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Literaturforum:
Fachbegriffe ...
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Autor
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Thema: Fachbegriffe ...
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LX.C
Mitglied
1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
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Eröffnungsbeitrag |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 11:36 Uhr |
... Fachbegriffe, Fachbegriffe. Der Literaturbetrieb ist ein Netz aus Fachbegriffen. Die Literatur selbst jedoch, berührt das nicht. Sie ist unabhängig von jeglichen Zuordnungen, selbst wenn ihre Inhalte und mehr noch die Autoren manchmal darunter zu leiden haben.
Fachbegriffe als Ordnungsfunktion der Literaturwissenschaft. Viele lehnen diese immer spezifischer und umfangreicher werdende begriffliche Ordnung verständnislos ab. Doch könnten wir ohne diese überhaupt über Literatur reden?
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Franklin Bekker
Mitglied
98 Forenbeiträge seit dem 09.01.2005
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1. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 12:33 Uhr |
Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 12:33:56 am 25.08.2007 editiert
Ein Problem an dieser begrifflichen Ordnung ist, dass sie alles andere als eine Ordnung darstellt.
Wir können schon ohne solche Begriffe über die Texte reden, aber es kürzt die Sache einfach extrem ab, wenn man mit Worten wie Ich, Erzähler und Autor (um bei einer einfachen Unterscheidung zu bleiben) arbeitet, sonst müsste man ja ständig auf umfangreiche Erklärungen ausweichen.
Außerdem frage ich mich, inwieweit sich selbst Leute die gerne Literatur lesen und darüber sprechen (nicht darüber was Literatur ist, sondern was für eine Art Ereignis ein Text ist) auf dieses Begriffinventar einlassen. Der Literaturwissenschaftler kann unglaublich viele Sachen an einem Text bezeichnen, die ein Leser überhaupt nicht wahrnimmt (auch nicht unterbewusst) und die demzufolge nur von Literaturwissenschaftlern zum Thema gemacht werden.
Sprich: die Wissenschaft spricht ganz anders über Texte als die Öffentlchkeit. Sie ist Realitätsfern.
Komm schon, gieß mich in Bronze!
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Gast873
Mitglied
1457 Forenbeiträge seit dem 22.06.2006
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2. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 12:56 Uhr |
Diese Nachricht wurde von Hyperion um 12:58:40 am 25.08.2007 editiert
Oh ja, ein bißchen (Um-)Deutung von Franklins letztem Satz sei mir gegönnt:
Die Öffentlichkeit ist realitätsfern, sie entscheidet (empfindet) aus dem Bauch heraus, nach Gutdünken aus purem Gefühl, was für sie gut ist, während die Literaturwissenschaftler festere Argumente, Kriterien und Maßstäbe zur Unterscheidung von Unterhaltung und Schund einerseits und wirklich guter Literatur andererseits haben, um das Erbe der Deutschen z.B. Goethe und Schiller weiterhin wissenschaftlich pflegen zu dürfen, Werte zu bewahren etc. . Der Otto-Normal-Verbraucher aber soll auf eine Faust-Inszenierung keineswegs verzichten :-).
Gruß,
Hyperion
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baerchen
Mitglied
822 Forenbeiträge seit dem 02.08.2007
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3. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 18:46 Uhr |
Diese Nachricht wurde von baerchen um 19:21:13 am 25.08.2007 editiert
Oh, ´Bauchgefühl´, mein Stichwort.
Als völlig ungebildeter Mensch stelle ich mir die Frage: hatten Goethe und Schiller sich denn auch diese formalen Gedanken gemacht? Hatten Sie Vorbilder und welche Vorbilder wiederum hatten diese? (Bitte nicht beantworten, sonst komme ich mir schon wieder so ungebildet vor.) Hätten sie etwas schaffen können, über das heute noch jemand spricht, wenn sie literaturwissenschaftlich gedacht hätten?
