwas zu vermitteln haben.
Auch wenn dieses Thema schon kritisiert wurde, es wurde ja eingangs ausdrücklich darauf hingewiesen, dass persönliche meinungen gefragt sind. Warum also immer alles fressen.
Kroni - 19.01.2007 um 14:19 Uhr
Buddenbrocks - immerhin kennt die Betriebswirtschaftslehre das Buddenbrocks-Syndrom mittelständischer Familienunternehmen, die nur allzu häufig genau so entstehen, wachsen, blühen und zugrunde gehen, wie die Firma Buddenbrock.
Meine persönliche Abneigung gilt der Literatur der Aufklärungszeit und der Romantik. Es ist ein rechter Schwulst, der da über einen kommt, der eigentlich nur vor dem Hintergrund des pompösen Barockstils als gute Sprache verstanden werden kann.
Insbesondere die Weimarer Klassik hat es mir nicht sonderlich angetan. Was aus der Fa. Göthe und Consorten heute noch etwas bringt - na gut, die dramatische Literatur ... Faust ist ok, und Schiller´s Räuber sind ja fast Django-mässig ... aber diese langatmigen Romane, diese ätherischen Gefühle, die mich an aufdringliche Parfums erinnern. Und dann gibts ja diese Mittelmässigen Typen, Wieland, Herder, Hölderin und wie sie sonst noch hiessen ... Sollen sich die Germanisten damit rumquälen !
Nochmal zurück zu Thomas Mann - mein Professor sagte mir mal, in der Pubertät hätte man als Jüngling entweder Kafka zu lesen, oder Hesse, oder Thomas Mann (wie mein Professor und auch ich selbst). Wenn man keinen von dreien gelesen hätte, würde auch nix mehr aus einem werden können - meinte er.
Ein kurzer Seitenblick in Richtungen Kafka und Hesse hat es mir bestätigt: eigentlich alles Pubertätslecktüre und insofern hervorragend geeignet, am Penal zerlesen zu werden.
bodhi - 19.01.2007 um 20:11 Uhr
Diese Nachricht wurde von bodhi um 20:13:29 am 19.01.2007 editiert
Keine Antwort auf irgendwen, sondern allgemein:
Eine Bewertung - jenseits der Punktesysteme der Sprachwissenschaftler - eines Textes/Buches darf im Auge des Lesers liegen, nach seinen individuellen Kriterien, die auch ganz einfach "Lesespaß" heißen können.
Wenn ich sage: "überbewertet", dann beziehe ich mich damit auf eine Wertung eines Außen. Jemand anders hat bewertet, und ich bewerte nun: "Das ist überbewertet."
Ich selber lese auch nicht gerne Thomas Mann, aber ich lese ihn nicht gerne, weil ich ihn nicht gerne lese, der Stoff "geht nicht an mich". Das ist individuell. Niemals aber, finde ich (als Beispiel natürlich, man setze jeden beliebigen Autorennamen ein), kann man doch urteilen oder verurteilen. Dazu gibt es zuviele Maßbänder, und wer darf sich anmaßen zu sagen: Ich oder Du oder er oder sie hat das einzig wahre Maßband?
Gruß
ein Naivling.
Gast873 - 19.01.2007 um 21:46 Uhr
Ein unterbewerteter Klassiker ist Raabe. Kennt niemand, deswegen schreibe ich ja seinen Namen auf.
Gruß
Hyperion
bodhi - 19.01.2007 um 21:48 Uhr
Wilhelm? Musste dann schon dazu schreiben. Wertungsfrei.
Gast873 - 19.01.2007 um 21:49 Uhr
Genau.
http://de.wikipedia.org/wiki/Wilhelm_Raabe
Gruß
Hyperion
bodhi - 19.01.2007 um 21:51 Uhr
...und nun die persönliche Wertung, warum er gut ist/war? Ernst gemeint.
LX.C - 19.01.2007 um 21:54 Uhr
[Quote]Niemals aber, finde ich (als Beispiel natürlich, man setze jeden beliebigen Autorennamen ein), kann man doch urteilen oder verurteilen. Dazu gibt es zuviele Maßbänder, und wer darf sich anmaßen zu sagen: Ich oder Du oder er oder sie hat das einzig wahre Maßband?[/Quote]
Sobald du dir eine Meinung bildest urteilst du doch aber schon. Das kann nach deinem eigenen Maßstab geschehen, ohne den Anspruch, dass dieser bindend ist. Und nichts anderes wurde gefordert. Oder wie ist deine Anmerkung genau zu verstehen? So recht kann ich sie nicht deuten.
