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Literaturforum:
Schreiben für die Nachwelt
Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Schreiben für die Nachwelt
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Autor
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Thema: Schreiben für die Nachwelt
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Franklin Bekker
Mitglied
98 Forenbeiträge seit dem 09.01.2005
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40. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 13:52 Uhr |
man ignoriere mich, sollte derartiges schon gesagt sein.
schreiben für die nachwelt kann immer nur schreiben für fiktive leser sein. und zwar für leser, die man nicht antizipieren kann, weil zukunft in dem besteht, was anders ist als in der gegenwart. das was an der zukunft vorherzusehen ist, ist gleichsam bereits gegenwart.
also kann man nicht für die nachwelt schreiben. das ist auch beleidigend gegenüber heutigen lesern, mit denen man ja dann wohl nicht redet.
das verhältnis von schrift und nachwelt?
das geschriebene bleibt der nachwelt überlassen, ihr ausgesetzt.
außerdem:
das geschriebene erschafft die nachwelt mit, das kann ein ziel des schreibens sein. alles andere ist humbug, ist eine frage nach: wie werde ich bedeutsam? aber vom bedeutsam sein wollen ist noch keiner bedeutend geworden ^^
Komm schon, gieß mich in Bronze!
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baerchen
Mitglied
822 Forenbeiträge seit dem 02.08.2007
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41. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 14:15 Uhr |
?
Wenn nun doch alles im Fluss ist, dann kann es keine Gegenwart geben. Und folglich gibt es real existierend nur die Nachwelt. Damit ist alles, was gegenwärtlich gelesen wird, nur gegenwärtlich im Auge des Lesers. Der sich bewusst sein muss, etwas ´Altes´ in den Händen zu haben.
Andererseits wollen wir den Moment festhalten, die Stunde verlängern, letztlich so das Leben. Wir fühlen uns einer Generation zugehörig, geprägt durch gemeinsame Erfahrungen, vielleicht gemeinsam erlebte technische Fortschritte (Hippie, Vietnam, Fernsehen, Musik einer bestimmten ´Zeit´).
Aber die Generationendefinition nimmt seltsame Formen an (Generation Golf, Generation Spielekonsole...).
Und man kann die Alten nicht mehr von den Jungen unterscheiden. Gleiche Pearcings, gleiche Klamotten, gleiche Sprache.
Es gibt keine Nachwelt. Alles ist Nachwelt.
Sorge Dich nicht, wenn Du schreiben kannst. Schreibe, schreibe, schreibe...
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Gast873
Mitglied
1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
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42. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 17:21 Uhr |
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 17:26:00 am 04.10.2007 editiert
Liebes Bärle (so würde man dich im Ländle nennen),
Schade, dass ich dir definitorisch nicht weiter helfen konnte. Meine Überlegung, warum die Leute über sich selbst und die Nachwelt nicht Bescheid wissen, ist die, weil sie über die eigene Vergangenheit nicht Bescheid wissen. Literaturgeschichtlich schweben die meisten zwischen 20. und 20. Jahrhundert. Philosophiegeschichtlich gesehen, überhaupt nicht, irgendwas subjektiv-emotional Esoterisches nennen sie dann Denken, oder noch liebevoller „zerebral-neuronale Verknotung“, aber davon ist ganz zu schweigen, davon verstehe ich nichts. Man muss froh sein, wenn einer überhaupt etwas von der „Poetik“ des Aristoteles gehört hat. Individuell-kollektive Verwirrung spukt. Jeder weiß über irgendwas Etwas, jeder ist ein Fachmann in seinem Gebiet, und doch ist keiner sich selbst als Mensch als ganzes, als geschichtlich-soziales und politisches Wesen bewusst. Da kann man nichts machen.
