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--- Marguerite Duras

Jasmin - 05.03.2005 um 02:17 Uhr

Marguerite Duras, eigentlich Marguerite Donnadieu, wurde in Giadinh (Vietnam) am 4.4.1914 im Zeichen des Widders geboren. Sie studierte Jura, Staatswissenschaften und Mathematik. Im Zweiten Weltkrieg war sie Mitglied der Resistance, ihr Ehemann Robert Antelme, wurde in ein deutsches Konzentrationslager deportiert. Nach dem Krieg arbeitete sie als Journalistin. Die Schriftstellerin und Regisseurin gilt als eine der Hauptvertreterinnen des Nouveau Roman ("Moderato Cantabile", 1958). Marguerite Duras schrieb zahlreiche Dramen und Drehbücher ("Hiroshima mon Amour", 1959) und führte Regie u. a. in den Filmen "Zerstören, sagt sie" (1969) und "Indiasong" (1975). Weitere Romane: Der Liebhaber (1984), Emily L. (1987).
Marguerite Duras starb am 3.3.1996 in Paris.

Sie gilt als eine der wichtigsten französischen Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Eines der zentralen Themen ihrer Arbeit ist die Sackgasse der Liebe, die Bedeutung der fatalen Begegnung zweier Menschen.

Marguerite Duras, von manchen als größte französische Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts bezeichnet, litt zu Beginn der 80er Jahre unter einer massiven Schreibblockade, die sich löst, als sie auf den jungen Studenten Yann Andréa trifft. Der Philosophiestudent Yann Andréa ist 30 Jahre jünger als Marguerite Duras und ein großer Bewunderer ihrer Texte, die eine magische Sogwirkung auf ihn ausüben, ihn in ihren Bann ziehen. Zum ersten Mal liest er mit Anfang zwanzig einen Roman der Duras und verliebt sich dabei unsterblich in ihr Wort. Nach dieser ihn verzaubernden Lektüre gibt Yann Andréa alles auf. Kant, Hegel, Spinoza, Stendhal, Marcuse. Er liest fortan nur noch Bücher der Duras. Alles Lesbare, was er von ihr finden kann.

Zukünftig schreibt er der angebeteten Schriftstellerin täglich Briefe. Briefe, auf die er keine Antwort bekommt. Fünf obsessive Jahre lang. Als er endlich aufgibt, meldet sie sich bei ihm und lädt ihn zu sich ein. Der Philosophiestudent sucht Marguerite Duras in der Normandie auf, wo sie einsam und allein lebt, dem Alkohol verfallen und in ihrem Schaffen blockiert.

Mitten im Sommer steht der junge, schüchterne Student im dunklen Flanellanzug vor der über 60-jährigen Schriftstellerin. Sie weist ihn zurecht, weil er nicht die Klingel benutzt hat, macht ironische Bemerkungen über seinen Anzug.

Was nun folgt, ist die unmögliche Geschichte einer utopischen Liebe. Alles spricht dagegen, wirklich alles, aber es hilft nichts. Yann Andréa zieht bei Marguerite Duras ein. Er wird für sie Muse, Sekretär, Geliebter und Pfleger. Anschließend leben die beiden ein ewiges Spiel, in dem es um intensive Nähe und Distanz geht, da die Duras die plötzliche Nähe und Intensität nicht ertragen kann. So setzt sie ihren jungen Liebhaber nach besonders tiefen Momenten vor die Tür, um ihn bald danach wieder bei sich aufzunehmen.

Das Wesentliche an dieser Lebensgeschichte: Yann Andréa hilft Marguerite Duras, die hartnäckige Schreibblockade, gegen die sie seit Jahren kämpft, zu überwinden. Obwohl die Schriftstellerin von Krisen, Ambivalenzen, Zweifeln und schmerzlichen Rückfällen in die Alkoholabhängigkeit heimgesucht wird, inspiriert sie ihr junger Geliebter dennoch zu einem ihrer größten Erfolge, „Der Liebhaber“. Obwohl sie immer geglaubt hat, dass die absolute Einsamkeit notwendig sei für den kreativen Prozess des Schreibens, sieht sie nun, dass es nicht unbedingt so sein muss.

Yann Andréa und Marguerite Duras werden 16 Jahre nach ihrer ersten Begegnung durch den Tod der Schriftstellerin im März 1996 getrennt.




