Sabine Marya
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 21.06.2008 um 08:30 Uhr |
"Stationen auf dem Weg nach Hause“ von Ruth Schullerus, gelesen von Sabine Marya
Das Buch „Stationen auf dem Weg nach Hause“ von Ruth Schullerus enthält Berichte und Erzählungen jüdischer Immigranten aus der ehemaligen UdSSR. Ergänzt wird dieses wichtige Zeitdokument mit Fotos aus der Gegenwart bis hin zur Zarenzeit.
Die Texte dieses Buch sind ein erschütterndes und eindrucksvolles Zeitzeugnis, das von ganzem Herzen berührt. Es ist gut, dass sich Ruth Schullerus auf den Weg machte, sich dieser entsetzlichen Lebens- und Überlebensgeschichten von Menschen zu stellen, die noch heute an den Folgen der Naziverbrechen zu leiden haben. Tiefes Leid ist hier dokumentiert, aber auch ein großer Wille zur Versöhnung, der uns fast sprachlos machen kann. Dazu gehören auch Geschichten wie die einer jüdischen Frau, die einem hungernden deutschen Soldaten aus der versprengten deutschen Armee kurz vor Kriegsende ihr Brot gibt. Ergreifende Geschichten berichten über eine Kettenreaktion der Liebe und Opferbereitschaft, die vor über 60 Jahren begann und bis heute andauert. Sie bewirkte die Versöhnung zwischen Juden und Christen.
„Wir bekennen auch, dass ohne die Verbrechen in Nazideutschland und ohne die Gleichgültigkeit unseres Volkes und auch unserer Kirchen nie ein Holocaust möglich gewesen wäre. Du und ich, wir alle, die wir damals lebten, sind schuldig geworden durch unser Schweigen, durch unsere Gleichgültigkeit und unseren Mangel an Bekennermut.“, schreibt diese mutige Frau und ruft dazu auf, heute nicht mehr wegzuschauen, sondern zu handeln.
Die verschiedenen Berichte und Erzählungen über das Leben und Leiden russischer Juden, die in diesem Buch zusammengefasst wurden, sind Schilder gegen das Vergessen und gegen das Wegsehen.
„Ich kann und will keineswegs die Haltung meiner Eltern und vieler Christen, die damals geschwiegen haben, verurteilen. Auch ich bin schuldig geworden. Darum will ich mich in tiefer Scham und Schmerz für mich persönlich, für meine Eltern und Vorfahren unter die Schuld des Schweigens und der Anpassung an die herrschende Meinung stellen und Gott um Vergebung bitten. Gleichzeitig frage ich mich persönlich, und unsere heutige junge Generation - haben wir heute den Mut und die Bereitschaft, für das Volk Israel und für die Juden in Deutschland einzutreten, auch wenn wir dadurch selber diskriminiert und ausgegrenzt, ja sogar verhaftet würden?“, fragt Ruth Schullerus.
Die Folgen der Taten des Naziregimes: „Ein Meer aus Blut und Tränen - durch 55 Millionen Tote in Europa! Und vor allem die grausame Ermordung von sechs Millionen Juden in den Konzentrationslagern der Nazis.“ Die Reaktion: Verdrängung. „Dieses Schweigen, das etwa bis 1965/1968 über den deutschen Familien lag, war verhängnisvoll.“, sagt die Autorin. Doch die Christin Ruth Schullerus fand für sich einen Weg, aus der Verdrängung heraus und in den freundschaftlichen Kontakt mit Juden aus Russland zu treten. „So erfüllte sich die Bedeutung meines Namens, denn Ruth heißt Freundschaft.“
Dokumente wie diese sollten eingesetzt werden in Schulen, damit die Jugendlichen aus dem Mund Überlebender und deren Familien erfahren, was sich hinter dem Wort Holocaust verbirgt. Bücher wie diese können dazu beitragen, dass die Jugendlichen begreifen, wie wichtig es ist, achtsam zu sein gegen Nazi - Parolen und gegen das Abwehrverhalten von Menschen, die noch immer bagatellisieren oder verneinen, was Menschen von Menschen in den Kriegsjahren angetan wurde, nur weil sie als Juden geboren waren.
„Verdrängen hält die Erlösung auf, sich erinnern bringt sie näher. Das gilt nicht nur den Opfern des Holocaust, sondern auch uns, dem Tätervolk. Verdrängen hält auch bei uns die Erlösung auf und das Erinnern und Bekennen bringt sie uns näher.“, schreibt Ruth Schullerus. Dem kann ich mich nur anschließen. Danke an die Autorin!
Sabine Marya
LEBE! Heute!!!
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