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--- Der Mann der wegging

tekkx - 04.03.2005 um 16:22 Uhr

Während Kinderaugen von Fliegen das Wasser ausgesaugt wird, freut sich ein paar tausend Kilometer weiter die kleine Anke über den Lamborghini für ihre Plastik-Aa-Puppe, die dreihundert Sätze sprechen und lernen kann, über WLAN-direct zu T-Online. Gleichzeitig ist sie ein Handy. Wenn Anke die Puppe wegschmeißt, aktiviert sich ein Sender und ich werde, weil ich ihr Papa bin, angeklagt. Das ist schon 33mal passiert.
Ich will mehr! - sagte die dreidimensionale Kindergarten-Zeichentrick-Maus, in ihrem Bonbon-Creme farbigen sponsored-by-Deathmatch-Haus. Das eigene Kind spricht die Sätze der Fernseh-Wand nach, dazu Dolby-Surround-Live-Action-Krach. Produktnamen werden zum Lebensinhalt der Zweijährigen, und im Schlaf lässt sich das noch steigern. Der Tag wird durch den Traum programmiert, und das Geträumte in die Standard-Routine-Variablen installiert. Die unwirkliche Frau fragt etwas, der unwirkliche Mann beantwortet das. Die Fragen – gestellt, ihre wahre Natur wird auch nicht durch Skepsis erhellt. Die Skepsis – aus dem Fragebogen entnommen, der jetzige Reim wird auch noch vernommen.
Ich wollte den Zustand der Medien, der Gesellschaft und der Sozialisation kritisieren. Das ist mir gelungen – mittels des Microsoft-Programms “Critics“: Ein Baukastenprogramm für den Kritiker in uns, ich wähle aus vorgegebenen Kategorien und lasse sie mit meinem Zustand verbinden; mein aktueller Lebenszustand ist auf dem Microsoft-Server hinterlegt. Über eine grafische Touchscreen-Oberfläche kann ich innerhalb der Rahmen eingreifen, z.B. indem ich hübsche Blumen, Teddy-Bären oder Flugzeuge auswähle, die sich dann lustig drehen. Meine eigene Leistung ist, dass ich mich davon jedoch nicht ablenken lasse, sondern den Weg verfolge. Und am Schluss kommt ein synthetisch-selbst-erstellter Text heraus, der in den Lesercharts für Hausfrauen auf Platz sieben gelangt. Daraufhin ruft mich T-Online an und fragt etwas, das Programm Critics schlägt eine Antwort vor.
Das gesamte Geschehen wird von schwebenden Kameras mit Giftstacheln verfolgt, die über Zuschauer-Anrufe betätigt werden. Wenn keiner anruft, werden sie gemäß ihrer Standard-Routine aktiviert und töten, verletzen, je nach dem nach was, davor und darüber. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das Haus verlassen oder eine 3D-Welt betreten habe, welche die reale Welt simuliert und andersherum. Die Vögel beobachten mich mit ihren Kamera-Objektiven, und die Fliegen tun so, als ob sie Nektar fördern.

Ich laufe an Häusern vorbei, bis eine Tür auf geht, ich hineingehe, und wo anders Papa bin.




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