Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
|
Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 07.05.2006 um 11:39 Uhr |
Der Abschied von alten Denkmustern fällt immer schwer, aber wer unsere Zeit verstehen will, muss sich damit abfinden, dass das von Trendforschern ausgemachte Globalisierung mit den Kategorien rechts und links, konservativ und progressiv nicht zu fassen ist. Die Behauptung vom „Krieg der Kulturen“ ist nicht von Samuel Huntington erfunden worden. Vom "guerre des cultures" schrieb Julien Benda in seinem 1927 erschienenen Buch »La Trahison des Clercs«: „Dass der politische Krieg den Krieg der Kulturen impliziert, ist eine Erfindung unserer Zeit, und sichert ihr einen herausragenden Platz in der Moralgeschichte der Menschheit. Heute stellt jedes Volk selbstverliebt seine ganze Kultur „allen anderen Völkern entgegen.“ Bis jetzt sind intra-kulturelle Konflikte blutiger verlaufen und haben weit mehr Opfer gekostet als Kriege zwischen den Kulturen. Benda fragt sich, seit wann innerhalb des christlichen Abendlandes Kriege durch den Rückgriff auf kulturelle Wertvorstellungen gerechtfertigt wurden. Die mörderische Gegenwart besteht nicht zuletzt aus den Ausläufern der altvorderen Zeiten. Zu denken ist an den "Vampirismus" von Elisabeth Bathory, die im Blut junger Mädchen gebadet haben soll, und an die königlichen Grausamkeiten eines Louis XI, Zeitgenosse von Vlad Tepes, der seine sich schuldig gemachten Untertanen enthäutete, kastrierte, zerstückelte, ihnen die Gedärme ausnahm und die Glieder entriss; die Geldfälscher ließ er angeblich verbrühen, den Verbrechern riss er die Augen aus, den kleinen Dieben schnitt er die Nase oder die Hand ab. Und der Fürst von Walachien, "Drakula", der alle Bettler, Kranken und Traurige, alle Leidenden nach der Spendierung einer üppigen Mahlzeit verbrennen ließ? Der Hexenjagd? (thematisiert auch von Arthur Miller). Die Inquisition? Der Tod von Galilei? Goyas Monster? Es gibt durch die Epochen eine Analogie, wenn nicht sogar eine Identität der tiefen Gesetzte des Pathologischen und des Normalen (die Claude Bernard in den Annuaires de la Physiologie unterstreicht). "Normales", Paranormales (Dämonisches) und Psychotisches werden in unserer Zeit neu beigemischt und als Kunst salonfähig gemacht. Die moderne Gesellschaft hat sich in Täter, Voyeure (passive Mittäter) und Flüchtlinge immer mehr verzweigt. Eine Gesellschaft, die das fremde Unglück pervers und schadenfroh konsumiert: Es sind die Anderen, die sterben, möglichst an fernen Stränden, dann ist die Spendenbereitschaft besonders hoch! Kosmopolitisch sein zu wollen, ohne die äußerst heterogene Kultur verinnerlicht zu haben, ist ein Oxymoron, und außerdem natürlich ökonomisch äußerst kontraproduktiv. In diesen gibt es keine kulturellen Ressentiments; It´s the economy, stupid – in der gehobenen Klasse, die um die Ökonomie herum gruppiert ist und vorwiegend mit kulturellen Codes agiert, ist diese Form der Abgrenzung vollkommen sinnlos. Es gibt jedoch Konstanten in der Geschichte, wie auch im Vergleich mit den konkurrierenden kapitalistischen Ländern. Immer sind es Männer, die mit Macht und Geld – in Abwesenheit beider auch mit Angeberei – die Regeln diktieren, Business–Machos, die dauernd entweder nach der Trophy–Woman oder dem Zweit– oder Drittnest in den wechselnden Metropolen suchen. Ohne solche Typen scheint keine Modernisierung der Geschäftemacherei vonstatten gehen zu können. Gehören dazu: Das tägliche Mobbing? Der Psychoterror? Die Pornographie bis zur Übersättigung? Die Demagogie bis zur Übersättigung?
Der komplette Essay erscheint in: Matrix #4, Pop Verlag / Stuttgarterstr.98 / D- 71638 Ludwigsburg / pop-verlag@gmx.de
|