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irgendwie feige
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Autor
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Thema: irgendwie feige
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LX.C
Mitglied
1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
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90. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 03.07.2008 um 15:50 Uhr |
[Quote]Ein tragisches Geschick vollzieht sich, scheint mir, an der polnischen Literatur. Sie war eine Säule des Volkes, - solange das Volk unterjocht war. Nun man frei ist, wird aus der Säule ein Dekorationsstück. Wie überall.[/Quote]
Quelle: Döblin, Alfred: Reise in Polen, dtv, München 2006, S. 58.
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Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
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91. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 03.07.2008 um 19:26 Uhr |
Noch ist Polen nicht verloren.
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1943Karl
Mitglied
451 Forenbeiträge seit dem 24.02.2008
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92. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 03.07.2008 um 21:59 Uhr |
Lieber Matthias,
das ist ja fast schon ein literarisches Manifest, das du da ausgebreitet hast.
Für mich entspricht es dem einer demokratischen Literatur, allerdings nicht einer, die durch Massenabstimmung bewertet werden kann, sondern eher einer, die dem (auch wesentlich demonkratischen)Schutz von Minderheiten dienen kann.
Ich habe mich längere Zeit kulturpolitisch (als eben jener Vorsitzende eines Stadtverbandes Kultur) betätigt. Und gerade dort bin ich immer wieder dem Spannungsfeld Kunst und Mehrheitsgeschmack begegnet. Nicht selten traten dort Künstler und selbst ernannte (häufig arrogante) Kunstsachverständig auf, die sich das Alleinbestimmungsrecht in der Frage, was denn nun Kunst sei und was nicht , anmaßten. Sie erhoben Kunst und Kultur zum Religionsersatz und maßten sich
Kunstpäpstlichkeit an, als seien sie die Stellvertreter ihres Kulturgottes auf Erden.
Für mich ist die spannende Frage, wie Kunst und Kultur (und natürlich Literatur) unter demokratischen Bedingungen vor der Nivellierung durch Mehrheitsbeschluss geschützt werden kann. Oder die Frage anders gestellt : Wie ist zu verhindern, dass Demokratie zur Diktatur der Mehrheit wird.
Ich bin mir nicht sicher, ob ich mich klar genug äußern konnte und bin dennoch gespannt auf deine Antwort.
Herzliche Grüße
Karl
Bei jedem Irrtum gewinnt die Wahrheit Zeit.
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Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
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93. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.07.2008 um 11:10 Uhr |
Lieber Karl,
dat is wohl wahr:
Zitat:
Für mich entspricht es dem einer demokratischen Literatur, allerdings nicht einer, die durch Massenabstimmung bewertet werden kann, sondern eher einer, die dem (auch wesentlich demokratischen) Schutz von Minderheiten dienen kann.
Die deutschsprachige Verlagsszene steht in einem stärker werdenden ökonomischen Druck steht der Zwang gegenüber, kostspielig Profil zu zeigen. Wenn Suhrkamp als der strenge Orden gilt, S. Fischer als das solide Haus mit Vergangenheit, Rowohlt als internationaler Gemischtwarenladen, Hanser als Zuhause für Bestenlisten–Gewinner und Nobelpreisträger, dann ist man geneigt, daraus zu schließen, daß eben nicht alles bei allen erscheint und eben das ihnen ihr Profil gibt. – Weit gefehlt. Nicht nur sind es dieselben Verlage, die in New York, London oder Zürich um die internationalen Erfolgstitel kämpfen, die sie sich offenbar immer alle sehr gut bei sich vorstellen können. Genauso ließen sich junge deutschsprachige Autoren in der Regel problemlos auch in das Programm der sogenannten Konkurrenz einbauen. Offensichtlich gründen sich die Identitäten der Verlage mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart. Gewiß, Walter Benjamin ist typisch Suhrkamp, Isabel Allende aber eben nicht. Und unter den jüngeren Autoren welche zu finden, die unverwechselbar das Profil ihres Verlages wiedergeben, dürfte nicht ganz einfach sein. So markant viele Verlegerpersönlichkeiten auch, so austauschbar scheinen oft ihre Programme. Nur zwei Beteiligte dieser „Wertschöpfungskette“ wehren sich dagegen: der Autor und der Leser. Letzterer bestimmt schließlich, was in seine Regale kommt. Und Ersterer bleibt der Garant einer auch in Zukunft jeden Einzelnen ernst nehmenden Kunst. Manchmal sind in diesen windstillen Zeiten ungeschriebene Bücher spannender als jene, die den Weg auf den Büchertisch finden. Joseph Roths kühne Vorstellung zum Beispiel, einen Roman in weniger als drei Wochen schreiben zu können, oder die Krimipläne von Ernst Jandl. Wenn es bei Texten nicht darum geht, was der Autor gemeint hat, sondern was der Leser liest, ist für den Text nicht der Autor verantwortlich, sondern der Leser. Ist es dann noch sinnvoll Bestseller zu rezensieren?
