versalia feiert einen Kindergeburtstag, und niemand hat mich eingeladen. Oder ist das hier doch eher eine - wenn auch unfreiwillige - Trollfütterung? Wie entwürdigt man den Tod am besten? Indem man den Willen hinterlässt, im Sarg auf den Bauch gelegt zu werden. (Wolfgang Hildesheimer)
mala
Mitglied 128 Forenbeiträge seit dem 03.12.2006
Was für ein Ego-Gepinsel hier. Da stellt jemand eine Frage nach Literatur - ojah, Hesse ist gute klassiche Literatur!, und es gibt auch jüngere Menschen, die ihn heute lesen und ältere Menschen, die ihn vor mehr als 10 oder 20 Jahren gelesen haben - und der wird abgefüttert mit Arroganz, aber ohne jegliche Auseinandersetzung mit seinen Fragen.
Dabei wird versucht, das Literaturportal Versalia als ein niveauvolles hochzuhalten.
Für mich unverständlich. Es gibt nichts, was es nicht gäbe, und nichts ist weniger ergründbar als die Komplexität und der Facettenreichtum zwischenmenschlicher Beziehungen, und seien es Liebesbeziehungen.
LX.C
Mitglied 1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
Millionen haben weltweit den Demian gelesen. Ich bin mir ganz sicher, das dies nicht nur Pubertäre waren. Das ist schon an den Reaktionen zu sehen, die Hesse selbst bekam. Daher trifft mich diese Behauptung nicht weiter ins Mark. Meine Enttäuschung allerdings sprichst du vollends aus. Aber davon nun genug. Entweder entwickelt sich hier noch was oder eben nicht. .
Franklin Bekker
Mitglied 98 Forenbeiträge seit dem 09.01.2005
Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 19:47:35 am 29.03.2007 editiert
Ich habe leider den Demian nicht gelesen und ein Bekenntnis zu Hesse würde wohl auch nicht viel bringen. Ich habe nur überlegt ob Krieg nicht vielleicht sogar noch zu Beginn des 2. Weltkriegs anders aufgefasst wurde ... Krieg als Chance sozusagen und ob nicht Hesse dann dieses Zeitbild verarbeitet hat.
Nietzsche liest sich ebenfalls an vielen Stellen sehr kriegswillig. Vor allen Dingen, wenn man es als Metapher gebraucht und es in Richtung "Ketten srengen" geht. (über das, was Nietzsche selbst geglaubt hat oder gesagt haben will soll damit nichts gesagt sein). Komm schon, gieß mich in Bronze!
LX.C
Mitglied 1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
Du hast schon Recht. Der Erste Weltkrieg als Ausweg aus der Stagnation, der gesellschaftlichen Krise. Auch Hesse sprang, wie so einige Schriftsteller, insbesondere die Expressionisten, oder auch Wissenschaftler, wie beispielsweise der Soziologe Georg Simmel, auf diesen Zug. Doch sah er wie viele andere seinen fatalen Irrtum schnell ein. Daraus entstand dieses Pseudonym Emil Sinclair, da man eben, wenn man gegen den Krieg öffentlich eine kritische Position einnahm, mit den größten Repressalien zu rechnen hatte. Dieses "Trauma", das Hesse erfuhr, geächtet zu werden, wenn man im damaligen Deutschland journalistisch aufklärend wirken wollte, beeinflusste ihn literarisch nachhaltig bis in den "Steppenwolf". Unter diesem Pseudonym Emil Sinclair jedenfalls veröffentlichte er neben vielen journalistischen Artikeln auch den Roman "Demian" und erhielt dafür sogar einen Nachwuchspreis, ähnlich dem heutigen Bachmann-Preis, den er später selbstverständlich zurückgab. Doch hätte man mich inhaltlich nicht literaturwissenschaftlich aufgeklärt, ich hätte den Roman "Demian" gegen Ende der Geschichte pathetisch kriegerisch gedeutet. Was mich nach dem Verlauf der Handlung eben selbst überrascht hat. Wie dieser Irrtum aus dem Inhalt heraus entstehen konnte oder weiterhin kann (falls das nicht eine rein subjektiver Eindruck war), wollte ich an dieser Stelle diskutieren.
[Quote]Emil Sinclair war der Deckname Hermann Hesses, unter dem im Ersten Weltkrieg einige seiner ungemütlichsten Appelle, Aufsätze und Erzählungen gegen den Krieg veröffentlicht wurden. Ein solches Pseudonym war notwendig geworden, als man Hesse 1917 androhte, die Mittel für seine vom Deutschen Roten Kreuz unterstützte Kriegsgefangenenfürsorge einzustellen, wenn er weiterhin in den Medien den Sinn der deutschen Kriegsführung in Frage stelle. (aus: Hesse, Hermann: Sinclairs Notizbuch, Insel Verlag, Frankfurt/M und Leipzig 2000.) [/Quote] .
