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Literaturforum: Der Beschluss


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Forum > Prosa > Der Beschluss
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 Thema: Der Beschluss
Franklin Bekker
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 24.10.2007 um 09:48 Uhr

Der Beschluss stand fest, dass ich mich in ihr Leben drängen würde. Oder vielmehr würde ich den mir zustehenden und mir so lange verwehrten Platz einnehmen. Also fuhr ich hin zu ihr und war ja angemeldet, fuhr auf ihren Wunsch, ja vielleicht hatte man mich eingeladen und es war gewollt, dass ich endlich in ihr Leben trete. In die Wohnung helfen musste ich mir jedoch allein. Man hatte mir bereits gesagt, dass man für mich keine Tür aufsperren werde. Ich solle doch durch die Löcher und Ritzen zu schlüpfen suchen, die ich vorfinden konnte. Ja schlüpfen hatte man gesagt, als ließe sich bei der ganzen Angelegenheit irgend eine Art von Haltung bewahren. So war ich denn etwas ratlos, bis ich ein angeklapptes Fenster fand zu dem ich hinauflangen und durch es den Hebel seines Fensterflügels ergreifen, diesen umlegen und mich dann in die Wohnung hinein zerren konnte. Ihre Zimmertür war glücklicherweise nur angelehnt. Davor stehend konnte ich bereits das Schluchzen meines Mädchens hören.

Tausend alte Dichter riefen „Feinsliebchen“ in mein Ohr und ich trat in die Türöffnung. Die Wohnung im Allgemeinen war eine sehr enge, ihr Zimmer aber im Besonderen ein Schmales, das trotz seiner Schmalheit kurz wirkte, obgleich sie auf dem Bett, das an der hinteren Wand stand, in den Armen einer Freundin gewogen liegend unendlich fern erschien. Die Frauen schauten etwas wie aufgeschreckte Tiere zu mir aus ihren Tränen herauf. Es für besser haltend noch gar nicht gekommen zu sein, gehe ich ohne ein Wort zurück ins Vorzimmer. Die Freundin hatte mit dem Rücken an die Seitenwand gelehnt gesessen und mein nacktes Mädchen mit den Armen die Brüste verdeckend, umschlungen gehalten und getröstet. Mein Blick war auf die großen, in den Zehen breit werdenden Füße gefallen, die aus dem Bett heraus hängend, denn das Bett war freilich ein sehr kurzes nur, in das sich nur Kinder der Länge nach ausstrecken hätten können, aneinander lagen und den Eindruck einer Flosse gaben. Aber dass mein Mädchen eine Meerjungfrau war, das hatte ich schon immer gewusst.

Nachdem nun einige Minuten verstrichen sind trete ich wieder in das Zimmer mit den Frauen. Aber es ist dort noch enger geworden und es scheint nun gar keinen Platz mehr zu geben für mich. So lehne ich mich in den Türrahmen, abgeblätterte Farbe fällt von ihm herab und er ächzt, denn er ist es nicht mehr gewohnt, dass jemand in ihm verharrt. Möglicherweise könnte ich an das Bett treten und die Freundin zum Fenster hinaus werfen, um mir Platz zu schaffen, aber es war ja seit jeher meine Theorie gewesen, dass es einen für mich vorgesehenen Platz gibt, den ich nur zu finden brauche, dass es nicht meine Aufgabe ist irgendjemanden zu verdrängen. Und gleichsam, als hätte sie es geahnt, dass ich versuchen wollen könnte sie dort zum Fenster hinaus zu katapultieren, war die Freundin von einer Korpulenz, die es mir unmöglich machte sie hinfort zu schaffen. Diese Freundin blickt nun zu mir auf und spricht: „Noch nicht.“ Ich sehe zu meinem Mädchen herüber. Offenbar waltet die Freundin nur ihren Willen. „Aber daran lässt sich doch nun nichts ändern.“, sage ich mit Trost spendender Stimme. „Außerdem habe ich mich bereits entkleidet, um meine Zugehörigkeit zu zeigen. Und ich verlange direkt angesprochen zu werden.“

Die Frauen sitzen sich jetzt jeweils an eine Seitenwand des Raumes gelehnt gegenüber und jetzt sehe ich auch, dass mein Mädchen bereits wieder angekleidet ist. In Strümpfen wirken ihre Füße ganz normal groß. „Und diese Schwangerschaft“, fragt die Freundin „das ist im Zug passiert?“
„Ja. Romy hatte sich den Kerl angelacht.“
„Wie hieß er denn?“
„Aro.“
„Was für ein schöner Name.“
„Ja, nicht wahr? Der Name hat mir auch gleich gefallen. Also angelacht, aber dann hatte sie das Interesse verloren, war eingeschlafen oder betrunken. Und da habe ich gefragt und er war gleich begeistert.“
Nun stehe ich ganz erschrocken im Türrahmen. Ich hatte gehofft, dass es mein Kind sein würde.
„Und er hat es mitten drin abgebrochen?“, fragt die Freundin.
„Ja. Er hat dann auch das Interesse verloren. Aber für die Schwangerschaft hat es noch gereicht.“
Nun endlich wendet mein Mädchen den Blick nach mir und ruft erschrocken aus: „Huch! Wo ist er denn jetzt?“ Und ich wünsche mir, dass sie vorher hingesehen hätte. Denn vielleicht hätte sie es mir dann sagen können, wohin ich gegangen bin.


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LX.C
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1. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 24.10.2007 um 12:55 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 12:55:51 am 24.10.2007 editiert

Ja, so ist das mit den Zimmern der Frauen, man muss sich Platz schaffen und schon verengen sich wieder so lange, bis man keinen Platz mehr in ihnen hat. Da hilft nur eins: Sein eigenes Zimmer niemals verschließen!

