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Literaturforum: Endlosschleife Teil 2


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 Thema: Endlosschleife Teil 2
andymacht
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2 Forenbeiträge
seit dem 21.01.2010

     
Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 21.01.2010 um 16:30 Uhr

Mit ihrer Hand auf meiner Brust erzählte ich ihr von meiner Vergangenheit, dem frühen Verlust meiner Mutter durch einen Betrunkenen., die Jahre bei meiner Oma und auf der Straße. Vom Gefühl, wie es war, keinen Vater zu haben, weil dieser mich aus religiösen Gründen verstieß und vieles mehr beschrieb ich ihr.
Es war eine wunderbare Nacht, und so nah wie ihr hatte ich mich vorher noch keinem Menschen gefühlt.
Am nächsten Abend fand wieder unser kleiner Stammtisch statt.
„Der Verlust meiner Mutter durch einen Betrunkenen schien ihr sehr nah zu gehen“, erklärte ich meinem Freund am gewohnten Ort.
„Natürlich - die Frau ist eben sehr einfühlsam. Ich finde es klasse, dass du diesen Weg gegangen bist. Willkommen in der weißen Lebenszone.“, wir stießen an.
„Schade ist, dass sie mir so wenig erzählt hat. Über ihren Vater zum Beispiel, bei dem sie lebt, hat sie gar nicht gesprochen. Und bei ihr war ich immer noch nicht.“
„Hat sie es dir denn verboten?“, wollte Mike wissen.
„Nein, das nicht. Wir meiden das Thema bloß,“ entgegnete ich ihm.
„Kauf ihr einen Blumenstrauß und überrasche sie. Klingel einfach an ihrer Tür und sage ihr, dass du Sehnsucht hattest.“
„Weißt du was, dass mache ich vielleicht!“, antwortete ich und ignorierte, wie immer, die anderen hübschen Mädchen im Raum.
Tatsächlich befolgte ich seinen Rat und einige Tage später stand ich abends mit einem Blumenstrauß vor Jennys Haustür und klingelte.
Erstaunt schaute sie mich an, war aber erfreut und nach einer stürmischen Begrüßung schauten wir uns in ihrem Zimmer einen Film an.
„Wieso hattest du immer etwas dagegen, dass wir hier Zeit miteinander verbringen?“, fragte ich sie.
Sie schien etwas verunsichert und antwortete: “In Ordnung Marc, ich wollte es dir nicht sagen, aber mein Vater hat Probleme und ich bin das Einzige, was er noch hat...“
Auf einmal riss ein wütender Mann mittleren Alters die Zimmertür auf und schaute mich aus seinen roten, hasserfüllten Augen an.
„ Wer ist denn dieser Bastard?“ schrie er in unsere Richtung und schlug die Zimmertür wieder zu.
„Jennifer, bewege gefälligst deinen Hurenkörper in den Flur, ich muss mit dir reden.“, tönte es von draußen.
„Was ist denn hier los?“, flüsterte ich und war völlig geschockt.
„Ich habe dir doch gesagt, dass mein Vater keinen Männerbesuch duldet. Außerdem ist er ein starker Trinker. Er hat Probleme...“
„Sofort!“, donnerte es erneut aus dem Flur.
Sie stand auf, und meine Versuche, sie davon abzuhalten, waren genauso zwecklos, wie einer rasenden Wildschweinmutter zu erklären, dass man ihren Ferkeln nichts tun würde.
Wie paralysiert liefen Bilder vor meinem inneren Auge ab. Meine Mutter blutüberströmt in dieser Bar. Die Jahre auf der Straße und die wohlhabenden, nach Alkohol stinkenden Männer, die ich dort kennen lernte.
Es gab einen höllischen Lärm, und als Jenny schrie und der Knall einer Ohrfeige noch im Flur verhallte, riss ich die Tür auf und sah, wie sie sich auf dem Boden liegend vor Schmerzen wand.
Ihr Erzeuger schüttelte sich die rechte Hand und blickte mit leeren, vom flüssigen Teufel rot gefärbten Augen in mein wahrscheinlich zu erst geschocktes, dann von vor Wut verzerrtes Gesicht.
Dem unkontrollierten Herumgefuchtel des Betrunken ausweichend streckte ich ihn mit einem Schlag nieder. Ich trat ihm noch zwei Mal in die Seite, und als ich sicher war, dass er erst einmal nicht mehr aufstehen würde, drehte ich mich zu meiner Freundin um.
Sie stand schon wieder aufrecht und schaute an mir vorbei auf den langsam atmeten Männerkörper.
„ Papa!“, schrie sie und kniete sich neben den Mann, der sie ein paar Minuten zuvor noch als Schlampe beschimpft und geschlagen hatte.
„Was hast du getan, Marc? Warum bist du bloß hierher gekommen?“, schrie sie mich an.
Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, dass ihr Vater nicht ernsthaft verletzt war, warf sie mich mit den Worten, ich sei der schlimmste Fehler, den sie je begangen hätte und sie würde mich nie wieder sehen wollen, aus ihrem Haus.
Alle Erklärungsversuche und Liebesschwüre zerschellten an der kalten Mauer, die binnen Sekunden zwischen uns hoch gezogen worden war.
Mein Kummer führte mich schnurstracks in einen Spirituosengeschäft und anschließend in meine Wohnung.
Ein junger Mann, der mir fremd zu sein schien, schaute mir mit roten Augen und zerzausten Haaren aus dem Badezimmerspiegel entgegen.
„Ich schaudere nicht, den kalten schrecklichen Kelch zu fassen, aus dem ich den Taumel des Todes trinken soll!“, sprach das fremde Spiegelbild.
„Was willst du mir sagen?“, fragte ich. Doch ich wusste schon, worauf er hinaus wollte. Das Werk, aus dem das Zitat stammte, war mir mehr als nur bekannt und es lag aufgeschlagen auf meinem Schreibtisch
„Du reichtest ihn mir und ich zage nicht. All! All! So sind alle die Wünsche und Hoffnungen meines Lebens erfüllt! So kalt, so starr an der Pforte des Todes anzuklopfen.“, zitierte mein Spiegelbild weiter aus Die Leiden des jungen Werther von Johann Wolfang von Goethe
„Dass ich des Glückes hätte teilhaftig werden können, für dich zu sterben! Ich wollte mutig, ich wollte freudig sterben. Wenn ich dir die Ruhe, die Wonne deines Lebens wieder schaffen könne.“, fuhr ich, etwas nuschelnd durch die halbe Flasche russischen Trosts, fort.
Mein Blick fiel auf den Fön, die Steckdose und die Badewanne. Sollte es nun so enden?
„Aber ach! Das ward nur wenigen Edlen gegeben, ihr Blut für die...“, sprach der Mann aus dem Spiegel weiter und verstummte plötzlich mitten im Satz. Der Feuervogel Phoenix, vom Badezimmerregal, kam mir gerade recht, um mit ihm die Gedanken in tausend Teile zu zerschlagen.
„Sieben Jahre Pech sind mir lieber, als das Ende von Werther zu teilen“, sprach ich, ging in mein Zimmer, warf meine Yucca-Palme um, schnappte mir den Edding und schrieb an meine Wand:
Himmel und Hölle
Schön war die Zeit, der Himmel nah
Heute, groß das Leid!
Langsam wird mir klar,
es wird niemals mehr so sein,
wie es einmal war!

