Diese Nachricht wurde von Matze um 05:45:54 am 22.08.2006 editiert
Wenn es denn so ist, ein letztes Beispiel: Dass GraSS nun behauptet, seine erste Begegnung mit direktem Rassismus habe er in einem amerikanischen Kriegsgefangenenlager erlebt, obwohl er in der schlimmsten und offenkundigsten rassistischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts groß geworden ist, zeigt, dass er der Wahrheit seiner eigenen Geschichte und der seines Landes nicht wirklich nahe gekommen ist. Die absurde Anekdote, mit der er unterstellt, dass er zum erstenmal mit direktem Rassismus konfrontiert gewesen sei, als er hörte, wie weiße amerikanische Soldaten ihre schwarzen Kameraden [Zensiert]nannten. Hat GraSS im Ernst erwartet, dass irgend jemand, der einen Funken klaren Menschenverstand besitzt und schon einmal etwas von der deutschen Rassenpropaganda vor und im Krieg gehört hat, ihm das glauben würde?
Grüßken. Matze
Matze
Mitglied 719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
Ich mag Grass nicht, genausowenig, wie ich Böll mag - diese ewigen Moralisierer.
Komisch, daß ich Lenz mag, der moralisiert auch - aber da ist es irgendwie anders. Der Zeigefinger ist nicht ganz so weit nach oben gereckt, und Lenz hat sich auch nie als Großschriftsteller gueriert, war bescheiden geblieben - im Gegensatz zu diesem Aplomb, mit dem sich Grass & Consorten in die linke Szene und in grelles Licht gesetzt haben, sich nach vorne gedrängelt haben, wann immer es die Möglichkeit gab, einen auf geistigen und moralischen Führer in diesem unserem Lande zu machen.
Ich mag Lenz, weil er das moralische Problem thematisiert, ohne sich für irgendwelche Lösungen stark zu machen.
Ich mag Grass nicht, weil er den Zeigefinger nicht nur erhoben, sondern auch in eine gewisse Richtung weisen wollte - l´art engagé ist immer so eine Sache.
Mir persönlich ist der Mensch Grass nicht unsympathischer geworden dadurch, daß er Soldat der Waffen-SS gewesen ist. Er ist mir auch nicht sympatischer geworden dadurch, das er es jetzt "gestanden" hat. So sehr, wie Grass die Moralität zu seinem Geschäft gemacht hat, frage ich mich, ob nicht geschäftliche Überlegungen bei diesem Schritt eine gewisse Rolle gespielt haben werden. Sollten sie es getan haben, dann waren jene geschäftlichen Überlegungen wohl die Richtigen.
Ich empfinde Symphatie für alldiejenigen, denen Grass seine eigene Moralität monströs entgegengestreckt hat, und sie als Schufte diffamiert hat - ihnen steht jetzt endlich das tu quoque offen: Du warst also auch so einer !
Ich lebe als Westdeutscher in Ostdeutschland. Hier finden wieder ähnliche Dinge statt. Jeder fragt man sich, wieso die DDR so lange überleben konnte, wo doch alle ausnahmslos dagegen waren. Sich gegenseitig als Stasi-Spitzel zu denunzieren, ist immer noch ein beliebtes Gesellschaftsspiel in diesem Land aus Schuld und Sühne.
Kann man denn nicht einfach mal die Fresse halten, wenn einer, zwei oder viele Scheisse gebaut haben, und ihnen die Hand reichen auch dann, wenn ihr Haupt nicht mit Asche gesalbt ist ? So zum Beispiel, wie es die Franzosen, Engländer und Amerikaner seit 1945 mit dem besiegten Deutschland getan haben ?
Muß man statt dessen immer auf dem Niveau der Bildzeitung ("Wir sind Papst!") denken: Grass war bei der Waffen-SS - also war Grass bei der SS und ein Nazi und ein Schlächter in Auschwitz oder so und auf jeden Fall ein Schwein !
Was für ein Humbug !
Denkt niemand daran, daß in jener israelischen Gedenkstätte Vad Dingenskirchens auch ein Bäumchen für einen SS-Offizier namens Hans Callmeyer steht, der als Schreibtisch-Schindler in den Niederlanden zehntausende gerettet hatte ?
Moral, Recht und Unrecht ist ein diffiziles Geschäft, aber wir betreiben es auf dem Niveau eines Kindergartens - seit nunmehr über 50 Jahren. Es reicht allmählich.
Dixit Kroni
Hermes
Mitglied 447 Forenbeiträge seit dem 23.01.2006
Das zentrale Skandalon bleibt der Mangel an der Aufrichtigkeit eines Moralisten, diese lässt sich auch nicht mit dem Euphemismus „nachwachsender Scham“ schönreden. Ein moralischer Appell gewinnt seine Wahrheit durch Gründe und Argumente, nicht durch die Person des Autors. Auch wenn ein notorischer Übeltäter dazu aufriefe, Verbrechen aufzudecken und zu bestrafen, so verlöre diese Aufforderung nichts von ihrer Richtigkeit. Aber vieles von ihrer Berechtigung - und allerhand von ihrer Wirkung.
Grüßken, Matze
Gast873
Mitglied 1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
Worin liegt nun das (Un-)Verbrechen von Grass? Ich sehe keins. Sein Geständnis macht seine Literatur nicht besser, aber auch nicht schlechter. Und durch "Zwiebelgeständnisse" eines notorischen Lügners lass ich mich nicht in Sachen "gute Literatur" korrumpieren. Wer Grass lesen will, soll ihn lesen, und ich rede nur vom künstlerischen Wert, der zählt, nicht von irgendwelchen Tratschgeschichten.
Gruß
Hyperion
bodhi
Mitglied 741 Forenbeiträge seit dem 08.12.2004