Grüßken, Matthias Hagedorn
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1943Karl
Mitglied
451 Forenbeiträge seit dem 24.02.2008
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94. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 04.07.2008 um 17:18 Uhr |
Diese Nachricht wurde von 1943Karl um 17:19:19 am 04.07.2008 editiert
Lieber Matthias,
selbstverständlich gilt nicht das, was der Autor sagen will, sondern das, was der Leser aus dem Text für sich herausliest. Wahrscheinlich kennst du auch das Phänomen, häufig ("rein zufällig) genau das Buch zu finden, das du zu der Zeit für die eigene Erkenntnis dringend gebraucht hast.
Leider finde ich in letzter Zeit immer öfter Bücher, die mir nichts sagen, die ich gerade nicht gebraucht habe.
Im Übrigen bin ich mir gar nicht sicher, ob ich zum Beispiel den Satz "Ja, genau so ist es!" nach einer meiner Lyriklesungen als Kompliment werten soll. Obwohl ich weiß,dass Selbstversicherungen häufig der Grundstein für Weiterentwicklungen sind, führen Texte mit dieser Bewertung kaum zu einer Auseinandersetzung beim Zuhörer/Leser. Meine Texte sind jeweils immer eine prozesshafte Auseinandersetzung mit Erlebnissen und Bedeutungen. Ich möchte Gemüter und Gedanken bewegen... . Leider gelingt mir das viel zu selten
Herzliche Grüße
Karl
Bei jedem Irrtum gewinnt die Wahrheit Zeit.
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Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
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95. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 05.07.2008 um 13:37 Uhr |
Lieber Karl,
es gibt unterschiedliche Ansichten, ob zwischen Künstler und Kunde eine Instanz benötigt wird. Ja, meint der Künstler, wenn es eine werbende ist. Nein, sagt er, wenn es eine herabsetzende ist. Was der Kunde dazu denkt, sagt er gegebenenfalls dem Buchhändler. Seit einiger Zeit sagt er immer öfter: Nein. Was Literaturkritik leisten soll, ist nicht schwer zu verstehen. Sie berichtet darüber, wie Autoren im 21. Jahrhundert arbeiten und welche Themen sie beschäftigen. Der Schriftsteller, das Werk, die Institution, das öffentliche Interesse, das Angebot Literatur als "Fest des Denkens" (Heidegger), als Anlaß von theoretischen und gesellschaftskritischen Überlegungen wie ästhetischer Reflexion und Weltdeutung zu begreifen, all das kann hier zusammengeführt werden. Daher ist das kluge Referat in der Regel intellektuell aufregender als der brav abgefeuerte Schnellschuß zu etwelchen dräuenden Feuilletondebatten.
Zitat:
[size=1] selbstverständlich gilt nicht das, was der Autor sagen will, sondern das, was der Leser aus dem Text für sich herausliest.