@LX.C: Was mir an meiner „Geschichte“ nicht gefällt, ist, dass ich zum unfreiwilligen Aufklärer geworden bin. Ich höre mich genauso an wie Tolstoi, der ich nie werden wollte :-). Gut dann erzähle ich eben weitere Geschichten en passant, weil ich bisher dachte, dass das Allgemeingut wäre und bekannt, aber dem ist nicht so. Es übernimmt sonst niemand diese Aufgabe und ich bin nur ein Narr. Aber bevor es hier ein „Polemos“ omnium contra omnes wird, lege ich die Regeln des Elenchos wie Sokrates fest, und gehe nur auf die Antwort des LX.C ein. Ein wildes Durcheinanderdiskutieren ist der Philosophie nicht zuträglich.
Ich kann dich noch auf zwei weitere Arten beruhigen: a) Du hast nicht Unterzucker, obschon du manchmal zu impulsiven Überreaktionen neigst ;-) und b) Platon würde dir zustimmen und zwar fast restlos. Der strittige Punkt ist der, dass ich eigentlich gar nichts bis jetzt über den Begriff der „schönen Kunst“ gesagt habe. Aber ich bitte darum, mich danach in einem anderen Thread zu fragen, nur soviel sei verraten: nach Platon hätten alle Dichter keinen Platz in seinem ideellen Staat, das bricht mir zwar das Herz, doch das ist nur eine rudimentäre, verkürzte und auf die knappste Formel geraffte Darstellung. Man wird seinem Begriff der „Philosophenkönige“ dadurch erst gar nicht gerecht, und die Frage, warum seine Utopie, ohne die Dichter und Maler auskommt, bleibt nur hier und jetzt unausdiskutiert. An einer Stelle in der „Politeia“ sagt Platon, warum Hesiod durch seine mildere Darstellung der Göttergeschichten, die sehr turbulent gewalt-exzessiv und hedonistisch beim Homer sind, eben mehr Chancen hätte als Homer aufgenommen zu werden, sprich es kommt auf das Bemühen und das Wissen um die Idee des Guten an. Und jetzt kommt der größte Widerspruch seit Menschen denken können: Nicht mal Platon mit seine Darstellungen des Sokrates mit dem Alkibiades im „Symposium“ im platonischen Staat würde Aufnahme finden. Aber vielleicht Platon als Philosoph doch eher. Doch darüber wissen wir zu wenig, außer dass er eine Akademie und somit die erste Universität, wo auch Frauen Zugang hatten, was bis dato nicht selbstverständlich im Hellas war, gegründet hatte.
Wenn ich mich heute mit den Anglisten unterhalte, was sie lesen, dann antworten sie: „Shakespeare, Poe, Byron“ und kein M. Shelleys „Dracula“, kein Bukowski und keine „Potter“-Autorin Rowling oder Stephen King. Und es gibt gute Gründe, warum niemand mehr in hundert bis zwei hundert Jahren die zuletztgenannten Namen mal mehr kennen wird. Die Slavisten lesen Tolstoi, Dostojewskij und Puschkin. Die Deutschen Autoren haben, wenn sie nicht wie die drei Riesen Mann, Kafka oder Rilke heißen, kaum Chancen für das 20. Jahrhundert repräsentativ zu sein. Und das hat wie gesagt gute Gründe, warum man Goethe und Schiller immer noch in fünf hundert Jahren lesen wird, und warum gute Kunst sich letztendlich gegen Kokolores immer durchsetzten wird, die ich hier nicht weiter ausführen kann, aber solange es Literaturwissenschaften gibt, gibt es Kriterien für die Nachwelt. Die sind schon durchdacht. Privatlektüre interessiert niemanden an der Uni. Esoterische Gefühle der Einzelnen auch nicht. Zurecht!
Feuchtwanger, den man an der Uni gar nicht kennt, ist gut, aber nicht weil du LX.C das gesagt hast, sondern weil Mania mir diesen auch anempfohlen hat, und ihr Urteil ist mir heilig. ;-)
Herzliche Grüße,
Euer Hyperion, nur ein Narr!
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Taxine
Mitglied
52 Forenbeiträge seit dem 29.07.2007
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43. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 18:23 Uhr |
Witzig - ein Forum, in dem die subjektive Ansicht des Einzelnen nicht mehr zählt, weil sie durch "angepasstes Denken in Allgemeingültigkeiten" ersetzt wird.
