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Literaturforum: Omas Erinnerungen


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 Thema: Omas Erinnerungen
Feldulme
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seit dem 06.02.2005

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Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 06.02.2005 um 22:40 Uhr

Früher hat Brot noch wie Brot geschmeckt. Schön saftig.
Man hat das Wasser am Mund herausspritzen sehen, wenn man sich neben einen Spiegel gestellt hat. Dann haben sich klitzekleine hängende Pfützchen an die Scheibe geheftet und wenn man sich dann vor den Spiegel gestellt hat, hat man sich in den Pfützen auch gespiegelt. Also doppelt gespiegelt. Das haben wir als Kinder ganz oft gemacht und gespielt.

Natürlich nicht als der Krieg kam. Da hatten wir nicht viel Brot, es kniff uns der Hunger an allen Ecken und Enden. Und die Spiegel mussten alle an die Soldaten gegeben werden. Jede Kompanie benötigte Hunderte. Besonders die Bodentruppen. Wenn durchgemorst wurde, dass Flieger im Anflug waren legten sie alle Spiegel nebeneinander auf den Boden und die feindlichen Piloten dachten dann, dass sie sich selber bebomben würden, wenn sie jetzt abschmeißen. Außerdem hat die ganze Fläche dann auch geblendet wie nichts und die Maschinen sind ineinander gekracht.

Irgendwann wurden wir Kinder aufgefordert unsere deutsche Luftwaffe zu unterstützen. Man sah, dass wir Zeit und viel Energie hatten. Jedes Kind in meiner Strasse bekam einen riesigen Bogen Papier und wir sollten unsere deutschen Flugzeuge malen. Man hatte auch einen Preis für das beste Bild in Aussicht gestellt. Einen Ritt auf einer Kanonenkugel. Da komme ich aber gleich noch mal drauf zurück.
Ich habe einen wunderschönen Flieger gemalt. Ganz in schwarz, mit einem weißen Kreuz und einem stämmigen Piloten im Cockpit. Drumherum zeichnete ich Wattewölkchen. Als ich damit fertig war, wir hatten eine Zeitvorgabe sammelte ein junger Mann mit nur einem Bein die Bilder ein. Er ging von Tür zu Tür und natürlich hatte fast jedes Kind mitgemacht.

Es gab ja auch nur zwei Möglichkeiten. Zum einen mitmachen und vielleicht auf einer echten Kanonenkugel reiten oder verweigern und gucken was passiert. Hein Brüllhafen aus der Lutherstrasse 10 hatte kein Bild abgegeben und aus dem Papier lieber kleine Schiffchen gefertigt. Wir haben nie wieder mit ihm spielen können.

Wochen und ein paar zerquetschte Tage vergingen, da hielt vor unserem Haus ein Truppenfahrzeug. Alle meine Freunde rannten zusammen und schrieen und tobten. Männer mit Stahlhelmen und Uniform stiegen heraus. Ich schaute aus dem Fenster und sah sie in unsere Eingangstür treten. Schnell zog ich mich an, riss mir das Hemdchen falsch um den Leib und hopste nach unten.

„Bist Du die Käthe?“ fragten einer lächelnd. „Ja“ rief ich noch im Sprung und bevor ich landete fing mich einer der starken Soldaten und ich war schon im Auto und auf dem Weg zu meinem Preis. Ich war die glückliche Gewinnerin des Malwettbewerbes. Ach wie neidisch waren da meine Spielkameraden. Gerne hätten sie Steine nach dem Gefährt geworfen, aber die Landeinnehmer oder Landverteidiger waren schlau und zielten bei Abfahrt mit ihren Maschinenpistolen auf sie. Trotzdem hörte ich sie schreien „Käthe, Käthe blöde Gräte. Kommst du wieder, mach ich Dich nieder.“

Der Mann neben mir, er hieß Gunther, drückte mir freundlich die Hand und meinte, ich bräuchte keine Angst haben. Ich hatte keine.
Drei Stunden sollte die Fahrt dauern, ich fragte viel und bekam auf alles eine Antwort. Selbst auf die Frage, die unsere Straße die ganzen Wochen beschäftigt hatte.

„Wie können wir mit unseren Zeichnungen die Luftwaffe unterstützen?“

Ich hatte darauf getippt, dass es eine Art Motivation sein sollte und jeder Pilot ein Kinderbild bekam, dass er sich in den Spind hängte.
Meine Mutter beantworte sich diese Aktion ganz einfach. Gar nicht.

Gunther aber klärte mich auf.