Lange Zeit hatte die Kunst die zentrale Aufgabe, das darzustellen, was nicht sichtbar ist. Gott bzw. die Erfahrung Gottes, die Vorstellung vom Paradies sowie der Teufel und die Hölle wurden tausendfach auf Holztafeln und Leinwänden angerufen, beschwört, gebannt, verflucht; personalisiert durch irdische Vertreter, konturiert, ausgestaltet durch Landschaften, Licht und Dunkel. Viel später wurden, man denke an Gauguin, innere Landschaften oder, wie bei den Expressionisten, seelische Abgründe, Brachen, fast nicht mehr von dieser Welt scheinende Verschmelzungssehnsüchte (Rothko) und unbewußte Energien (z. B. Pollock) erkundet. Das Negativbeispiel eines distanzierten Schriftstellers ist Ernest Hemingway, weil er sich immer nur als Tourist durch die von ihm beschriebene Landschaft bewegt. Wo die Kunst früher das darstellen sollte, was nicht sichtbar ist, muß es im 21. Jahrhundert authentisch sein. Romane müssen journalistische Qualitäten aufweisen, "packend" und "dicht" sein, "spannend" wie ein Erlebnistrip, eine Reise. Und Krimis lesen sich ohnehin am besten. Sind wir wirklich so weit gekommen, daß wir nur das für authentisch halten, was sich mimikryhaft als Realität gebärdet?
Grüßken, Matthias Hagedorn
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JH
Mitglied
275 Forenbeiträge seit dem 21.02.2007
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96. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 05.07.2008 um 13:53 Uhr |
Diese Nachricht wurde von JH um 13:55:00 am 05.07.2008 editiert
Zitat:
später wurden, man denke an Gauguin, innere Landschaften oder, wie bei den Expressionisten, seelische Abgründe,
(...)
Was meiner Ansicht nach heute sehr naiv wirkt.
Zitat:
Wo die Kunst früher das darstellen sollte, was nicht sichtbar ist, muß es im 21. Jahrhundert authentisch sein.
Zitat:
Romane müssen journalistische Qualitäten aufweisen,
Nicht nur das, muss muss Autor in Leipzig studiert haben und Schüler gewisser Professoren sein.
Zitat:
"packend" und "dicht" sein, "spannend" wie ein Erlebnistrip, eine Reise.
Weil unser Leben langweilg ist, zum Kotzen langweilig gemacht durch uns selbst: Fahr mit der Alten zwei mal innen Urlaub, die Kids werden älter, wenn du was brauchst, geh dorthin wo du es bekommst.
Nothing is more boring than a traveler´s stroy. It is just like the toothless yawning of a lion in a sideshow. Kobo Abe, Traveling to Eastern Europe
Deswegen braucht es Action. Wie Mononatriumglutamat in der Gastronomie.
Zitat:
Sind wir wirklich so weit gekommen, daß wir nur das für authentisch halten, was sich mimikryhaft als Realität gebärdet?
Darauf sind wir konditioniert. Die Realität war immer schon eine Aneinanderreihung von Klischees. Alles steht zum Verkauf und wir sind Geister.
Es gibt nichts mehr abseits der ankonditionierten Erwartungshaltung. Es wird nur Noch mehr draufgepackt.
Logic such as this transcends our ordinary use of the word. It can perhaps be understood as an experience similar to that encountered by a person who is trying to prove a theorem in geometry who suddenly discovers an unexpected subsidary line. Physicists are right when they say that we need some neww labels for reality." Kobo Abe, 1975
MASSONI
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Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
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97. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 05.07.2008 um 14:00 Uhr |
Zitat:
[size=1]Nicht nur das, muss muss Autor in Leipzig studiert haben und Schüler gewisser Professoren sein.