Dann wird eine Diskussion sich wohl nur in Zitaten ausdrücken, und das "Selberdenken" zur Farce.
Grüße
Taxine
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baerchen
Mitglied
822 Forenbeiträge seit dem 02.08.2007
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44. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 18:40 Uhr |
Diese Nachricht wurde von baerchen um 19:02:23 am 04.10.2007 editiert
"Dann wird eine Diskussion sich wohl nur in Zitaten ausdrücken, und das "Selberdenken" zur Farce."
Die Subjektivität steckt in der Zitatwahl und der eigenen Umsetzung auf das Thema, welches von jederman selbst geleistet werden muss.
Hallo, Hype (einzige Möglichkeit zur Retoutkutsche)
"Für die Nachwelt schreiben, bedeutet für die Ewigkeit schreiben.Meine Überlegung, warum die Leute über sich selbst und die Nachwelt nicht Bescheid wissen, ist die, weil sie über die eigene Vergangenheit nicht Bescheid wissen. "
Das ist aber ein alter Hut, oder? Na gut. dadurch wird er ja nicht schlechter.
Jedenfalls danke ich den Geduldigen, die mir und anderen den rechten Pfad zur Literatur weisen wollen. Allein: es wird wohl nicht gelingen. Mir ist schon fast mein Horoskop Literatur genug.
Oh! Es gibt schon wieder was zu futtern! Ich kann mein Glück kaum fassen!
Sorge Dich nicht, wenn Du schreiben kannst. Schreibe, schreibe, schreibe...
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Gast873
Mitglied
1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
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45. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 20:51 Uhr |
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 21:00:51 am 04.10.2007 editiert
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 20:53:43 am 04.10.2007 editiert
@Taxine: witzig oder nicht, interessant oder auch uninteressant (hängt davon ab, ob du begrifflich argumentativ und in logischen Räumen zu denken vermagst) wäre es deine Meinung mal begründet zu wissen. Ich habe dagegen Argumente vorgebracht, was man an der Uni in Zukunft lesen wird.
Was Tante Ema in der Budapester Straße im Jahre 3029 macht, einen Kuchen essen oder lieber ein Buch lesen, und wenn ja welches, ist mir Schnuppe. Aber ich kann dir sagen, was man an der Uni im Jahre 3029 in der Goethestraße lesen wird: Hölderlin, Schiller, Kleist, Mann, Rilke, Kafka und noch ein paar gute Dichter, die nach uns kommen mögen. It´s your turn.
Gruß
Hyperion
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annahome
Mitglied
720 Forenbeiträge seit dem 19.06.2007
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46. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 21:18 Uhr |
hallo -
die eben von hyperion gelisteten schriftsteller sind für alle diejenigen, die an der deutschen sprache interessiert sind (und immerwieder lesen wollen, werden, müssen und tun sollten) von bedeutung.
das sicher.
aber, das ist nicht alles, was - an sich für die "nachwelt bedachte" literatur - verfasst wurde. meine ich.
wenn man an germanistik interessesiert ist (oder sogar studiert hat) - dann ist das von bedeutung. sicher. ich bin keine germanistin noch habe ich die deutsche literatur tiefer studiert, als lediglich die o.g. soweit durchgelesen, dass ich ungefähr erkennen kann, wer was geschrieben hat.
habe ich sie alle (selbstverständlich nicht alles) mehr oder weniger aus interesse für mein selbstgewähltes wohnland gelesen, dass ich anerkennen kann, was diese herren geschrieben haben.
mag sein, dass ich am thema vorbeischieße
es kann ja sein, dass es hier in diesem beitrag lediglich um die deutschsprachige literatur und und nachwelt, dann hat hyperion u.u. die liste nahezu voll. ich müsste jetzt sozusagen nachdenken, wollte ich die liste meinerseits erweitern. hesse, brecht und musil vielleicht noch dazu - so spontan
gruß
annahome
statt kulturarmut - mut zur stadtkultur
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Taxine
Mitglied
52 Forenbeiträge seit dem 29.07.2007
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47. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 21:38 Uhr |
Diese Nachricht wurde von Taxine um 21:45:15 am 04.10.2007 editiert
Ein gutes Beispiel, diese Verwirrung, um was es hier geht. Mit aller Logik – hin oder her, und ich spreche dir, Hyperion, sicherlich nicht die Richtigkeit deiner Gedanken ab, so bleibt die Kernaussage des Anfangs eine einfache: Es ist anmaßend zu behaupten, man würde für die Nachwelt schreiben, wenn man schreibt.