Gast873 - 19.01.2007 um 21:58 Uhr
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 22:07:10 am 19.01.2007 editiert
Lukacs schrieb 1940 (in den Jahren des Untergangs also), dass manches Schaffen in eine dichterische Niederlage münden kann. Und manchmal zu Unrecht in Bezug auf Raabe, weil Raabes Schriften eine sehr schöne Sprache aufweisen, die irgendwo zwischen Studenten-Deutsch und realstischem Scharfblick des Poeten anzusiedeln sind, und deshlab was Einmaliges sind. Thematisch behandelt Raabe einen Kosmos, eine Welt: die Umwelt und die Stellung des aufgeklärten modernen Menschen mit all seinen irrationalen Ängsten in ihr.
Gruß
Hyperion
LX.C - 19.01.2007 um 22:00 Uhr
Ja, vielleicht sollten wir lieber ein Thema eröffnen: Unterbewertete Klassiker. Nach oben hin scheint immer alles offener.
bodhi - 19.01.2007 um 22:03 Uhr
Zitat:
Oder wie ist deine Anmerkung genau zu verstehen?
Das bezog sich auf das Wort "überbewertet". Weil ich damit bewerte, wie ein anderer bewertet hat. Ansonsten stimme ich Dir zu.
LX.C - 19.01.2007 um 22:08 Uhr
Das drückt lediglich aus, dass deiner Meinung nach, die gesellschaftlich hohe Anerkennung nicht deiner Ansicht entspricht. Vielleicht bewertest du ja einfach das Wort überbewertet über.
bodhi - 19.01.2007 um 22:11 Uhr
Zitat:
Vielleicht bewertest du ja einfach das Wort überbewertet über.
So kann man es auch werten, klar.
LX.C - 19.01.2007 um 23:55 Uhr
Oder man drückt es wie Bukowski aus:
[Quote]Ich weiß noch, wie ich eines Tages einen langen wütenden Brief von einem Mann bekam, der meinte, ich hätte kein Recht zu sagen, dass Shakespeare nicht gut ist. [...] Ich hätte kein Recht zu so einer Haltung. Er hörte gar nicht mehr auf. Ich gab ihm keine Antwort. Aber ich werde es hier tun: Du kannst mich mal, Kumpel. Und Tolstoi find ich auch nicht gut! (Quelle: Bukowski, Charles: Den Göttern kommt das große Kotzen, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2006, S. 159.) [/Quote]
Vielleicht ist das eine neutralere persönliche Wertung :-)) Vor allem aber sagt das eins aus, niemand hat uns das Recht abzusprechen, persönliche Werturteile auszusprechen, seien bewertete Künstler auch noch so hoch angesehen und gesellschaftliche relevant.
bodhi - 19.01.2007 um 23:56 Uhr
Yeah! (deutsch: Oh, ja...)
Kroni - 21.01.2007 um 13:32 Uhr
Mir fällt da nochwas ein, nämlich die Nobelpreisträger für Literatur. An die hundert Stück gibt es davon, und kaum einer davon wird heute noch verlegt, geschweige denn gelesen. Ja man kennt sie kaum noch - vielviele Namen von diesen Typen kriegt man noch zusammen, ohne lange nachzudenken, oder gar bei wikipedia nachzuschauen ? Zwei, drei, fünf, sechs - das war´s dann aber auch.
Zumal in den letzten Jahren, wo sie angefangen haben, irgendwelchen Drittwelt-Literaten den Preis umzuhängen, um zu demonstrieren, daß das Gutmenschentum auch in Stockholm angekommen ist, wiederholt sich ein immer gleiches Ritual:
Da kriegt irgend ein Ägypter, von dem niemals zuvor jemand was gelesen hat, den keiner kannte, den Preis. Dann schicken die Verlage ihre Jäger aus, und in Windeseile wird dieser Ägypter übersetzt, gedruckt, und in die Schaufenster der Buchhandlungen gestellt, und in der ZEIT erscheinen endlose Rezensionen und Begründungen dafür, warum das eine gute Entscheidung des Nobelkomitees gewesen war, auf die die Welt schon lange gewartet hat. Und dann schenken sich die arrivierten Gutmenschen einander dieses Schwarten, und in ihren Wohnzimmerregalen weisen sie aus: siehe, auch ich bin ein guter Mensch, und ausserdem up to date.