Über die Schreiberlinge, die in Hildesheim oder Leipzig ausgebildet werden läßt sich sagen, daß sie noch nie auf einem breiten Niveau so gut schreiben konnten wie heute, aber so wenig mitzuteilen haben wie nie zuvor. Diese oberflächliche Zeitgenossenschaft hat mit Interpretation und mit Stellungnahme zu einer ohnedies kaum mehr bekannten Tradition nichts zu tun. Es geht es in diesen Berichten weniger um das Literarische an sich – und vielmehr um die Möglichkeit der Identifikation. Diese Art von Texten sind zu abgetrennt vom Leben, auf der anderen Seite wirkt das, was zum Kulturleben so landläufig dazugerechnet wird, wie Versatzstücke, mit denen beliebig gehandelt wird, weil jeder angeblich Kunst machen kann. Und: Nicht jeder kann ein Künstler sein. Die Epigonen in unserer Gegenwartsliteratur sterben nicht aus, nein, sie vermehren sich unablässig. Sie reüssieren auf dem literarischen Markt mit Texten, die schnell erfassbare Oberflächenreize haben, demonstrativ ihre eigene Machart signalisieren und sich bei Literatur–Wettbewerben gut in kleinen Portionen vorlesen laßen. Diese déformation professionelle droht jedem Autor, der sich den autistischen Kommunikationsformen des Literaturbetriebs überläßt. Dann entsteht der Typus des außenorientierten Schriftstellers, der zwar die Kodizes der eigenen Zunft sehr genau kennt, aber über den Tellerrand des Gewerbes nicht mehr hinauszublicken vermag. Früh bahnt der Literaturbetrieb den Talenten den Weg und hat sie dann ständig unter Einfluss und Kontrolle, macht aus ihnen Schriftsteller, die nur noch mit Schriftstellern umgehen und schließlich nur noch etwas über Literatur wissen und Literatur herstellen, die sich nur mit sich selbst befaßt.
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JH
Mitglied
275 Forenbeiträge seit dem 21.02.2007
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98. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 05.07.2008 um 14:42 Uhr |
Zitat:
Über die Schreiberlinge, die in Hildesheim oder Leipzig ausgebildet werden läßt sich sagen, daß sie noch nie auf einem breiten Niveau so gut schreiben konnten wie heute, aber so wenig mitzuteilen haben wie nie zuvor.
Exakt. Wie auch in der Politik: Polarisierung stets im Sandkasten, wenn auch mit weniger Energie. Wer Lem gelesen hat, weiß um die Informationszucht solcher Brutstätten.
Zitat:
Diese oberflächliche Zeitgenossenschaft hat mit Interpretation und mit Stellungnahme zu einer ohnedies kaum mehr bekannten Tradition nichts zu tun. Es geht es in diesen Berichten weniger um das Literarische an sich – und vielmehr um die Möglichkeit der Identifikation.
Und anschließender Kategorisierung sowie Verfassen eines Remakes eines Remakes - geschrieben vom Ghost-Writer.
Zitat:
Und: Nicht jeder kann ein Künstler sein. Die Epigonen in unserer Gegenwartsliteratur sterben nicht aus, nein, sie vermehren sich unablässig. Sie reüssieren auf dem literarischen Markt mit Texten, die schnell erfassbare Oberflächenreize haben, demonstrativ ihre eigene Machart signalisieren und sich bei Literatur–Wettbewerben gut in kleinen Portionen vorlesen laßen.
Darum sind mir diese Clubs mit den kleinen Bühnen und dem verrauchten Ambiente so verhasst. Da werden Nichtigkeiten mit Lebensbeichten aufgeblasen, wenn einer nur mal 50 Cent verloren hat erinnert ihn das an das Universum. Zum Schluss noch mit etwas Anti-Aging Witz überzuckert, fertig ist die grün-klebrige Masse.