Ich sehe dich,
du siehst mich nich´!
Der Himmel ist fern.
Gute Erfahrungen wünsche ich mir,
doch nur aus schlechten kann man lernen.

Wo ist die Liebe, die uns verband?
Ich erreiche des Wahnsinns Rand!
Die Hölle bricht ein!
Doch ich spüre, ohne das Schwarze
wäre das Weiße nicht so rein

Weitere Versuche, den Kontakt zu Jenny wieder aufzunehmen, blieben erfolglos, und ich lernte mit der Zeit, damit umzugehen. Trotzdem treffe ich mich nun auch wieder mit Mike. Nachdem ich ihm zunächst die Schuld an allem gegeben hatte, wurde mir klar, dass seine Ratschläge nur die Ratschläge eines Freundes waren, und am Abend sahen wir uns wie gewohnt an unserem Erholungsort.
„Du hast dich weiterentwickelt, und sie war noch nicht so weit. Das Wichtigste ist nun, nicht wieder in dein altes Muster zurück zu fallen.“, betonte er.
Zustimmend schaute ich hinüber zu einem sehr hübschen Mädchen am anderen Ende des Tresens.
Der gut beleuchtete Hausflur bot ein Bild des Abschieds, das nicht besser zu dieser Nacht hätte passen können.
Die Mülltonnen warenschlampig abgestellt und versperrten den Weg nach draußen.
„Warum gehst du denn? Ich dachte du wolltest mit mir frühstücken?“, sprach das Mädchen vom Tresenende. „Wir sind fast Nachbarn und ich frühstücke grundsätzlich allein“, antwortete ich. „Echt - wo wohnst du denn?“
Der Knall der zufallenden Tür teilte ihr meine Antwort mit, nur diesmal konnte ich mir, als ich entspannt - und ich glaube, auch etwas zerzaust - durch den Sonnenaufgang nach Hause ging, ein Lächeln nicht verkneifen.

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