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Literaturforum: Noch einen hinterher...


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 Thema: Noch einen hinterher...
kls
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2 Forenbeiträge
seit dem 10.03.2008

     
Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 10.03.2008 um 23:25 Uhr

...und dann warte ich Kommentare.

Papavaria

Hier in der Gegend wächst ziemlich viel Schlafmohn. Das mag wohl auch darauf zurück zu führen sein, dass ich im März überall Samen verteile. Nicht meinen eigenen, ihr Torfnasen, schenkelklopf, sondern diese Fliegenköttel, welche Euch von Mohnkuchen her bekannt sein sollten. In etlichen Vorgärten hat der Krams immer schon gestanden; der Wind verteilt die Saat in der Landschaft, - also gehe ich mit meiner Botanikertrommel auf die Pirsch und habe nach kurzer Zeit genügend geklaubt, mir einen noch angenehmeren Tag zu bereiten. (Botanikertrommel ist allerdings gelogen, hört sich nur romantischer, poetischer, also wahrer an als profane Plastiktüte) Klar, die Moralisten da hinten werden mich ob diesem Geständnis nun wie wild von der Seite anfemen, aber mir ist deren Meinung, ja, frei nach Nero, sogar die der ganzen gegenwärtigen Generation ebenso so Wumpe, wie die aller zukünftigen...

Es sind die Geschichten am Rande, welche meine Aufmerksamkeit einfordern. Heinz z.B. findet Opiumtee blöde, seitdem er sich einen Topf voll Kanadamohn schlabberte. Hat der gereihert. Es ist vermutlich das Chlorophyll, welches einem gar schröcklich den Magen umstülpt. Man muss die Kapseln sehr, sehr lange auskochen. Bis sie braun werden. Oder vorher trocknen. Doch wer von diesen Giftknochen hat schon die entsprechend innere Einstellung, nach erfolgtem erfolgreichen Mundraub noch 4 Wochen abzuwarten. Mein Gott, die Jungs schieben sogar nass-frisches Graß in die Mikrowelle, nur um schneller einen kiffen zu können. Als ich ihn besuchte lag er ähnlich grün wie die frisch gepflückten Kapseln im Bett, Kotzeimer daneben gestellt und blickte mich böse an: „So wirkt das Zeugs also? Was bringt dir das bloß?“ Ich klärte ihn nicht über seinen Irrtum auf. Noch so eine Plünderpfeife, die fleddernd durch die Vorgärten hoppelt würde doch nur meine eigene Ausbeute mindern. Außerdem ist Mohntee nicht ungefährlich. Kann süchtig machen. Die berühmt-berüchtigte Berliner Tinke wurde zu Zeiten der DDR aus den Abfällen der staatlichen Mohnfelder zusammengekocht und war schwer heftig. Ich selber hatte in den 1980’er Jahren auch einen großen Topf, in welchem ich Kapseln auskochte, den Sud eindickte und somit der Schattenwirtschaft ein gekonntes Schnippchen schlug. Die Vorprodukte kaufte ich Kartonweise im Blumengroßhandel. Doch seit den 1990’er Jahren ist die Einfuhr von morphinhaltiger Trockenflora untersagt und somit geht das heute leider nicht mehr...

Ich ließ Heinz neben seinem Kotzeimer liegen. Vor der Tür gab es noch ein Nachspiel mit einem längeren Gackeranfall; es endete Zehn zu Null für den Selbigen. Als ich mich halbwegs wieder beruhigt hatte, lustwandelte ich zu einer kleineren, sehr privaten Anpflanzung in der Sandkuhle. Einer der Beschäftigten kommt auf mich zu: Is was? Nö. Was ich hier wolle. Blumen pflücken. Soso, Blumen... Ich mag es nicht, wenn man meine Worte anzweifelt, also zeige ich wahllos auf irgendwelche Pflanzen, quetsche mir einen aus dem Hirn und verwende Worte wie Biotop, isolierte Symbiosen, Mandel, Evalotion, rezensierte Gene und ähnliche, bis er gelangweilt abdreht. Ich reibe mir erwartungsfroh die mentalen Grabscher und kraxele – Luis Trenker lebt und lacht - die nächste Böschung hoch.

Geplündert! Meine ganzen geliebten Pflanzen gerupft, geköpft, enteignet. Traurig sehen mich Krüppel an mit schwarz oxydierten Amputationswunden. Ich gucke genau so traurig zurück. Nach der Schocküberwindung sammele ich die Stiele ein. Auf dem Heimweg greife ich über die ein- oder andere Gartenmauer. Alles in einen Topf und mit einer winzigen Prise Ascorbinsäure auf kleiner Flamme ziehen lassen.

Während die gesammelte Naturkost ihre heilsamen Wirkstoffe in das Wasser entlässt besuche ich einen anderen Freund. Norbert öffnet mir mit Stecknadelkopfpupillen die Tür, fett wie Nix: Willst’e ’nen O-Tee? Aus der Sandkuhle? Woher weißt du das? Waren meine Pflanzen. Ooooch...

Ich gebe es zu. Ich liebe den Rausch. Nein, lieben ist nicht der richtige Ausdruck. Ich hasse die Normalität, kann sie aber nicht korrigieren, bei allem Größenwahn, muss also meine Wahrnehmung ändern, bleibt doch nur die dekadente Selbstanästhesie incl. Neben- und Nachwirkungen. Und ich bin kein Mann, der sich selber verleugnet. Und nun bitte keine sozialpsychologischen Gutachten. Die könnte ich mir selber schreiben, wenn ich denn daran glauben würde.