Ich für mein Teil erfreue mich an Bildern, die sich in meinem Kopf formen, wenn ich ein mich ansprechendes Gedicht (oder was es sonst so gibt) lese und es bekannte Gefühle in mir weckt. Doch dafür bedarf es des Gefühls. Solange ich so ungebildet bin, wie ich es bleiben werde, so lange erfreue ich mich ganz ohne Fachbegriffe.
Gruß - und entschuldigt, dass ich die Fachdiskussion unterbrochen habe - das b.
()kleiner Nachtrag:
()>Die Öffentlichkeit ist realitätsfern, sie entscheidet (empfindet) aus dem Bauch heraus, nach Gutdünken aus purem Gefühl, was für sie gut ist,...
(): das könnte auch für Atomkraftwerke gelten.
Sorge Dich nicht, wenn Du schreiben kannst. Schreibe, schreibe, schreibe...
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LX.C
Mitglied
1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
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4. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 23:44 Uhr |
Diese Nachricht wurde von LX.C um 23:59:52 am 25.08.2007 editiert
Goethe und Schiller waren nicht nur Schriftsteller, sondern auch Wissenschaftler. Zudem prägten sie, wie du sicher selber wissen wirst, aber du hast nun mal gefragt, aus welchen Motiven auch immer, eine ganze literarische Epoche, die Weimarer Klassik, welche Maßstäbe für den gesamten deutschsprachigen Raum setzte, und International oftmals irrtümlich mit kultureller Identität Deutschlands gleichgesetzt wurde, ausgehend, von einer Kleinstadt mit 10 000 Einwohnern. Ich weiß nicht, ob du schon einmal im Goethehaus warst, akribisch archivierte und geordnete Sammlungen findet man dort vor, von den massenhaften Gesteinsproben angefangen bis zur Bibliothek. Goethe liebte also Ordnungsbegriffe. Literarisch wird das nicht anders gewesen sein. Natürlich ist der Begriff Weimarer Klassik nachträglich eine Zuordnung der Literaturwissenschaft, also nicht von Goethe und Schiller selbst ausgehend. Aber wie hätten sie Kriterien und Maßstäbe ansetzen können, ohne Fachbegriffe?
[Quote]Die Öffentlichkeit ist realitätsfern, sie entscheidet (empfindet) aus dem Bauch heraus, nach Gutdünken aus purem Gefühl, was für sie gut ist, während die Literaturwissenschaftler festere Argumente, Kriterien und Maßstäbe zur Unterscheidung von Unterhaltung und Schund einerseits und wirklich guter Literatur andererseits haben, um das Erbe der Deutschen z.B. Goethe und Schiller weiterhin wissenschaftlich pflegen zu dürfen, Werte zu bewahren etc. . Der Otto-Normal-Verbraucher aber soll auf eine Faust-Inszenierung keineswegs verzichten :-).[/Quote]
Dann lass mich deinen Satz jetzt wiederum etwas umdeuten. Der Ottonormalverbraucher soll auf "Trivialliteratur" keinesfalls verzichten müssen. Es kann ja keinesfalls im Sinne der Literaturwissenschaft sein, einen "gesundschrumpfen“ der Literatur zu bevorzugen, wie es ein fragwürdiger Herr namens Borchardt einst tat.
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LX.C
Mitglied
1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
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5. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 25.08.2007 um 23:48 Uhr |
[Quote]Hätten sie etwas schaffen können, über das heute noch jemand spricht, wenn sie literaturwissenschaftlich gedacht hätten?[/Quote]
Umgekehrt, vermutlich haben sie nur dadurch etwas geschaffen, über das man heute noch spricht.
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baerchen
Mitglied
822 Forenbeiträge seit dem 02.08.2007
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6. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 26.08.2007 um 01:45 Uhr |
Letzteres vermute ich auch. Aber es macht mir Angst, dass Analyse zu Konserve führt.
Sorge Dich nicht, wenn Du schreiben kannst. Schreibe, schreibe, schreibe...
