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Literaturforum: Die Kralle [1]


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Forum > Prosa > Die Kralle [1]
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 Thema: Die Kralle [1]
tekkx
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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 24.06.2003 um 21:15 Uhr

Noch 15 Minuten Zeit, Zeit ist ein Begriff der etwas beschreibt, was nicht existiert, was in der Schule nicht hinterfragt, sondern beigebracht wurde. Unterwegs, in einer grauen S-Bahn. Es gibt nur Fahrpläne, die man immer begutachtet; die man immer liest, aber trotzdem nicht auswendig kennt. Eine Notbremse, dreisprachige Hinweise. Dazwischen Querstäbe, die grau sind, ab und zu rote Überbleibsel von der Außenhaut. Aber auch das Ab und Zu folgt einer Logik, einer Logik die langweilt. Immer mehr steigen aus, immer mehr steigen ein. Ein grosser Organismus sind wir, autoorganisatorisch wie die Ameisen, mit chaotischen, aber vorprogrammierten Drifts die sich im Sterben von Vielen äußern. Draußen beginnt es zu regnen. Hinter mir sitzen junge Mädchen, eines pustet ununterbrochen in meine Richtung. Was das wohl bedeuten mag. Plötzlich ist die Rede von etwas, dass nicht weg geht. Vermutlich geht es um ein Insekt, das weggepustet werden soll. Während diese Gedanken sich zu einem Verdacht formen, fliegt links am Fenster eine Wespe vorbei. Hinter ihr Apfelbäume. Äpfel wachsen an Bäumen, manchmal auch Kirschen. Das Geklingel eines Handys, der Beantworter klingelt mit dem Mund zurück, als Antwort auf den Anrufer, der anklingelte. Die Farben rasen vorbei, ich rase an Farben vorbei, es ist einerlei. In diesen 15 Minuten denke ich noch mal über meine aktuelle Lage nach. Ich mache mir das Leben schwer, ich weiß. Aber das hat einen Grund, es hat einen Grund... Alles Schlechte was ich sehe, sauge ich auf wie ein Schwamm, oder stoße es von mir, wie das Fahren eines Autos, das Rauchen, Trinken, oder die Fortpflanzung. All das schädigt mir und der Umwelt. Ich habe nur noch eine Motivation im Leben, denn alles in meinem Zimmer und Beruf kann mir nichts geben. Es ist die Motivation, zu dokumentieren, wie sich das Tor nach Tekknorg öffnet. Aber es wurde immer wieder zugerammt, wenn ich in eine Antwort- oder Fragesituation kam. Mit meinen Artgenossen musste ich mich wie über Drüsenausscheidungen oder Fühlerbetastungen austauschen, über Themen wie Essen, Trinken, Schlafen, die Arbeit, eine Tochter, einen Film, den Himmel, oder über Fortpflanzung. Aber das wird immer weniger. Es interessiert mich nämlich immer weniger, genauso wenig wie mich Kindergarten, Grund- oder Realschule wenig interessierten. Das was danach kam, war nur Stress und Hektik. Dann kamen Mischungen von Ungerechtigkeit, Stress und Hektik, in langgezogenen Bahnen. Je älter, desto länger diese Bahnen, auf den Bahnen geschehen Hektik- und Stresshäppchen, und jeder schnappt sich soviel er kann. Wenn man am Ende stirbt, ist jegliche Erfahrung egal, dann bleibt noch das Folgen der Ich-Programmierung.
Die Wespe fliegt weiter, immer weiter... Regen tropft von der Decke, dort scheint ein Leck zu sein. Soll ich mich wegsetzen, den Regen auf der Hose vielleicht verteilen? Es sieht so aus, als ob ich in die Hose gemacht hätte. Es wird grauer in der S-Bahn. Der Regen peitscht immer stärker gegen die Seitenscheiben. Ganz kurz spiegelt sich etwas im Fenster: Eine Wüste... seltsame aber bekannte Felsformationen. Ich schaue nach rechts, aber ich sehe nur bekannte Berge und Felder, alle quadratisch, mit Regen. Es blitzt am Horizont, die Wolkendecken verdichten sich. Es liegt eine Spannung in der Luft, auch hier in der Bahn. Eine Frau wendet sich mit erschreckten Augen von mir ab. Die ersten schwachen Blitze erscheinen in der Wolkendecke, sie erscheinen wie Querverbindungen der Wolken.
Eine Tetrapackecke schaut aus dem Abfalleimer heraus. Die Wespe setzt sich elegant auf sie. Ihre kleinen schwarzen Augen betrachten mich. Es ist, als ob die Bahn fährt, sie macht die gleichen Geräusche wie immer. Aber die Landschaft steht. Aus den Fenstern heraus kann man nur x-mal den gleichen Acker sehen. Zwischen den Halmen stürmt der Regen. Die Wespe fliegt weiter, immer weiter. Ich höre Schreie von meinen Artgenossen. Die elektrische Ladung verstärkt sich, irgendwie ahne ich dies. Ganz kurz scheint das Äußere der S-Bahn durchsichtig zu werden. Wieder sehe ich Wüsten, sie verschwinden aber, werden durchlässig und schließlich kommt wieder der Quadratacker zum Vorschein. Es blitzt wieder, Körper schnellen hoch, ihre Köpfe drehen sich, sehen von vorne aber aus wie von hinten, als ob sie sich zwar drehen würden, aber irgendwie doch nicht. Das Graue wird Rot, das Rote verschwindet, wird zum Acker. Dann wieder Schreie. Alle Sitze werden durchsichtig, genau wie die Körper die sich hinter ihnen verkriechen wollen. Endlich löst sich das Material, nur die Scheibe bleibt bestehen. Es geschieht ganz schnell, es erschreckt mich nicht einmal. Ein heller Zacken wird vom Himmel nach unten geschleudert, unpersönliche, gleichgültige Wut, aber nicht mal das ist es. Es schlägt wie ein Feuerwerk in den Acker ein, dann ein Donner, ein Krachen. Die Bahn ist weg, auch die Gleise. Nur das Schild des Bahnhofs ist übrig – ohne Schrift. Keine Anweisung, kein Weg, kein Ziel, nur Veränderung der atomaren Strukturen. Ich spüre, wie die dunkle Materie des Universums vom Kind zum Erwachsenen mutiert. Aber das Ziel hat kein Ziel, ich kann nicht verstehen, sondern mir nur einbilden. Ein Dorn entsteht am Horizont, spaltet den Regen und durchstösst den Wind auf molekularer Basis. Kilometerhoch, dunkel, da steht sie, die Kralle des Universums. Die dunkle Materie dreht hier das Universum. Sie dreht sie, bis sie fertig ist, bis ich da bin. Mein Ich wird durchsichtig, eine neue Auffassung entsteht, ich werde langsam die Umwelt. Bald werde ich nicht einmal mehr das wissen.
Von oben, nur Sand. Ein schwarzer Punkt. Der Punkt ist ein Billionen Quardatkilometer grosses Gebirge, halb in der Wüste versunken, fast so klein wie ein Sandkorn.

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