Und genau das ist es auch. Denn, wir reden nicht von bekannten Schriftstellern, deren Werke in die „Ewigkeit“ nachwirken, sondern wir reden von uns und unseren Erfahrungen. Und meine Aussage ist ganz simpel: Wer schreibt und darüber nachdenkt, wie er nachwirken kann, nimmt seinem Werk die Ehrlichkeit und verleiht ihm etwas Künstliches.
Das ist in der Kunst genau dasselbe. Wenn hier ein Künstler das Bild malt, in der Hoffnung, es würde noch in einigen tausend Jahren betrachtet werden, dann verkennt er hier den Sinn der Kunst und die Aufgabe des Künstlers. Man malt/schreibt auf der Suche nach einer Wahrheit, einer eigenen – versteht sich, und die Gabe des Schreibenden ist nun einmal, dass er einen Gedanken, ein Erlebtes, eine innere Erfahrung für viele Menschen sichtbar zu machen versteht. Und, das ist in erster Linie alles, was der Schreibende zu tun hat. Ein Werk zu schaffen, das sich mit Welt und Sein auseinandersetzt, ohne Anspruch auf ein Danach. Das Danach ergibt sich - bei dem jeweiligen Wert (der - logischerweise - nicht mehr in der Hand des Schreibenden liegt) des Werkes dann aus einer anderen Perspektive, nämlich die, die aus den Augen der Leser eingenommen wird. Dabei ist es völlig unwichtig, was Platon mal über die "schönen Künste" gesagt hat, denn Platon hat der Kunst jegliche Wahrheit abgesprochen. Aber, das hat einfach nichts mit der Aussage des Eingangsbeitrags zu tun. (So ist es dann auch kein Wunder, dass hier jetzt Verwirrung herrscht, worum es überhaupt geht!)
Der Schreiber selbst wird nun einmal sein Werk niemals so gestalten, dass es irgendwann Berühmtheit erlangt, er schreibt mit dem eigenen Anspruch und dem eigenen Können das nieder, was er zu sagen hat. Auch ein Thomas Mann hat seine Tagebücher sicherlich nicht begonnen, um irgendwann einmal nachzuwirken, er hat diese erst dann für die Nachwelt geschaffen, als er sich durch ein „ehrliches Werk“ bereits ausgezeichnet hat.
Dass du dich damit auseinandersetzt, was gelesen wird, welche Literatur die Kraft hat sich durchzusetzen, finde ich berechtigt. Aber, du sprichst einem die subjektive Meinung ab, die in einer Diskussion aber ebenso eine Berechtigung hat, wie das, was allgemein bekannt ist.
Wenn die Kernaussage lautet: Es ist Anmaßung zu behaupten, man würde für die Nachwelt schreiben, dann hat jeder das Recht, hier seine Meinung zu verkünden, sei es mit Hilfe bekannter Theorien, sei es mit dem eigenen Gefühl und Denken.
Grüße
Taxine
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Gast873
Mitglied
1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
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48. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 21:43 Uhr |
Es ist mir zu einfach gestrickt! Aber ich habe kein Problem, wenn es deine Meinung ist, was du oben schreibst. Somit ist alles im grünen Bereich. Peace!
Gruß
Hyperion
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Taxine
Mitglied
52 Forenbeiträge seit dem 29.07.2007
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49. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.10.2007 um 21:47 Uhr |
Wenn´s aber nun einmal so einfach ist...
Ja, alles im grünen Bereich. Ist doch nur Gespräch, nich?
Grüße
Taxine
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Forum > Literaturgeschichte & -theorie > Schreiben für die Nachwelt
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