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Literaturforum:
Rausch. Konturen einer Waffe.
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Autor
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Thema: Rausch. Konturen einer Waffe.
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Wittgenstein
Mitglied
20 Forenbeiträge seit dem 30.07.2006
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 27.02.2007 um 22:22 Uhr |
Alkohol. Liebste Waffe, wenn es darum geht, sich selbst die Klinge an den Hals zu setzen. Die Klinge blitzt, ist kalt aus blankem Stahl – und ja, sie bringt einen tatsächlich zum Bluten wenn man sie tief genug in die Haut drückt. Befreiung, tief und rein – und doch nicht mehr als ein Rausch. Zur Kultur gemachte Sinnzerstörung, häufig unter Männern anzutreffen und doch nicht männlicher als eine rosa Handtasche am Handgelenk des Kerls mit Dreitagebart.
Ein Bier. Zwei Bier. Die Klinge beginnt am Hals zu ritzen. Vorfreude auf die Bedienung des innersten Schmerzes. Doch halt! Warum schmerzt es, eigentlich? Muss es schmerzen? Ist der Grund des Schmerzes tatsächlich gründlich genug, um das Erheben des Hasses gegen sich selbst zu kultivieren? Ich denke nicht. Der Schmerz ist elegant; kleidet in die Hülle des Gewohnten, die vor dem Tatsächlichen schützt – Trutzburg gegenüber den Eventualitäten. Eventualitäten und Wahrscheinlichkeiten. Das Hirn beginnt zu errechnen, wie wahrscheinlich der worst case ist; leider wahrscheinlich genug, wenn das Hirn innerhalb der Trutzburg statistisch hängen bleibt. Also: Augen auf! Kein Schmerz; Schönheit und Freude – leider nicht vorhersagbar mit einer blinden Kristallkugel, die nur alte Schmerzen katalogisiert.
Nochmals: Schmerz. Wozu? Warum? Warum noch immer? Das noch immer ist eigentlich zu verstehen; die Wunde ist einfach tief genug. Aber heilt sie besser, wenn man an ihrem Boden mit dem Messer schält? Wohl kaum. Daher: Warum das Messer? Es macht das Leben einfacher. Ein simples Gerät, den Schmerz in der Minute zu besiegen. In der Minute. Und was ist dann nach einer Stunde? Nach einer Stunde, droht der Schmerz schon wieder und das Messer wird zu höherer Schärfe geschliffen.
Daher: Wegwerfen des Messers – man kann es ja in Erinnerung bewahren, nur schöner wird die Erinnerung damit auch nicht. Da raschelt es im Kopf: Gegen wen richtet sich der Hass eigentlich, der dann als Alkohol die Kehle runter rinnt und dem Rausch Konturen verleiht? Man weiß schon, wem der Hass eigentlich gilt – und er hat ihn sich auch redlich verdient. Die Anklage eines Kapitalverbrechens ist das Messer, das man in des Verbrechers Körpers stößt. Messer. Gerichtet gegen ihn. Waffe gestoßen gegen ihn. Voll Hass in seine Verantwortlichkeit die Tat überwiesen; Waffen – eigentlich mehr Produkte unserer Gedanken.
„Kellner…? Ein Cola-Light und dann die Rechnung bitte…“
ICH-AG. Hauptaktionäre Mami und Papi.
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