Den Menschen, die ihn nur als Rockstar kannten, ist er durch dieses sein plötzliches Fortgehen mit einem Schlage nah wie selten, indem sie sich mit dieser Nachricht befassen, Erinnerungen hervorrufen, alte Lieder erneut abspielen. Den Rockstar wörtlich nehmend war Scott Weiland ja nur ein Objekt am Himmel, als Mensch nicht erreichbar – und doch, darin besteht ja ein Teil der Faszination, welche die Kunst auf uns ausübt, möchte man den Menschen hinter der künstlerischen Produktion erkennen, aber es gelingt nie, weil der persönliche Hintergrund immer vom Vordergrund der Rolle verdeckt wird, sich die Bilder, die sie abgeben, auch überlagern.
Da der Mensch aufgehört hat zu sein, ist er als Vorstellung um so gegenwärtiger. Durch die Technik bezwingen wir den Tod – das Verstummen von Weilands Musik. Jedes „Play“ wird für sich zu einer Auferstehung, vorgetragen auf ganz privaten Bühnen.
Scott Weiland als Mensch begegnet uns in seinen letzten Zeugnissen. In einem gefilmten Interview sitzt er fast bewegungslos, versteckt in einem Parka unter einer orangenen Wollmütze und beantwortet triviale Fragen wie nach dem ersten, dann dem letzten Kuss – die kann man jedem stellen, und jeder kann sich etwas darunter vorstellen. Man sieht das Leiden, den Schmerz, die Anstrengung in seinem ausgezehrten Gesicht, die Teilnahmslosigkeit an der Welt, die er nicht zu der seinen machen konnte. Das Gesicht erinnert einen an Chet Baker: Aus der angegangenen, dünnen Körperhülle glimmen noch immer die Lichter von Genius und Charisma, doch um sie kreisen Schleier, Nebel und die wachsenden Fesseln des Todes.
In Weilands letztem Interview für einen Radiosender aus Toronto hören wir seine träg-entrückte Stimme in immer nur knappen Antworten über eine Telefonverbindung. Es ist mehr ein Selbstgespräch des Moderators, der unermüdlich in gekünsteltem Schwange versucht, etwas greifbares aus dem Sänger herauszubringen, Zeit – also Sendeminuten – mit ihm zu sammeln, das Schweigen zu übertünchen, denn vertreiben kann er es als jemand, der den Künstler beim Aufenthalt in seinem Rückzugsort stört, nicht. Auf fast jeden dieser Versuche wird dem Radiomoderator ein fernes, schweres "Yeeee-aaah" entgegengebracht. Damit er nicht ganz leer ausgeht, entkitzelt er Weiland zum Ende des seltsamen Vorganges noch ein "Fuck ISIS". Das schafft es immerhin als Nachrichtenzeile in einige Klatschblätter.
Aber so wird Scott Weiland nicht erinnert sein. Durch seine musikalischen Aufzeichnungen bleibt er uns erhalten, durch seinen Verlust werden wir seine wahre Größe erst noch erkennen - auch in kommerziell weniger erfolgreichen Werken wie dem experimentellen Album "12 Bar Blues" (1998), durch seinen Tod hat alles nun etwas endgültiges. Nichts wird ihm mehr hinzugefügt werden.
Das war es - und war doch noch nicht alles.
Zitat:
too much walkin', shoes worn thin
too much trippin' and my soul's worn thin
time to catch a ride
it leaves today, her name is what it means
to much walkin', shoe's worn thin
(Lyrics aus: „Big Empty“)
too much walkin', shoes worn thin
too much trippin' and my soul's worn thin
time to catch a ride
it leaves today, her name is what it means
to much walkin', shoe's worn thin
(Lyrics aus: „Big Empty“)