Und nach ein paar Jahren hat ihn jeder wieder vergessen. Rachfuß oder so hiess er doch ?
Wen haben wir eigentlich jetzt aktuell als Nobelpreisträger - irgendsoeinen Osteuropäer, Rumäne, Bulgare oder so - sozusagen einen Über-Ossi ... na egal, nächstes Jahr interessierts sowieso keinen mehr.
Herr Aldi - 21.01.2007 um 14:41 Uhr
Der Türke als Über-Ossi, warum auch nicht. Der letzte Schriftsteller aus dem Ostblock, der den Literaturnobelpreis erhalten hat, war 2002 Imre Kertész aus Ungarn, aber das ist ja schon etwas her, genau wie der Rachfuß, das war irgendwann in den Achtzigern.
Ich bin jetzt spontan auf 17 Nobelpreisträger gekommen, die im neuen Jahrtausend mal außen vorgelassen, Beckett, Sartre (naja, der eben so halb), Camus, Böll, Grass, Saramango, Lagerlöf, Th. Mann, Steinbeck, Hemingway, Eliot, Shaw, France, Hamsun, Mommsen, Hauptmann und Hesse - wobei auffällig ist, dass sich darunter (lässt man mal Saramango, Grass und Böll beiseite) niemand befindet, der in der Zeit zwischen 1970 und 2000 den Nobelpreis erhalten hat. Vielleicht sollte man diesen Leuten und ihren Werken noch etwas Zeit geben, in dreißig Jahren hat möglicherweise der ein oder andere von ihnen ebenso Eingang in den Kanon der Weltliteratur gefunden wie die von mir aufgezählten.
Man sollte sich allerdings, insofern ist dein Beitrag nicht ganz falsch, fragen, ob ein Literaturpreis, zu dem Kandidaten aus aller Welt zugelassen sind, überhaupt Sinn macht. Die Bedeutung eines Autors kann in unterschiedlichen Kulturkreisen völlig verschieden sein. Es reicht schon allein, in Frankreich in eine Buchhandlung zu gehen und dort nach deutschsprachigen Büchern zu suchen. Welcher Autor ist da wohl mit den meisten Werke vertreten? Nein, nicht Goethe oder Schiller, auch nicht Kafka oder Mann, sondern Stefan Zweig - warum auch immer.
bodhi - 21.01.2007 um 19:08 Uhr
Zitat:
... na egal, nächstes Jahr interessierts sowieso keinen mehr.
Evtl. noch den Kontoauszug, der den Preisträger anlächelt.
Gast873 - 21.01.2007 um 22:12 Uhr
Zitat:
niemand befindet, der in der Zeit zwischen 1970 und 2000 den Nobelpreis erhalten hat.
Vielleicht liegt es darin begründet, und ich bin durchaus dabei einer Meinung mit dir, dass Nobelpreisträger ab 1970 noch keine Klassiker sind, weil sie immer noch Zeitgenossen sind. Das ist jetzt nicht tautologisch zu verstehen. Manche Philosophieprofessoren zählen z.B. Heidegger nicht zu den Klassikern,sondern für sie hört Philosophie klassisch-geschichtlich mit Schopenhauer, geistig gesehen mit Hegel auf.
Gruß
Hyperion
LX.C - 23.01.2007 um 23:12 Uhr
Ist ja auch keine Klassikerauszeichnung, sondern eine für Gegenwartsautoren.
Gast873 - 24.01.2007 um 12:22 Uhr
Deswegen ja, wie ich schrieb, nicht tautologisch, denn sonst wäre es tautologisch, dass man, um den Nobelpreis zu kriegen, der eine Klassiker-Auszeichnung wäre, bereits tot sein müsste. ;-)
Und manch ein Lebender (damals, siehe Sartre) hat den Nobelpreis abgelehnt, weil er, wie er meinte, seine literarische Beerdigung gewesen wäre.
Gruß
Hyperion
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