Interessanter Text, wenngleich vielleicht nicht gänzlich für den Außenstehenden zu verstehen, so hoffe ich persönlich, dass er keine unangenehme Erfahrung deinerseits preisgibt. Wenn doch, dann ist diese auf jeden Fall auf surrealistische Art und Weise gelungen verarbeitet.


.
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DataBoo
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2. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.10.2007 um 21:16 Uhr

Habe ich sehr gern gelesen. Schöner Text mit herrlichen Noten. +x5 ;)

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Hermes
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3. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 26.10.2007 um 21:40 Uhr

Nicht ganz leicht zu lesen, aber sehr schön. Worüber ich gestolpert bin: Der Wechsel von der Vergangenheits- zur Gegenwartsform in der Mitte des Geschriebenen.


Diffuses Halbwissen.
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Franklin Bekker
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4. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 11:35 Uhr

Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 11:37:34 am 27.10.2007 editiert

ah schön, dass das jemandem aufgefallen ist. ich muss über diesen wechsel der zeitform nochmal nachdenken, ob er korrekt die erzählung von vergangenem von gegwenwärtigem trennt.

@lx. persönliche erlebnisse sollten ja wohl immer zu einem text gehören. außer man thematisiert unpersönlichkeit, aber dann macht man das ja auch wieder persönlich... hm. geschichten sind nur geschichten und das hier ist eine sehr üppige überzeichnung.

ich danke allen für ihre reaktionen.


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LX.C
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5. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 11:59 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 12:03:40 am 27.10.2007 editiert

So? Sollten sie das? Gibt auch Autoren, die Überliefertes erzählen und sogar in persönlicher Form ausschmücken. Mein Kommentar bezog sich nicht auf Individualität, die man in einen Text einbringt. Wenn du das Gefühl hast, dass man dir mit einem solchen Kommentar zu nahe tritt, dann solltest du solch einen Text eben nicht veröffentlichen. Oder ihn in einer distanzierten Form verfassen.


.
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Franklin Bekker
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6. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 15:55 Uhr

Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 15:58:20 am 27.10.2007 editiert

oh. krass. den obigen teil an alex nochmal:

Zitat:

Interessanter Text, wenngleich vielleicht nicht gänzlich für den Außenstehenden zu verstehen, so hoffe ich persönlich, dass er keine unangenehme Erfahrung deinerseits preisgibt. Wenn doch, dann ist diese auf jeden Fall auf surrealistische Art und Weise gelungen verarbeitet.

trotzdem ich in diesem fall eine unangenehme erfahrung preisgebe, bedarf ich keiner anteilnahme. nicht weil man mir damit zu nahe tritt (das ist auch nicht der fall), sondern weil ich selbst den text nur als geschichte ansehe... will meinen: mitleid suche ich nicht. aber vielleicht habe ich dich damit auch falsch verstanden. vielleicht ist deine aussage ein ausdruck dafür, dass der text ganz gut funktioniert. ;)
nebenbei, alex, fühle ich mich immer geehrt, wenn du auf einen meiner beiträge reagierst und in der tat würde ich, würde ich mich durch einen deiner beiträge angegriffen fühlen, zunächst überlegen was bei mir schief gelaufen ist.


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baerchen
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7. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 16:15 Uhr

Diese Nachricht wurde von baerchen um 16:21:43 am 27.10.2007 editiert

Ahh, wie schön, ich darf der Geburt einer wunderbaren Freundschaft beiwohnen.

Und dennoch frage ich mich: was ist eigentlich Anteilnahme, was Mitleid. Und warum verwehren sich Menschen dagegen?
Könnte es als Hinweis auf Schwäche gedeutet werden, wenn andere mit einem leiden?
Will man selbst nicht als Leidender empfunden werden?
Steckt in uns allen ein Vögelchen, das erst dann seine Verletzlichkeit preisgibt, kurz bevor es von der Stange fällt und stirbt?

Verzeihung, war gerade in Gedanken.
b.

Ich bin ja nur mal gespannt, wann das erste weibliche Wesen mit ihren Anmerkungen hier auftaucht.


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baerchen
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8. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 19:53 Uhr

Diese Nachricht wurde von baerchen um 20:19:34 am 27.10.2007 editiert

Ich bin deswegen auf den Text noch nicht eingegangen, weil es mir einfach zu viele Symbole waren, die den Inhalt löchern. Deshalb wollte ich zunächst abwarten.
Aber so recht habe ich mich zu einem Urteil noch nicht durchringen können. Nun. Ihr werdet es verschmerzen. Will ja auch niemands Urteil verdrängen...


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LX.C
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9. Antwort   - Permalink - Abgeschickt am: 27.10.2007 um 22:08 Uhr

Diese Nachricht wurde von LX.C um 22:10:15 am 27.10.2007 editiert

Nein, du hast gar nicht unrecht, Baerchen, ein Text, gerade solch ein Text, soll ja auch gewissen Emotionen auslösen. Wie diese aussehen, ist natürlich von dem Erfahrungsbereich des Rezipienten abhängig. Nur um Stil kann es ja bei der Vermittlung einer solchen Geschichte nicht gehen.

Und doch, Michel, da wir uns etwas kennen, habe ich mich tatsächlich zu Anteilnahme hinreißen lassen. Du hast schon ganz recht damit. Das ist wieder etwas anderes, als eine emotionale Interpretation. Aber Anteilnahme, kein Mitleid. Da sehe ich schon noch einen großen Unterschied. Und da ich nun weiß, dass du so etwas nicht wünschst, werde ich das zukünftig berücksichtigen.


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