Gast873
Mitglied 1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
Ich bin mir dessen nicht sicher, ob Hesse im "Demian" den Krieg als den pathetischen König aller Dinge ansieht. Auch der "Zauberberg" endet einfach mit dem Pauken-und Granateneinschlag, ohne dass er einen Höhepunkt der Kriegs-Philosophie darstelle. Der Schluss ist nur symbolisch als das Ende, Kataklysmus zu verstehen und speist sich eher aus dem Pessimismus der Weltanschauung Schopenhauers, als dem Untergangsgedanken Nietzsches.
Außerdem, und das ist viel wichtiger, ist Demian aus den gemeinsamen Sitzungen Hesses mit C.G. Jung in Zürich qua psycho-analytische Annäherung an die Tiefen des menschlichen Bewusstseins entstanden oder als Gegenteil und dessen ultima ratio des Dunklen und Unbewussten.
Gruß
Hyperion
LX.C
Mitglied 1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
Diese Nachricht wurde von LX.C um 16:34:31 am 31.03.2007 editiert
Das mag wichtig sein, wenn man wissen will, wie der Roman entstand und warum Hesse in seinem übergeordneten Thema plötzlich einen neuen Weg einschlug. Durch die Psychoanalyse war zwar die Tiefe des Romans erst möglich und vor allem die Befreiung Hesses, den Menschen nicht mehr als Opfer seiner gesellschaftlichen Umstände zu sehen und darzustellen, sondern als Befreier seiner selbst. Als Individuum, das sich die Gesellschaft zunutze machen muss, nicht umgekehrt, um trotz aller Widerstände seinen individuellen Weg zu gehen. Aber der Inhalt spricht eben für sich selbst und bedarf keiner Kenntnis über die Entstehungsgeschichte. Der Konflikt, den ich sehe, entsteht, da trotz der positiven psychologischen Entwicklung sich Sinclair und Demian am Ende wieder den Konventionen unterordnen. Zwar für ein höheres Ziel, als das des Staates im Krieg - wodurch der Eindruck entsteht, dass Hesse den Krieg für bestimmte Ziele billigen würde -, aber eben doch als Werkzeug des Staates, dem es egal sein kann, was der Einzelne denkt, solange die Masse funktioniert. Aus meiner Sicht hätten Demian und Sinclair andere Wege beschreiten müssen, um den Staat zu unterwandern, und nicht mittels Beteiligung am Krieg, in dem festen Glauben, nur dadurch eine Revolution beschleunigen zu können. Für einen Schriftsteller, der eine Antikriegshaltung einnehmen will, ist mir das zu wacklig.
Hier ein paar Zitate dazu, die aus meiner Sicht auch sehr pathetisch anmuten.
[Quote]Wie seltsam, dass jetzt der Strom der Welt nicht mehr irgendwo an uns vorbeilaufen sollte –, dass er jetzt plötzlich mitten durch unsere Herzen ging, dass Abenteuer und wilde Schicksale uns riefen und dass jetzt oder bald der Augenblick da war, wo die Welt uns brauchte, wo sie sich verwandeln wollte. Demian hatte Recht, sentimental war das nicht zu nehmen. Merkwürdig war nur, dass ich nun die so einsame Angelegenheit „Schicksal“ mit so vielen, mit der ganzen Welt gemeinsam erleben sollte. Gut denn! Ich war bereit.
[…]
Mit der Zeit sah ich aber, dass ich die Menschen unterschätzt hatte. So sehr der Dienst und die gemeinsame Gefahr sie uniformierte, ich sah doch viele, lebende und Sterbende, sich dem Schicksalswillen prachtvoll nähern.