Uve Eichler - 05.03.2005 um 12:47 Uhr

Zitat:

Obwohl sie immer geglaubt hat, dass die absolute Einsamkeit notwendig sei für den kreativen Prozess des Schreibens, sieht sie nun, dass es nicht unbedingt so sein muss.

Bestimmt hat sie erkannt, dass man sich auch in Zweisamkeit entschuldigen kann um dann in Einsamkeit zu arbeiten.
Der günstigste Fall wäre die Zustimmende Haltung des Partners.





Jasmin - 05.03.2005 um 13:00 Uhr

Zitat:

Bestimmt hat sie erkannt, dass man sich auch in Zweisamkeit entschuldigen kann um dann in Einsamkeit zu arbeiten.
Der günstigste Fall wäre die Zustimmende Haltung des Partners.

Die Einsamkeit, die man sich für mehr oder weniger beschränkte Zeit in einer Zweierbeziehung erhandeln muss, ist wahrscheinlich eine andere Einsamkeit, als die, von der in meinem Duras-Zitat weiter unten in meiner Signatur die Rede ist. Allein der Gedanke, dass da jemand ist, der auf einen wartet oder der irgendwann wiederkommt, verhindert die totale Einsamkeit, die für kreatives Schreiben notwendig ist. Dass Marguerite Duras dennoch gute Bücher geschrieben hat, obwohl sie jemand an ihrer Seite hatte, ist eine verwirrende Ausnahme.




Jasmin - 24.03.2006 um 14:42 Uhr

Zitat:

In einem Loch sein, auf dem Grund eines Lochs, in einer gleichsam totalen Einsamkeit und entdecken, daß nur das Schreiben retten kann. Keinen Stoff, keine Idee für ein Buch haben, gerade das bedeutet, plötzlich vor einem Buch zu stehen. Vor einer verfügbaren Unermeßlichkeit, vor einem möglichen Buch. Vor nichts. Vor einem lebendigen und nackten Schreiben, das schrecklich ist, schrecklich zu ertragen. Ich glaube, daß die Person, die schreibt, ohne Idee von einem Buch ist, sie hat leere Hände, einen leeren Kopf und erfährt das Abenteuer des Schreibens nur als trockene, nackte Schrift ohne Zukunft, ohne Echo, mit den elementaren Grundregeln von Orthographie und Sinn.

Marguerite Duras
Schreiben. Aus dem Französischen von Andrea Spingler




Uve Eichler - 24.03.2006 um 16:54 Uhr

Der Zwang des Schreibers etwas schreiben zu müssen kann ihn in eine Ecke drängen, die er nur noch nackt bearbeiten kann.
Wenn er diese Situation durchläuft wird er seine eigene Schreibe in ein ehrliches Ausdruckschreiben pressen um gehört zu werden.
Bestimmt wird die Mehrzahl der angesprochenen Leser diesen Hilferuf nicht verstehen.
Der Schreiber stellt sich selbst als Abenteuer suchend in die vorderste Reihe, sucht aber gleichzeitig die Unterstützung von den Befürwortern seiner Theorien.
Eine Vorgehensweise, die Förderung verdient.




Jasmin - 24.03.2006 um 18:21 Uhr

Marguerite Duras schildert in ihrem Essay ihre Beziehung zum Schreiben, in welchem sie die einzige Rettung aus ihrer Einsamkeit sieht. Sie sagt, dass es kein Grund zum Resignieren ist, wenn man weder Stoff, noch Idee für ein Buch hat. Im Gegenteil. Diese Tatsache impliziert, dass man plötzlich aus dem Nichts ein Buch schöpfen kann. Man steht also vor einem Nichts, ohne Idee, ohne Stoff, aber plötzlich ist alles da - ein Buch entsteht. Und gerade da fängt das Abenteuer an, die Geburt eines Buches, die wie jede Geburt nicht ohne Schmerzen verläuft.

Besonders schmerzhaft ist für M. Duras, dass dieses Schreiben zunächst kein Echo hat. Vielleicht wurde sie deshalb durch die Freundschaft mit Yann Andrea nach einer Blockade wieder kreativ. Sie diktierte ihm ihre Texte, er tippte sie auf einer Schreibmaschine ab und kommentierte hin und wieder den einen oder anderen Satz.

Nun hatte sie fortan bis zu ihrem Tode ein Echo.




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