Guten Morgen !

Sie wacht auf, noch bevor der Wecker geläutet hat. Schnell schaltet sie dieses tickende Foltergerät ab und verläßt das Bett. Draußen bellt der Hund. Sie öffnet die Schranktüre, kramt den alten verbogenen Regenschirm hervor und tritt auf den Balkon. Kühle Morgenluft schlägt ihr entgegen, die Sonne ist noch nicht aufgegangen, die Vögel singen erste Frühlingslieder. Entschlossen spannt sie den Regenschirm auf und springt über das Balkongeländer. Unten angekommen, im Garten, legt sie ihn vorsichtig auf den taunassen Boden. Was für ein herrlicher Morgen, denkt sie, der Regen hat den Pflanzen gut getan. Die Gräser sind fast so hoch wie der Hund, der Löwenzahn blüht. Nur die Rosen schlafen noch. Liebevoll steckt sie ihre Füße zwischen ihnen in die Erde, umschlingt zärtlich die Wurzeln mit ihren Zehen und beginnt leise eine Melodie aus ihrer Kindheit zu summen. Der Hund schlägt wieder an, aber das stört nun nicht mehr, es haben sich schon erste Knospen gebildet. Die Rosenstöcke beginnen mitzusingen und die Frau blüht auf. Gemeinsam singen und blühen und duften sie, bis ein schriller Ton die Gartenidylle zerfetzt.

Scheiße.

Das war der Wecker, dieser Mörder.

Wütend packt sie ihn, schleudert ihn gegen die Wand und hofft, daß er das diesmal nicht überlebt.

Wäre da nicht die Hundepfote auf ihrer Schulter, würde sie sich umdrehen und weiterblühen.