[…]
Mochten diese glauben und meinen, was immer sie wollten – sie waren bereit, sie waren brauchbar, aus ihnen würde sich Zukunft formen lassen. Und je starrer die Welt auf Krieg und Heldentum, auf Ehre und andere Ideale eingestellt schien, je ferner und unwahrscheinlicher jede Stimme scheinbarer Menschlichkeit klang, dies war alles nur die Oberfläche, ebenso wie die Frage nach den äußeren und politischen Zielen des Krieges nur Oberfläche blieb. In der Tiefe war etwas im Werden. Etwas wie eine neue Menschlichkeit. Denn viele konnte ich sehen, und mancher von ihnen starb an meiner Seite – denen war gefühlhaft die Einsicht geworden, dass Hass und Wut, Todschlagen und Vernichten nicht an die Objekte geknüpft waren. Nein. Die Objekte, ebenso wie sie Ziele, waren ganz zufällig. Die Urgefühle, auch die wildesten, galten nicht dem Feinde, ihr blutiges Werk war nur Ausstrahlung des Inneren, der in sich zu spaltenden Seele, welche rasen und töten, vernichten und sterben wollte, um neu geboren werden zu können. Es kämpfte sich ein Riesenvogel aus dem Ei, und das Ei war die Welt, und die Welt musste in Trümmern gehen.
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 15:11:49 am 02.04.2007 editiert
Zitat:
Für einen Schriftsteller, der eine Antikriegshaltung einnehmen will, ist mir das zu wacklig.
Das muss Hesse als Schriftsteller doch gar nicht, dazu ist er zu sehr Künstler und nicht Politiker. Der "Demian" ist von mir bereits oben werkimmanent interpretiert worden, als logische Konsequenz, die sich aus dem Begriff des Abraxas deduzieren lässt. Hesse hätte doch nicht den Sinclair in einer romantischen Stadt philosophieren und fröhlich weiter trinken lassen können, das wäre zu romantisch und eben nur einseitig gewesen, "Abraxas" aber beinhaltet immer beides: Romantik und Vernichtung, Tod, Zerstörung und gleichzeitig die Liebe zu Demians Mutter. Todesromantik des Krieges inklusive. Geist und Natur, das Männliche und das Weibliche spielen beim Hesse ne große Rolle, nie nur das eine oder andere. Der Demian kann nur so enden, wie er endet, in der Ambivalenz des Begriffes Abraxas. Vermutlich tue ich dem Dichter damit zu viel Ehre an, wenn ich ihn philosophisch zu deuten versuche.
Hesse, fürderhin ist der größte und vielleicht der einzig gute Romantiker seit Jan Paul im 20. Jahrhundert, und auch wieder nicht. Dies ist etwas polemisch, denn beide waren Romantiker und auch keine, und außerdem übergehe ich in der vorigen Behauptung die "echten" Romantiker, die in ihrer Romantik zu einseitig auf den Tod fixiert waren. Hesse verstand auch zu lachen und hatte es nie vergessen.
Zum Schluss möchte ich nur noch erneut darauf hinweisen, dass "Demian" tiefenpsychologisch gedeutet werden muss. Neben dem Liebestrieb (Demians Mutter und Liebe zum Demian selbst) gibt es noch einen, dem Menschen angeborenen Trieb, den Todestrieb. Eros (In Klammern) und Thanatos sind die Kinder eines Namens und eines Gedankens bei Hesse. Das hat nichts mit der Kriegsverherrlichung zu tun. Der Krieg ist etwas Männliches bei Hesse und Th. Mann erst recht.
Übrigens ist von Hesse "Zarathustras Wiederkehr" ähnlich, und nur noch ein Stückchen schärfer und radikaler aufgebaut und formuliert. "Nur für Verrückte" zu lesen.
Gruß
Hyperion
LX.C
Mitglied 1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
Diese Nachricht wurde von LX.C um 17:08:19 am 02.04.2007 editiert
Sehr schönes und auch richtiges Statement. Ich möchte hingegen deiner Aussage aber doch noch mal darauf hinweisen, dass Hesse zu jener Zeit, als er den "Demian" verfasste, ein sehr politischer Mensch war, öffentlich sogar mehr als er es jemals wieder sein sollte, und gegen den Krieg anschrieb. Und zwar genau unter dem Pseudonym, unter dem er auch "Demian" veröffentlichte. Und gerade aus diesem Grund, weiß ich den Schluss nicht recht einzuschätzen. Ansonsten stimmt deine Meinung mit der im Buch zu lesenden philosophisch-literaturwissenschaftlichen Deutung überein. Befriedigen tut mich das dennoch nicht. .
Gast873
Mitglied 1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
Wie soll der Schluss des Buches deiner Meinung nach aussehen? Ich sehe keine vernünftige Alternative, trotz des Pazifismus von Hesse in den Zeitschriften, Briefen etc. geht es hier im "Demian" um Kunst. Das war Hesse bewusst. Ohne den Untergang (oder sich erschießen zu lassen) wäre Demian kein großer Roman, sondern ein schlechter, durchschnittlicher Antikriegs-Parolenwitz geworden.