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WalterE
Mitglied
13 Forenbeiträge seit dem 26.08.2007
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7. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 26.08.2007 um 10:17 Uhr |
Zitat:
Diese Nachricht wurde von Franklin Bekker um 12:33:56 am 25.08.2007 editiert
Ein Problem an dieser begrifflichen Ordnung ist, dass sie alles andere als eine Ordnung darstellt.
Wir können schon ohne solche Begriffe über die Texte reden, aber es kürzt die Sache einfach extrem ab, wenn man mit Worten wie Ich, Erzähler und Autor (um bei einer einfachen Unterscheidung zu bleiben) arbeitet, sonst müsste man ja ständig auf umfangreiche Erklärungen ausweichen.
Außerdem frage ich mich, inwieweit sich selbst Leute die gerne Literatur lesen und darüber sprechen (nicht darüber was Literatur ist, sondern was für eine Art Ereignis ein Text ist) auf dieses Begriffinventar einlassen. Der Literaturwissenschaftler kann unglaublich viele Sachen an einem Text bezeichnen, die ein Leser überhaupt nicht wahrnimmt (auch nicht unterbewusst) und die demzufolge nur von Literaturwissenschaftlern zum Thema gemacht werden.
Sprich: die Wissenschaft spricht ganz anders über Texte als die Öffentlchkeit. Sie ist Realitätsfern.
Dass die Wissenschaft (z.B. die Germanistik) das "technische" Vokabular des Forschens und Systematisierens erarbeitet und einsetzt, versteht sich von selbst. Und nicht alles, was die Öffentlichkeit nicht versteht, ist "realitätsfern"...
Solange man sich über "Ich, Erzähler und Autor" unterhält, gibt´s ja keine Verständnisprobleme. Aber wie ist´s mit weitergehender, aber doch immer noch spezifischer und eigentlich trivialer Begrifflichkeit? Beispielsweise "Lyrisches Ich", "Metapher", "Trochäus", u.v.a. ? Wieviel davon darf man im Jahre 2007 "ausblenden", um nicht den Nordpol ein zweites Mal zu entdecken?
Pointiert: Nicht-Wissen garantiert nicht automatisch gute Gedichte...
Auf die Aus-dem-Bauch-heraus-Lyrik warten zahllose Fallen...
Gruss: Walter
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LX.C
Mitglied
1770 Forenbeiträge seit dem 07.01.2005
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8. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 26.08.2007 um 12:07 Uhr |
Ja, da möchte ich dir zustimmen. Herzlich Willkommen.
Wissenschaftliche geprägte Begriffe bleiben ja nicht für sich, innerhalb der Wissenschaft, wie unter einer Käseglocke. Sie dienen ja gerade auch der Allgemeinheit. Wie könnten wir beispielsweise in diesem Forum über die Avantgardeströmungen der Moderne diskutieren, wie sie auseinander halten, ohne Fachbegriffe? Literatur rezipieren ist eine Sache, seine ganz persönlichen Gedanken machen, sie innerlich zustimmend, ablehnend oder hinnehmend mit Erfahrungen der eigenen Lebenswelt abgleichen oder Fremdwahrnehmungen erfahren. Dafür bedarf es keine Fachbegriffe. Tiefergehender über sie zu diskutieren, eine andere. da machen Fachbegriffe vielleicht sogar erst den Reiz aus?
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mande
Mitglied
365 Forenbeiträge seit dem 12.02.2007
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9. Antwort - Permalink - |
Abgeschickt am: 26.08.2007 um 15:46 Uhr |
Zitat:
Goethe und Schiller waren nicht nur Schriftsteller, sondern auch Wissenschaftler.
Das Goethe es nun war, klar. (l´os intermaxillaire), (Farbenlehre) (Gesteinskunde).
Aber in wieweit es war Schiller?
Wäre interessant zu wissen für mich. An Beispielen. Dachte stets, ich würde auskennen mich mit den Beiden. Aber immer, man lernt dazu.
Mande
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