Zitat:
Diese déformation professionelle droht jedem Autor, der sich den autistischen Kommunikationsformen des Literaturbetriebs überläßt. Dann entsteht der Typus des außenorientierten Schriftstellers, der zwar die Kodizes der eigenen Zunft sehr genau kennt, aber über den Tellerrand des Gewerbes nicht mehr hinauszublicken vermag. Früh bahnt der Literaturbetrieb den Talenten den Weg und hat sie dann ständig unter Einfluss und Kontrolle, macht aus ihnen Schriftsteller, die nur noch mit Schriftstellern umgehen und schließlich nur noch etwas über Literatur wissen und Literatur herstellen, die sich nur mit sich selbst befaßt.
Siehe Gruppe 47 & Co.
Fruchtwasserblasen voll mit Kosmopolitischen Eliten aus Symbolanalytikern. Wo ist der Tucholsky Android, der die BoBos aus den Pop-Clubs jagt. Vor ihrer totalen Vernichtung auf dem Laufsteg in Richtung Grab vielleicht noch ein letztes "Was kostet die Welt".
MASSONI
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Matze
Mitglied
719 Forenbeiträge seit dem 09.04.2006
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99. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 05.07.2008 um 14:46 Uhr |
Zitat:
Wo ist der Tucholsky Android, der die BoBos aus den Pop-Clubs jagt. Vor ihrer totalen Vernichtung auf dem Laufsteg in Richtung Grab vielleicht noch ein letztes "Was kostet die Welt".
Auch ich vermisse in Deutschland immer noch die selbstverständliche, breite, alltägliche Debatte über den Wert der Künste. Wie die Forschung sind sie bereichernd für die subjektive Entwicklung und für die Visionskraft der Gemeinschaft. Diese Debatte wäre ein Zeichen für die gesellschaftliche Wertschätzung der Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern – auch und gerade dann, wenn die Ergebnisse unbequem sind und uns herausfordern, irritieren oder schockieren. Man kann die Welt durch die Linse einer Digicam betrachten. Man kann sie auch in mathematische Formeln aufspalten. Man kann Rede und Antwort stehen, wenn man über sie interviewt wird. Oder man kann sie sich selbst in Sonettform erzählen. Es gibt viele verschiedene Möglichkeiten, die Komplexität der Dinge und die des eigenen Lebens herunterzubrechen auf ein Maß, mit dem man sich arrangieren kann. Wirklich leichter wird es dadurch nicht. Auch nicht in einem Essay. In der Begegnung mit der Natur, mit dem Gegenüber, mit der Kunst. Neues, das aus Gewordenem nicht folgt ist anders gesagt: Freiheit. Augustinus´ Wort „initium ergo ut esset, creatus est homo“ (der Mensch ist geschaffen, damit ein Anfang sei) ist mein Leitmotiv. Ich sehe den modernen Menschen einer zunehmend ausgreifenden Kontroll– und Orientierungswut seitens gesellschaftlicher Instanzen ausgesetzt. Der Typus Ignorant folgt läuft willig den Trends; im Kunstbetrieb sucht er vor allem eine Bestätigung der eigenen Lebensmaximen. Der unterdrückte Mensch, von dem wir alle etwas in uns haben, ergibt sich in die Sklaverei des Systems. Im ganz konkreten Tun, im tätigen Leben, in der vita activa, wie es Hannah Arendt auf den Begriff brachte. Mehr und mehr Menschen zeigen sich der Herausforderung des Überrascht–Werdens durch den allgegenwärtigen Reichtum der konkreten Welt nicht mehr gewachsen. Sie verfügen nicht mehr über die Konzentrationsfähigkeit und das Fokussierungsvermögen, um z.B. die Poesie einer verrosteten Dachrinne zu entdecken. Die Formel der Kulturkritik, die Hinwendung zum eigenen Leben ist nur noch nur Affirmation, das abgeschmackte Ergebnis einer dekadenten Spaßgesellschaft, in der die Werte verfallen und der Egoismus regiert.
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