„Stelle Dir einmal vor Käthe, Du bist ein Engländer. Ich weiß, dass ist schwierig, aber mach mal eine Fratze, puppse ein wenig und atme ein. Das Gefühl was Du dann hast, macht einen Engländer aus. Jetzt sieh Dich in London an der Flak. Du schaust in den Himmel und siehst deutsche Flieger“

„Oh ich schieße bestimmt“

„Genau kleine Käthe. Nun gibt es bei der Sache aber einen kleinen Trick. Hoch, hoch über den Wolken ist ein Aufklärungsflugzeug geflogen dass eure Zeichnungen abgeworfen hat. Du, der Engländer siehst nichts weiter als Kinderbilder und in diesem ganzen Wirrwarr fliegen dann die echten Flugzeuge hindurch und wir können ganz viele Bomben abwerfen. Dank euch, dank Dir. Dein Bild war das beste Bild. Wir hätten wohl auch Fotos machen können, aber das ist viel zu teuer. Nun werden wir Dein Bild in den Druck geben. Für diesen Verdienst bekommst Du Deinen Preis.“

„Den Ritt auf der Kanonenkugel?“

Er bejahte, ich war mächtig stolz und dann waren wir auch schon am Flughafen. Ich sah echte Bomber starten und es beeindruckte mich so sehr, dass mein Mund wohl die ganze Zeit offen stand. Man brachte mich zum Offizier der mir einen Lutscher zusteckte und dann führte man mich in einen Raum. Um mich herum lächelten alle Gesichter.

„Na los“ sagte einer leise.
„Keine Angst“ ein anderer.

Was soll ich sagen? Ich wusste nicht wo hinten und vorne ist. Ich drehte mich um, schaute in alle Gesichter und dann konnte ich ein Nicken erkennen, dass in eine Richtung deutete. Da in der Ecke stand eine Kugel. Sie war an einem Stab befestigt, der wiederum auf einer Unterlage befestigt war. Daneben war eine Box angebracht.
Ich verstand nicht.

„Los trau Dich. Die Kugel wirft dich sicher nicht ab“ flüsterte Gunther als er mich sacht anstubste. Man kann sich gar nicht vorstellen, wie enttäuscht ich war. Ich hatte mir eine wirkliche Kugel vorgestellt nicht so einen Holzball. Das sollte es sein?
Meine Überraschung? Mein Preis?
An den Seiten hatte die Rundung Haltegriffe um die ich meine Finger legte. Einer der Männer ging dann zur Box, als ich richtig saß und steckte eine Reichsmark in den Schlitz an der Seite.
Es gab einen mächtigen Ruck, mein Kopf wurde so stark umhergeschleudert und verschüttert, dass ich von dem ganzen Ritt nichts mitbekam. Ein zweiter Ruck ließ mich ins Leben zurückdämmern. Mein Po war wie von Schleifpapier bearbeitet. Ich konnte wochenlang nicht ordentlich sitzen.

Und dann wieder daheim waren natürlich alle total eifersüchtig und ich bekam viele Ohrfeigen, [Zensiert]tritte (das tat besonders weh) und Anrempelungen.
Dauerte aber nicht lange da hatten wir uns wieder vertragen. Wahrscheinlich auch wegen Spielkameradmangel. Sind ja viele damals Buben und Mädels verhungert.

Trotz aller Anstrengungen und Entbehrungen war es aber eine schöne Zeit.
Wir hatten zwar keine Bleistationen, Kämmbeuls oder ferngesteuerte Hellkopfer*, aber unseren Spaß. Zwischen den fürchterlichen Bombenalarm flutschte das Lachen aus unseren Mündern, wie Caramelbonbons hinein. Mensch, ach was waren die selten. Viele meiner Freunde, die in den Kriegsjahren Süßigkeiten hatten wurden von anderen Kindern fürchterlich verprügelt. So behielt man es für sich und keiner war so dumm und gab mit seinen Schätzen an.

Ich kann mich noch an viele Spiele erinnern.
Da war zum Beispiel das „..................

Ach Jung. Weißt Du was? Das hat mich ja nun bannig müd gemacht. Merk Dir die Stelle und erinnere mich beim nächsten Mal dran. Schüttel mir noch mal das Kissen auf, reich mir die Tasse und dann bis zum nächsten Mal.
Uahh erinnern ist sehr anstrengend. Mach bitte das Licht aus, wenn du gehst.

* Playstationen, Gameboys, oder ferngesteuerte Helikopter





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