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Literaturforum: Isabella


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 Thema: Isabella
miniszlan
Mitglied

1 Forenbeitrag
seit dem 26.10.2004

     
Eröffnungsbeitrag Abgeschickt am: 29.10.2004 um 20:46 Uhr

Es war fünf nach halb acht. Die Dunkelheit des frühen Januarmorgens ruhte noch über den verkehrsreichen Straßen, die wie leuchtende Pulsadern aussahen, mit den Wagen als Blutkörperchen. Der gestrige Schnee war schon geschmolzen, alles was zurüclgeblieben war, war eine Mischung aus Matsch, Schmutz und schwarzen, verkohlten halb flüssigem Schnee.

Etwas müde betrat sie den Klassenraum. Einige ihrer Klassenkameraden waren schon anwesend.
„Morgen…” sagte sie leise.
Lukas saß mit dem Rücken zu ihr auf seinen Tisch und war gerade beim Frühstücken. Er drehte sich halb um und erwiderte mit vollem Mund:
„N’Morgen.” Dann drehte er sich wieder zurück und setzte seine Unterhaltung mit Nathalie fort, die mit einen dezenten Kopfnicken ebenfalls eine Morgenbegrüßung signalisierte.

Sie musste noch Mathehausaufgaben machen, also setzte sie sich auf ihren platz, packte ihre Sachen aus und machte sich an die Arbeit. Beim Schreiben merkte sie, dass sie ihren Pullover verkehrt rum angezogen hatte. Sie zog ihn aus und dann wieder an, richtig herum. Langsam füllte sich der Klassenraum, Susanne und Miriam waren auch bald angekommen. Sie hatte sich mit ihnen vor zwei Wochen gestritten, seitdem redeten sie nicht mehr miteinander. Zwar saßen sie noch zu dritt in der selben Reihe, jedoch mit einem gewissen Abstand voneinander. Ja, es war eigentlich kindisch, dieses Verhalten, dachte sie.

Im Unterricht war sie fast eingeschlafen. Sie konnte letzte Nacht ihre Augen kaum zu bekommen, und nun fühlte sie, wie ihre grünen Augen jetzt angeschwollen waren. Nathalie schaute zu ihr nach hinten. Sie schaute nur. Vielleicht würde sie gleich lächeln. Vielleicht auch nicht. Nathalie drehte sich wieder um. Alles wie jeden Tag, dachte sie. Herr Lochner sagte wieder Sachen, die sie nicht verstehen konnte.

Es hatte geklingelt. Sie eilte raus zur Toilette, um sich das Gesicht zu waschen. Rot waren ihre Augen und tatsäschlich angeschwollen, ihr Gesicht etwas abgemagert. Nachdem sie sich mit etwas Toilettenpapier abgetrocknet hatte, ging sie wieder zurück in den Klassenraum. Es folgte Solzialkundeunterricht. Sie hatte überhaupt keine Kraft um sich auf den Unterrichtsstoff zu konzentrieren, aber nach einer Woche Fehlen musste sie wieder kommen, um nichts zu verpassen.
„Isabella, geht es ihnen gut?” fragte die Lehrerin plötzlich. Sie hob ihren Kopf und sah, dass sich alle zu ihr nach hinten umgedreht hatten. Achtundzwanzig Augenpaare starrten sie nun an. Sie fand es überaus komisch.
„Möchten sie rausgehen?” fragte die Lehrerin erneut.
Sie stand auf und lief wortlos zu der Tür los. Susannes Rucksack lag im Weg. Sie stolperte darin. Alles war verschwommen um sie herum. Aber nach einem Blinzeln, nicht mehr.

Nach dem Unterricht näherte sich Frau Madaus, mit langsamen Schritten.
„Wie geht es ihnen?”
„Besser.” antwortete sie.
„Wie geht es ihrer Mutter?”
„Es geht ihr gut.”
„Und ihrer Schwester?”
„Es geht ihr auch gut, danke.”
„Ich weiß, ess ind schwere zeiten aber…” Frau Madaus beendete ihren Satz nicht. Sie schaute auf ihre Uhr und sagte, dass sie es eilig hätte, denn sie müßte noch die Klassenarbeiten der Fünftkläßler korrigieren. Aber sie würde zu jeder Zeit für eine Unterhaltung zur Verfügung stehen. Dann ging sie.

In der großen Pause entschied sie sich nach Hause zu gehen. Sie war gerade zum Ausgang unterwegs, als Michael sie plötzlich in der Aula anhielt.
„Hey, Isabella, lange nicht gesehen! Was ist mit meinem Biobuch? Wann kriege ich ihn wieder?”
Sie schaute ihn an, lächelnd.
„Später, ich bringe ihn de später, ja?”
„Jetzt sag mir was los ist… Du tust ja so, als wäre jemand gestorben.”
Nathalie hatte die Unterhaltung aus der Nähe mitverfolgt und nun kam sie an, fasste an Michaels Jacke und begann ihn heftig wegzuzerren.
Isabella drehte sich wieder um und lief weiter zum Ausgang. Sie sah nicht zurück, hörte jedoch Nathalies leise Worte:
„Mensch, weißt du denn nicht…. Ihr Vater….”

Sie ging. Zur Bushaltestelle. Sie schaute zum Himmel herauf. Eine Schneeflocke war auf ihr verweintes Gesicht gefallen. Sie ging nach Hause. Ihre Mutter würde ihr bestimmt eine Entschuldigung schreiben.

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