Mit einer netten Dame (mindestens 70 Jahre) komme ich ins Gespräch: Schönen Garten haben sie hier. Herrlich dieser Wildwuchs. Oh, was ist das denn? Kanadischer Mohn. Wunderschön. Nicht so blass wie Klatschmohn. Und diese violetten Blumen? Das ist ein gutes Hausmittel gegen Gicht. Schau, trau, klau. Darf ich mir einige davon pflücken? Aber gerne...

Mein Telefon klingelt und reißt mich gnadenlos direkt aus 1001 Nacht in eure beschissene Wirklichkeit: Ka-El, hast du mein Feld abgeerntet? Hm, der Sinn des Erntens und nachfolgender Sedierung meines zentralen Nervensystems ist es doch unter anderem, nicht vergessen zu können, woran man sich nicht erinnert, - ja, oder so. Jedenfalls kann ich mich nicht erinnern, ob, wo, wie und was ich geerntet habe. Aber ich muss mich köstlich amüsiert haben. Ehrlich gesagt, ich amüsiere mich immer noch köstlich. Warum kommst du nicht vorbei und hilfst mir dabei.

Norbert war früher süchtig. Heute ist er therapiert und mag es überhaupt nicht, wenn jemand mit Opiaten rumspielt. Ich selber war ja nie auf Therapie, also bin ich immer noch nicht gerettet: Ka-El, mit deinen Mohntees bist du in meinen Augen nicht wesentlich anders als ein Junkie. Heroin macht nur von Heroin abhängig, aber Opium setzt sich aus 5 Knallstoffen zusammen, jeder einzelne süchtig machend: Laudanin, Kodein, Narkotin, Morphin und Papaverin. Weiß ich doch alles. Aber das Subversive, das Gefährliche daran ist hier das Abenteuer. Ich liebe nun mal den Rausch, nein, anders, ich hasse das strukturierte Funktionale, ja, ich ziehe sogar nachwirkendes Unwohlsein der Normalität vor, also bin ich stets bemüht unnormal zu tun. Als stadtbekannter Exzentriker (aber normal, völlig N O R M A L) darf ich mir alle möglichen Schrullen gestatten. Und damit sich das nicht ändert ... und weil ich wohl nie wieder nach China kommen werde ... und weil ich ein nachpubertierender Trotzkopf bin ... völlig verantwortungslos ... und weil es "My Way" ist ... und weil es Spaß macht ... und weil ... Komm, lass uns mal das Thema wechseln.

Richard war/ist ein Edeljunkie. Eine größere Erbschaft hat ihn finanziell unabhängig gemacht und nun benimmt er sich wie ein Seeräuber, der die Dschunke des Großmogulen aufgebracht hat. Ein Penner mit Visitenkarte, stets neuester Handyinnovation und eigenem Anwesen, - ein Alptraum für jeden anständigen Deutschen, ach was, sogar für jeden anständigen Menschen. (Diese feine Andeutung, es könnte da einen Unterschied zwischen Menschen und Deutschen geben, habe ich doch super hingekriegt? Das nennt man „Uneigentliches Schreiben“, ein immer wieder gern verwendetes Stilmittel der Satire) Als ich ihm zufällig im Steinbruch begegne tut er verschämt und versucht sofort die ganze Angelegenheit runter zu reden, - noch bevor ich irgend ein Thema überhaupt anschneiden kann: Rein zufällig, bloße Neugier. Und wenn die Jungs am Bahnhof wüssten, dass ein kleiner Spaziergang ausreicht, müssten sie ihren Genitalbereich nicht vermarkten oder doofe Handtaschenräuberspiele spielen. Und was es nicht alles gibt. Bilsenkraut, Trompetenblumen, Stechapfel, Tollkirsche... Ey, ich will nicht auf die Geschlossene, Tollkirsche und Stechapfel? [Zensiert], was hast du denn da im Beutel? Los, gehen wir zu mir. Ne Runde Abschwelgen und Backgammon hacken...

In der Türkei nennt man Backgammon Tabla und spielt es stunden/tagelang im Teehaus. Tee finde ich einfach besser als Feuerwasser. Wundert’s wen? Schach wiederum finde ich besser als Backgammon, nur gibt’s hier keine Gegner mehr. Wer hat denn heutzutage noch Lust und Muße in die Tiefe zu denken? Besoffen wie die meisten meistens sind...

Ich werde in Flagranti gebustet. Nun ja, damit muss man natürlich rechnen, wenn man sich am helllichten Tage über Zäune hängt und der Deutschen Gartenidylle anschnödet: Was machen sie da! Verschwinden sie oder ich rufe die Polizei. Gute Idee, ich hoffe nur, dass sie auch eine Anbaugenehmigung haben! Hä? Diese Mohnanpflanzung ist illegal und ich beschlagnahme die Konterbande nach Paragraph 176-B des EU-Gesetzes über Anbauabbau!! Hä?? Aber vom Schengener Abkommen haben wir schon mal was gehört?!?! Hä??? Das bedeutet Ärger!!! Ist ja schon gut. Wollen sie etwa eine Quittung? Nein, nicht nötig. (Ich kann manchmal ziemlich abgebrüht sein) Als ich zwei Stunden später wieder an der Stelle vorbei komme hat sie wer schon umgegraben. Echt, kratze nur ein wenig am Lack eines Deutschen und es kommt ein Untertan zum Vorschein mit permanent schlechtem Gewissen gegenüber der Obrigkeit. So funktionieren die – aber doch nicht ich! Ein wahrer Hauptmann von Köpenik schreitet von hinnen und - das ist nämlich die Kunst dabei – gleichzeitig von dannen und grinst zusätzlich auch noch feist in sich hinein.

Nennt es Fernweh, oder, falls da ein Intellektueller unter euch sein sollte, Explorationsanomalie. Die Würze des Alltages muss man sich schon selber batiken, sonst wird’s sterbenslangweilig...





(Aber Satire bleibt es dennoch)

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